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Kammergericht Berlin – Beschluss vom 07.02.25

Amtliche Leitsätze: 1. Wird gegen den Betroffenen erst nach der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt, so steht auch dies dem sog. Erstverbüßerprivileg entgegen (§ 25 Abs. 2a Alt. 2 StVG).

2. Liegen zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung weniger als zwei Jahre, besteht für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich kein Anlass, die tatrichterliche Bewertung, das durch die BKatV indizierte Fahrverbot sei noch erforderlich, zu beanstanden.

3. Sieht der Tatrichter vom Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer ab, so bedarf dies gegebenenfalls einer Bewertung, ob der Betroffene oder sein Verteidiger diesen Zeitablauf zu „vertreten“ haben. Ergaben sich Verzögerungen etwa aus abredewidrigem Verteidigerverhalten, so bedürfte das Absehen vom Fahrverbot einer eingehenden Begründung (nicht tragend).

Kammergericht Berlin

Beschluss vom 07.02.2025

3 ORbs 11/25122 SsBs 2/25

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2024 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 4. Februar 2025 lag vor, gab aber keinen Anlass zu anderer Bewertung. Ergänzend ist anzumerken:

1. Unschädlich ist die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels. Der Senat behandelt die zunächst als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bezeichnete Eingabe des Rechtsanwalts als allein statthafte Rechtsbeschwerde. Wenn auch außerhalb der Rechtsmittelfrist, so hat der Rechtsanwalt seine Eingabe später auch entsprechend bezeichnet.

2. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht zulässig erhoben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3. Die Rechtsfolgenentscheidung ist frei von Rechtsfehlern.

a) Die Regelgeldbuße ist wegen einer Vorverfehlung moderat erhöht worden. Die zweite Voreintragung, die eine nach der hier abgeurteilten Tat begangene gravierende Ordnungswidrigkeit betrifft (Geschwindigkeitsüberschreitung um 58 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft: 2.000 Euro Geldbuße, Fahrverbot), ist durch das Tatgericht dabei nicht herangezogen worden.

b) Das Fahrverbot ist eingehend und in jeder Hinsicht nachvollziehbar begründet worden. Die Urteilsgründe befassen sich mit den – wenig ausführlichen – Erklärungen des Verteidigers zur beruflichen Situation des von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens entbundenen Betroffenen (UA S. 2, 3). Diese gaben keinen Anlass, von einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung oder gar -vernichtung auszugehen. Eine Aufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben worden.

Zutreffend hat das Amtsgericht auch davon abgesehen, dem Betroffenen das sog. Erstverbüßerprivileg zuzuerkennen. Nach § 25 Abs. 2a StVG erfordert es nicht nur, dass „in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen die betroffene Person nicht verhängt worden“ ist. Notwendig ist vielmehr auch, dass „bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt“ worden ist. Letzteres war hier aber der Fall: Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen am 12. Februar 2024 und damit vor dem angefochtenen Urteil nicht nur zu der bereits erwähnten Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt, sondern auch ein Fahrverbot festgesetzt. Die Entscheidung ist auch, wie das Urteil ordnungsgemäß mitteilt, rechtskräftig.

c) Schließlich hat sich das Amtsgericht auch mit der Frage befasst, ob es der Verhängung eines Fahrverbots unter dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs noch bedarf (UA S. 4). Nachdem zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung weniger als zwei Jahre liegen, hat der Senat von vornherein keinen Anlass, die tatrichterliche Bewertung, das durch die BKatV indizierte Fahrverbot sei erforderlich, zu beanstanden (vgl. Senat NZV 2017, 340). Ob Rechtsanwalt X. mit der nicht eingehaltenen Zusage vom 21. Februar 2024, den Einspruch zurückzunehmen (UA S. 6, s. a. Protokoll Bl. 146), Anlass gegeben hätte, die ohnedies nicht starre (vgl. Senat VRS 129, 153) „Zweijahresfrist“ zu „verlängern“, muss daher nicht geklärt werden. Allerdings hat der Senat bereits entschieden, dass ein entsprechendes Absehen vom Fahrverbot näherer Feststellungen zu den Gründen der langen Verfahrensdauer und gegebenenfalls einer Bewertung bedarf, „wer diesen Zeitablauf zu vertreten hat“ (vgl. Senat VRS 129, 153; SVR 2015, 353). Es liegt auf der Hand, dass bei dem hier durch das Urteil nachgezeichneten Verfahrensgang mit Verzögerungen durch abredewidriges Verteidigerverhalten das auf Zeitablauf gestützte Absehen vom Regelfahrverbot einer eingehenden Begründung bedurft hätte.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).