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OLG Brandenburg – Beschluss vom 16.04.25

Zum Inhalt der Entscheidung: Zur wirksamen Vertretung eines Betroffenen in der Hauptverhandlung und zur Entbindung vom persönlichen Erscheinen nach § 73 OWiG ist die Vorlage einer besonderen, auf die Entbindung bezogenen Vollmacht erforderlich. Eine allgemeine Vollmacht in Bußgeldsachen genügt hierfür nicht.

Oberlandesgericht Brandenburg

Beschluss vom 16.04.25

1 ORbs 55/25

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das (Verwerfungs-) Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Oktober 2024 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat gegen den Betroffenen mit Bescheid vom 28. Februar 2024 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h, begangen am 12. November 2023 gegen 17:18 Uhr mit dem Pkw amtliches Kennzeichen …, auf der Bundesautobahn … bei 155,5, Fahrtrichtung („Ort 01“) auf ein Bußgeld in Höhe von 150,00 € erkannt. Nach fristgerecht eingelegtem Einspruch hat der Bußgeldrichter des Amtsgerichts Oranienburg mit Verfügung vom 28. Juni 2024 Termin zur Hauptverhandlung auf den 21. Oktober 2024, 9:30 Uhr anberaumt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 22. August 2024 räumte der Verteidiger, Rechtsanwalt („Name 01“) aus („Ort 02“), für den Betroffenen die Fahrereigenschaft ein, gab zudem an, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen zu wollen und beantragte, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Dem Anwaltsschriftsatz war die von dem Betroffenen unterschriebene „Vollmacht in Straf- und Bußgeldsachen“ beigefügt, die sich nach Ziffer 1 auf „Vertretung und Verteidigung in Straßfsachen und Bußgeldsachen (einschließlich Steuersachen), Nebenklageverfahren und Privatklageverfahren“ bezieht.

Das Amtsgericht Oranienburg hat durch Urteil vom 21. Oktober 2024 den Einspruch des Betroffenen gegen den o.gen. Bußgeldbescheid verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid zwar rechtzeitig Einspruch erhoben habe, aber in dem Termin zur Hauptverhandlung trotz der durch Zustellungsurkunde vom 29. August 2024 nachgewiesenen ordnungsgemäßen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei und von seiner Verpflichtung zum Erscheinen auch nicht entbunden gewesen war.

In dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 21. Oktober 2024 ist vermerkt, dass der Terminvertreter Rechtsanwalt S___ aus Berlin den Antrag auf Entpflichtung des Betroffenen gemäß dem Anwaltsschriftsatz vom 22. August 2024 gestellt hatte. Diesen Antrag hat das Amtsgericht im Hauptverhandlungstermin durch Beschluss zurückgewiesen, da keine „besondere Vollmacht“ für einen Entpflichtungsantrag von Rechtsanwalt („Name 01“) vorgelegen habe und die Terminsvollmacht für Rechtsanwalt („Name 02“) aus („Ort 03“) weder eine Vollmacht zur Vertretung des Betroffenen nach § 73 Abs. 3 OWiG umfasse noch von dem Vollmachtgeber, Rechtsanwalt („Name 01“) aus („Ort 02“), unterschreiben worden war.

Mit dem am 24. Oktober 2024 bei Gericht angebrachten Anwaltsschriftsatz hat der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 21. Oktober 2024 eingelegt und das Rechtsmittel mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 21. November 2024 begründet und insbesondere gerügt, dass dem Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung gemäß § 73 Abs. 2 OWiG nicht entsprochen worden war.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit der dem Betroffenen übermittelten Stellungnahme vom 17. März 2025 beantragt, das als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG auszulegende Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

1. Die von dem Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 300 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG auszulegen, da das von dem Betroffenen angegriffene Bußgeld 150,00 € beträgt und eine Nebenfolge nicht angeordnet worden war.

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist innerhalb der Frist der § 80 Abs. 3 OWiG iVm. §§ 341, 344, 345 StPO eingelegt und begründet, mithin zulässig erhoben worden.

  1. Der Zulassungsantrag ist jedoch unbegründet.

a) Gegen die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann der Betroffene im Zulassungsverfahren im Wesentlichen nur mit der Beanstandung gehört werden, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs nicht vorgelegen hätten, das Amtsgericht das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen oder das Amtsgericht einem Entpflichtungsantrag hätte stattgeben müssen, mithin eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege (statt vieler: Senatsbeschluss vom 26. August 2019, (1 B) 53 Ss-OWi 173/19 (263/19), m.w.N., vgl. Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 19. Aufl., 2024, § 74 Rn. 48a).

Die Rüge, das Gericht habe zu Unrecht den Antrag des Betroffenen abgelehnt, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, greift nicht durch.

Da die Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zu Anwesenheit in der Hauptverhandlung wesentliche persönliche Verfahrensrechts des Betroffenen – insbesondere das Anwesenheitsrecht, die Gewährung rechtlichen Gehörs, die Äußerungsbefugnis, die Wahrnehmung des „letzten Wortes“ – betrifft bzw. auf den vertretenen Verteidiger übergehen (vgl. KG NStZ-RR 2015, 385) und im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG seine Rechte aus § 74 Abs. 4 OWiG verliert (vgl. OLG Koblenz VRS 54, 363), bedarf es hierzu einer besonderen Vollmacht des Verteidigers (st. Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 13. Mai 2029, 1 Ss (OWi) 68 Z/09 in: VRS 116, 276 m.w.N.; ebenso OLG Köln NZV 2002, 241; BayObLG DAR 2000, 342; KG VRS 120, 200, siehe auch Krumm in DAR 2008, 413; Senge in: KK-OWiG, 5. Aufl., § 73 Rn. 19; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 73 Rn. 4).

Eine solche besondere Vollmacht hat der Betroffene seinem Verteidiger nicht erteilt; die Vollmachtsurkunde vom 22. Januar 2024 geht über eine allgemeine Vollmacht in Bußgeldsachen nicht hinaus; der unterbevollmächtigte Rechtsanwalt hat eine nicht unterschriebene Vollmacht vorgelegt.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen ist im Zusammenhang mit dem Verwerfungsurteil mithin nicht zu konstatieren.

b) Die erhobene Sachrüge kann bei einem Verfahrensurteil, das naturgemäß keine Ausführungen zum materiellen Recht enthält, lediglich zur Überprüfung von Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernissen führen, hinsichtlich derer jedoch Rechtsfehler weder ersichtlich sind noch von dem Betroffenen vorgetragen wurde.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.