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AG Herford – Urteil vom 12.09.08

Zum Inhalt der Entscheidung: Widersprüchliche Angaben im Meßprotokoll können zu dem Ergebnis führen, dass die Voraussetzungen eines standardisierten Meßverfahrens nicht mehr vorliegen.

 

Amtsgericht Herford

Urteil vom 12.09.2008

11 OWi 53 Js 2782/07 – 980/07

 

Aus den Gründen:

 

A.

Mit Bußgeldbescheid des Kreises H vom 03.09.2007 – Az: 096.00438.9 – wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 60,– Euro festgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, am 27.08.2007 um 8.59 Uhr in Löhne auf der innerorts gelegenen N-Straße in einem Bereich, in dem durch Verkehrsschilder eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h angeordnet worden war, als Führer eines Pkw der Marke VW, amtliches Kennzeichen (…) die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 21 km/h aus Fahrlässigkeit überschritten zu haben. Mit Rücksicht auf eine noch nicht tilgungsreife Voreintragung im Verkehrszentralregister kam es dabei zu einer erhöhten Geldbuße.Der Betroffene hat gegen diesen Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt.

B.

In der durchgeführten Hauptverhandlung war es nicht möglich, dem Betroffenen die Geschwindigkeitsüberschreitung nachzuweisen. Er war deshalb freizusprechen. Das ergibt sich aus folgendem:

I.

Zum Vorfallzeitpunkt führte der Polizeibeamte K vom Verkehrsdienst der Polizei in B auf der innerorts gelegenen N-Straße in L eine Geschwindigkeitsmessung durch. Dieser Bereich liegt in einer verkehrsberuhigten Zone, in der durch das Verkehrszeichen 274.1 eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h angeordnet ist. Der Zeuge K setzte für die Geschwindigkeitsmessung ein Messgerät der Marke Riegl, Typ FG 21-P ein, welches am 07.05.2007 zuletzt ordnungsgemäß geeicht worden war. Dieses Messgerät verfügt über eine Zieloptik mit einer 6-fachen Vergrößerung und ist für eine Messentfernung bis zu 1000 m zugelassen. Zu Beginn der Messserie führte der Zeuge K zunächst ordnungsgemäß die vorgeschriebenen Funktionstests durch. Er überprüfte dabei auch die Visiereinrichtung sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht. Diese Überprüfung und die Nullmessung erfolgten auf ein parkendes Fahrzeug in einer Messentfernung von 126,1 m. Der Zeuge verwandte für die Messung ein Dreibeinstativ, auf welches er das Messgerät montiert hatte. Er hatte das Messgerät in dem Polizeibulli auf der Beifahrerseite aufgestellt. Die Messung erfolgte dabei durch die Frontscheibe des Fahrzeugs in Richtung des entgegenkommenden Verkehrs. Das Polizeifahrzeug stand am Ende einer leichten Gefällestrecke auf der rechten Fahrbahnseite in einer kleinen Parkbucht. Von dort aus konnte der Zeuge den entgegenkommenden Verkehr, der über eine kleine Kuppe kam und anschließend in die leichte Gefällestrecke einfuhr, ohne weiteres über eine größere Entfernung beobachten. Der parkende Pkw, den der Zeuge für die Nullmessung verwendete, stand in entgegengesetzter Richtung am Ende eines dort befindlichen Parkstreifens.Um 8.59 Uhr beobachtete der Zeuge K, dass ihm über die leichte Kuppe ein Fahrzeug entgegen kam. In der Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, ob der Zeuge K bei diesem Pkw eine Geschwindigkeitsmessung durchführte oder nicht. Unmittelbar darauf hinter diesem Pkw folgte der Betroffene mit seinem Fahrzeug der Marke VW, amtliches Kennzeichen (…) Der Zeuge K gewann den Eindruck, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit vom 30 km/h überschritten hatte und führte deshalb mit dem Laser-Messgerät eine Geschwindigkeitsmessung durch. Bei dieser Messung visierte der Zeuge einen Scheinwerfer des Fahrzeugs des Betroffenen an. In der Beweisaufnahme ließ sich nicht feststellen, ob der Zeuge dabei das Messgerät auf den linken oder rechten Scheinwerfer richtete. Zu Gunsten des Betroffenen ist das Gericht deshalb davon ausgegangen, dass der Zeuge den linken Scheinwerfer am Fahrzeug des Betroffenen anvisierte. Es ließ sich weiterhin nicht klären, ob der Zeuge K die Möglichkeit hatte, auch das Kennzeichen am Fahrzeug des Betroffenen anzupeilen oder ob dieses Kennzeichen durch den vorausfahrenden Pkw ganz oder teilweise verdeckt war. Im folgenden ist das Gericht deshalb davon ausgegangen, dass der Zeuge die Geschwindigkeitsmessung am linken Scheinwerfer des Fahrzeugs des Betroffenen vornahm, weil er andere reflektierende Fahrzeugteile im Frontbereich nicht anvisieren konnte aufgrund einer Teilverdeckung durch das vorausfahrende Fahrzeug.Bei der Geschwindigkeitsmessung stellte der Zeuge K eine gefahrene „Bruttogeschwindigkeit“ von 54 km/h bei einer Messentfernung von 147,9 m fest. Aufgrund dieses Messergebnisses hielt der Zeuge K den Betroffenen anschließend an und sprach ihn auf den Tatvorwurf an. Er zeigte dem Betroffenen die Messwerte an dem Messgerät und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Betroffene meinte etwa sinngemäß, er könne gegen den Tatvorwurf nichts weiter sagen, was der Zeuge K als ein Eingeständnis des Tatvorwurfes ansah und deshalb ein „ja“ im Erhebungsbogen eintrug. In der Rubrik „Einzelfahrzeug“ im Erhebungsbogen trug der Zeuge ebenfalls ein „ja“ ein, im Zusatzblatt zum Messprotokoll vermerkte er allerdings „fuhr versetzt zum Vorausfahrenden“.

II.

1.

Im Laufe des Bußgeldverfahrens gelangte der Betroffene zu der Überzeugung, die Geschwindigkeitsmessung sei fehlerhaft erfolgt, entspreche nicht der Bedienungsanleitung, sei deshalb nicht verwertbar und gebe im übrigen einen fehlerhaften Wert wieder. Aufgrund eines entsprechenden Beweisantrages der Verteidigung hat das Gericht daraufhin ein schriftliches Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros S in O eingeholt. In seinem Gutachten vom 22.07.2008 kam der Sachverständige S zu dem Ergebnis, dass sich insgesamt keine „technisch bedenklichen“ Auffälligkeiten an der Messung ergeben, weil das Messen des Fahrzeugs des Betroffenen, versetzt hinter einem vorausfahrenden Fahrzeug herfahrend, an der Messörtlichkeit prinzipiell möglich sei. Allerdings führte der Sachverständige in einem Gutachten auch folgendes aus:“Die Polizeiinspektion B führte mittels einer Laser-Pistole FG 21-P des österreichischen Herstellers Riegl eine Geschwindigkeitsüberwachung durch. Im Gegensatz zu Radarmessgeräten, die die Geschwindigkeit der Fahrzeuge erst im Nahbereich zur Messanlage registrieren, kann mit der Laser-Pistole die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs durchaus in bedeutend größeren Entfernungen gemessen werden. Das vergleichsweise moderne, hier eingesetzte Riegl-Modell lässt amtlich bestätigte Messentfernungsbereiche von bis zu max. 1000 m zu.Bevor solche Messgeräte für die Geschwindigkeitsüberwachung benutzt werden dürfen, müssen sie von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) auf ihre Einsatzbedingungen und Messgenauigkeiten überprüft werden. Grundsätzlich ist es so, dass die Geräte eine hohe Messpräzision aufweisen.Wie aus einer Fülle von Untersuchungen bekannt ist, kann es insbesondere bei den älteren Riegl-Pistolen (LR 90 – 235 P) zu Messfehlern kommen, die nicht auf die Messwertbildung des Gerätes selbst zurückzuführen sind, sondern hauptsächlich auf Handhabungsfehler der messdurchführenden Personen.Grundsätzlich ist bei der Überprüfung einer Lasermessung immer der Nachteil anzuführen, dass eine bildliche Dokumentation unterbleibt. Liegt bei einer mittels eines Radarmessgerätes durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ein Foto des entsprechenden Fahrzeugs vor, fehlt dieses bei einer Laser-Geschwindigkeitsmessung. Man kennt daher nur die Geschwindigkeits- und Entfernungsaufzeichnungen der Polizeibeamten aus dem Messprotokoll. Wenngleich eine Kopplung dieser Messgeräte mit einem Camcorder oder einer Digitalkamera eigentlich unproblematisch wäre, so hat die PTB diesem Messverfahren auch so die „Erlaubnis“ erteilt. Das hier eingesetzte Messgerät ist an sich aber technisch sehr ausgereift.““Das Vorgängermodell der Riegl-Pistole (LR 90) verarbeitete die Empfangssignale noch analog, d.h. es wurde ein Sendeimpuls ausgesandt und wieder empfangen. Überstieg das empfangene Signal eine gewisse Triggerschwelle, so führte dies zur Messwertbildung. Der Nachteil bestand darin, dass bei der analogen Messtechnik eine Echtzeitmessung erforderlich war – durch das jetzt erstmalige Detektieren und Erfassen unterschiedlicher Empfangssignale auf digitaler Ebene kann eine softwaremäßige Zeitmessung vollzogen werden, die nicht nur zu einer Erkennung von Empfangssignalen führt, sondern selbige auch nach ihrer Intensität einstufen kann. Der Vorteil der digitalen Signalverarbeitung ist also die detaillierte softwaremäßige Analyse des kompletten Echosignalverlaufs (z.B. Erst-Echo an der Frontscheibe des Einsatzfahrzeuges, Regen/Nebel-Echo), das Erzielen wesentlich höherer Einsatzreichweiten auch bei schlechter reflektierenden Zielen und die noch größere Flexibilität und Sicherheit bei der Ableitung der Geschwindigkeit aus dem Signalverlauf des Ziel-Echos. Damit sind gravierende Schwächen der letzten Laserpistolen-Generation (LR 90 etc.) im wesentlichen ausgeräumt.Zudem wurde eine noch schärfere Laserbündelung erzielt als im Vorgängermodell. Ursprünglich betrug die nominelle Laseraufweitung beim Gerät LR 90 3mrad – beim FG 21 sind es nur noch gut 2 mrad.Folglich ergibt sich für das hier eingesetzte Gerät auch ein geringerer sogenannter Zielerfassungsbereich. Dieser Zielerfassungsbereich ist jene Zone, in der sich noch – über die nominelle Strahlaufweitung hinausgehend-Laserimpulsanteile befinden können, wenngleich auch mit geringerer Dichte. Beträgt die nominelle Strahlaufweitung tatsächlich in beispielsweise 100 m Entfernung letztlich gut 20 cm, so finden sich auch in einer Zone von 50 cm Durchmesser um den anvisierten Punkt Lasersendeanteile, die zu einer Reflektion führen können.Für eine letztendlich 100%ige Messsicherheit ist daher zu fordern, dass neben dem anvisierten Fahrzeug innerhalb des Zielerfassungsbereiches in einem Durchmesser von 5 mrad kein weiteres Fahrzeug enthalten ist. Früher wurde die Laserpistole mit einer nicht vergrößernden Optik eingesetzt – selbige war zuoberst auf dem Gerätegehäuse angebracht. Dies sieht heutzutage bei dem modernen Riegl-Gerät anders aus. (…) Die Anlage besitzt eine sechsfache geräteinterne Vergrößerung, sodass die Umgebung nicht mehr, wie früher, einfach, sondern mit einer auch aus technischer Sicht zu fordernden Vergrößerung abgebildet wird.“

2.

Was die durchgeführten Funktionstests angeht, hatte der Sachverständige insoweit keine Beanstandungen. Dazu machte er folgende Ausführungen:“Laut Bedienungsanleitung des Herstellers ist der Test der Visiereinrichtung an einem geeigneten Ziel aus ca. 150 m bis 200 m Entfernung durchzuführen. Der Visiertest wurde hier in einer Entfernung von „lediglich“ 126,1 m durchgeführt, was allerdings nicht problematisch ist, da sich die Angabe in der Bedienungsanleitung lediglich auf einen ca.-Wert bezieht, welcher nicht 100%ig genau eingehalten werden muss. Es sollen lediglich grobe Abweichungen vermieden werden.Die Entfernung von 126,1 m ist als unproblematisch zu bezeichnen, zumal der Hersteller selbst einen Plastikreflektor anbietet, an dem dieser Visiertest ebenfalls durchgeführt werden kann, wobei hier lediglich noch eine Entfernung von ca. 100 m gefordert wird.“

3.

Der Sachverständige führte sodann mit dem verwendeten Messgerät Probemessungen an Ort und Stelle durch. Er stellte dabei fest, dass das Messgerät einwandfrei arbeitete. Der Sachverständige versuchte weiterhin, die Messsituation zu rekonstruieren. Er konnte dabei ermitteln, dass, wenn das Fahrzeug des Betroffenen in der Messentfernung von 147,9 m am linken Scheinwerfer anvisiert wird und ein Fahrzeug in einem Abstand von 10 m vorausfährt, es ohne weiteres möglich ist, das hinterherfahrende, also das betroffene Fahrzeug allein zu messen, ohne das sich das vorausfahrende Fahrzeug im Zielerfassungsbereich der Messoptik befindet. Abschließend kam er zu folgender Zusammenfassung:“In diesem Gutachten wurde die Ordnungsmäßigkeit einer Laser-Geschwindigkeitsmessung (Riegl FG 21-P) geprüft. Dieses Gerät beinhaltet neben der Abbildung der nominellen Strahlaufweitung von 2 mrad auch den eingeblendeten Zielerfassungsbereich von 5 mrad, welcher den Messbeamten vor Augen führt, wenn eine Messung technisch unbedenklich ist und wann nicht.Laut Messprotokoll herrschte an der Örtlichkeit wohl schwaches Verkehrsaufkommen, was sich auch anhand der Anlage zum Messprotokoll ergibt, in dem nur 7 Messungen eingetragen sind. Es wurde angegeben, dass das Fahrzeug des Betroffenen versetzt hinter einem anderen Fahrzeug herfuhr. Es zeigte sich, dass es durchaus möglich ist, von der Messposition aus ein Fahrzeug zu messen, welches hinter einem anderen herfährt, ohne dass sich dieses andere Fahrzeug im Zielerfassungsbereich befindet. Hätte sich das vorausfahrende Fahrzeug ebenfalls im Zielerfassungsbereich befunden, hätten die Beamten (bewusst) gegen die Bedienungsanleitung des Herstellers verstoßen, was grundsätzlich natürlich auch nicht ausschließbar ist.Eine Ortsbesichtigung incl. Probemessungen hat ergeben, dass eine annähernd direkte Frontalmessung erfolgte, so dass sich keinerlei „Winkelfehler“ ergeben. Die Durchführung des Visiertests an einem parkenden Fahrzeug stellte sich als unproblematisch dar. Das Messgerät wurde auf einem Dreibeinstativ im Fußraum eines VW T5, wie in der Anlage A 1 oben zu sehen, aufgestellt, so dass eine feste Auflage während der gesamten Messung gewährleistet war. Die gesamte Messung wurde ausreichend dokumentiert, so dass sich hierüber keinerlei Fehlermöglichkeiten etc. ergeben.Die Piktogramme auf der Fahrbahn sind aber quasi nicht mehr zu erkennen. Jedoch ist das 30 km/h-Zonen-Schild zu sehen. Dieses Schild befindet sich in einer Entfernung von ca. 500 m vor dem hier zu beurteilenden Messpunkt. Der Straßenverlauf ist in diesem Bereich und kurz vor diesem Bereich sehr großzügig gestaltet, so dass schnell der Eindruck entstehen kann, man befände sich nicht in einer 30 km/h-Zone.“

III.

Der Zeuge K hat im Hauptverhandlungstermin bekundet, er habe die betreffende Lasermessung ordnungsgemäß und einwandfrei entsprechend den Richtlinien des Herstellers durchgeführt. Insbesondere habe er bei der Messung des Fahrzeugs des Betroffenen darauf geachtet, dass der rote Punkt der Visieroptik direkt auf den Scheinwerfer am Pkw des Betroffenen gerichtet gewesen sei und dass sich in dem Kreisbereich, der diesen roten Punkt umgibt, kein anderes Fahrzeug zum Zeitpunkt der Messung befunden habe. Der Zeuge K kam deshalb zu dem Ergebnis, die Messung sei einwandfrei und könne dem Betroffenen ohne weiteres vorgehalten werden.

C.

I.

Dieses Beweisergebnis ist nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend, um die angezeigte Verkehrsordnungswidrigkeit nachweisen zu können. Aufgrund der insoweit glaubhaften Angaben des Zeugen K kann zwar davon ausgegangen werden, dass der Zeuge zu Beginn der Geschwindigkeitsmessung die vorgeschriebenen Funktionstests ordnungsgemäß absolviert hat, insbesondere auch die Nullmessung und die Überprüfung der Visiereinrichtung. Für diese Maßnahme hatte der Zeuge ausreichend Zeit, als er die Messstelle einrichtete. Der Zeuge ist auch schon seit Jahren mit dem Messgerät bestens vertraut, wie gerichtsbekannt ist. Bisher hat er immer einwandfreie Messergebnisse geliefert. Es bestand daher keine Veranlassung, an der Ordnungsgemäßheit des Funktionstestes zu zweifeln. Der Zeuge K hat im übrigen glaubhaft bekundet, dass das Messgerät zum Vorfallzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht war. Über die Ordnungsgemäßheit der Eichung lag außerdem eine Kopie des Eichscheines vom 07.05.2007 vor. Von daher bestand zunächst einmal Veranlassung, die Ordnungsgemäßheit und Richtigkeit der durchgeführten Lasermessung anzunehmen. Bei dem Lasermessverfahren mit dem verwendeten Messgerät der Marke Riegl FG 21-P handelt es sich nämlich um ein sogenanntes „standardisiertes Messverfahren“. Wenn das Gerät vom Bedienungspersonal standardmäßig, das heißt in einem geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungsanleitung bzw. Gebrauchsanweisung verwendet worden ist, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetest, ist von einer ordnungsgemäßen Messung auszugehen (vgl. dazu: OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2008 – 2 Ss Owi 229/08). Wenn allerdings die Bedienungsanleitung bzw. Gebrauchsanweisung nicht eingehalten worden ist, liegt ein standardisiertes Messverfahren nicht vor. Es muss dann im Einzelfall entschieden werden, ob die Messung einwandfrei war oder nicht, ggfls. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (OLG Hamm, aaO). In der vorliegenden Sache stellte sich deshalb die Frage, ob ein standardisiertes Messverfahren angenommen werden konnte oder ob es Zweifel an einem standardisierten Messverfahren gab, so dass im Einzelfall entschieden werden musste, ob die Messung einwandfrei oder nicht. Diese Frage hat das Gericht dahingehend beantwortet, dass die Voraussetzungen für ein standardisiertes Messverfahren nicht nachgewiesen werden konnten. Das ergibt sich aus folgendem:

II.

Der Zeuge K hat zwar angegeben, er habe die Lasermessung entsprechend den Richtlinien und Anweisungen des Herstellers ordnungsgemäß durchgeführt. Danach will er das Lasermessgerät auf den Scheinwerfer des Pkw des Betroffenen gerichtet haben. In dem Messkreis, der den Messpunkt umgibt, soll in diesem Augenblick kein anderes Fahrzeug gewesen sein. Der Zeuge K meinte deshalb, eine Fehlmessung sei ausgeschlossen. Im Erhebungsbogen zur Laser-Messung bezeichnete er deshalb den Pkw des Betroffenen als „Einzelfahrzeug“. Andererseits vermerkte der Zeuge K auch, dass vor dem Betroffenen ein anderer Pkw fuhr. Aufgrund dieses zusätzlichen Vermerkes in den Messunterlagen lag ein nicht auflösbarer Widerspruch vor. Wenn ein zweites Fahrzeug vor dem Betroffenen war, konnte der Pkw des Betroffenen nicht als „Einzelfahrzeug“ bezeichnet werden. Die Aussage des Zeugen K, innerhalb des kreisförmigen Messbereiches sei im Zeitpunkt der Messung kein anderes Fahrzeug gewesen, konnte insoweit nicht weiterhelfen. In der Hauptverhandlung hatte der Zeuge, schon aufgrund des Zeitablaufes, keine konkrete Erinnerung mehr an die einzelne Messung. Er konnte nur allgemein angeben, wie er bei derartigen Laser-Messungen vorgeht, wenn mehrere Fahrzeuge herannahen. Diese Angaben waren jedoch nicht ausreichend. Der Zeuge K konnte eine Videoaufnahme oder eine Fotoaufnahme von der konkreten Messsituation nicht vorlegen. Das Laser-Messgerät ist nämlich nicht mit einer Aufzeichnungsanlage gekoppelt. Die fehlende Fotodokumentation beim Laser-Messgerät ist eine erhebliche Schwachstelle des Verfahrens. In der Vergangenheit hat es wegen dieser Schwachstelle immer wieder in gerichtlichen Verfahren erhebliche Auseinandersetzungen gegeben. Wegen der fehlenden Fotodokumentation mussten Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden, die in aller Regel keine verwertbaren Ergebnisse brachten, eben weil die konkrete Verkehrssituation nicht konstruiert werden konnte. Sämtliche Gutachten beruhten daher eher auf theoretischen Überlegungen als auf einer konkreten Auswertung der jeweiligen Messsituation, so wie es auch in der vorliegenden Sache gewesen ist. Der Gutachter S hat versucht, den Abstand der beiden herannahenden Fahrzeuge zu bestimmen und die Messsituation zu rekonstruieren. Er führte dazu aus, dass die Angaben des Zeugen K zur Laser-Messung am – vermutlich linken – Scheinwerfer des Pkw des Betroffenen durchaus zutreffend sein können, wenn das vorausfahrende Fahrzeug einen Abstand von mindestens 10 m hatte. Bei diesen Ausführungen ist der Gutachter offensichtlich davon ausgegangen, dass beide Fahrzeuge auf der Fahrbahn etwa in der selben Spur fuhren, der Betroffene dabei evtl. etwas mehr zur Mitte als der vorausfahrende Pkw. Eine völlig andere Fallkonstellation ergibt sich aber, wenn das erste Fahrzeug viel mehr zur Mitte fuhr, während der Betroffene in einem größeren Abstand folgte und dabei sich eher am rechten Straßenrand orientierte. Diese Überlegung zeigt, dass das Gutachten sich nicht mit der konkreten Messsituation befasste, sondern nur eine von vielen Messmöglichkeiten herausnahm, um diese zu untersuchen. Der Beweiswert des Gutachtens war dazu zu diesem Punkt erheblich eingeschränkt und reichte nicht für eine Verurteilung aus.

III.

Damit bleibt für eine Überprüfung der konkreten Messsituation auf Messfehler letztlich nur die Aussage des polizeilichen Messbeamten übrig. Eine solche Aussage kann nicht von vornherein als glaubhaft und überzeugend angesehen werden, etwa mit dem Argument, der Polizeibeamte habe außer seinem dienstlichen Interesse kein weiteres Interesse tätig zu werden. Es geht nämlich um einen durchaus komplizierten technischen Vorgang, bei dem schon kleine Unaufmerksamkeiten, Nachlässigkeiten oder Störungen zu erheblichen Messfehlern führen können. Auch ein Polizeibeamter, der normalerweise als sehr zuverlässig beurteilt werden muss, wie der Zeuge K, kann einmal einen schlechten Tag haben und kann Fehler machen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Messbeamter vor der Messung anderweitig abgelenkt ist und dann noch versucht, im letzten Augenblick eine Messung vorzunehmen. Bei einer solchen Situation hat ein Messbeamter dann aber keine ausreichende Zeit mehr, das zu messende Fahrzeug ordnungsgemäß anzuvisieren und sich dabei zu vergewissern, dass ein anderes, etwa vorausfahrendes Fahrzeug nicht im Messbereich ist. Eine solche Fallkonstellation konnte vorliegend nicht ausgeschlossen werden. Immerhin befand sich vor dem Pkw des Betroffenen ein anderes Fahrzeug. In der Beweisaufnahme konnte nicht geklärt werden, ob der Zeuge K an diesem Fahrzeug ebenfalls eine Geschwindigkeitsmessung durchführte. Zu Gunsten des Betroffenen war folglich anzunehmen, dass der Zeuge K zunächst das erste Fahrzeug mit dem Lasergerät gemessen hat und dabei keine Unregelmäßigkeiten feststellte. Wenn der Zeuge K dann plötzlich bemerkte, dass dem ersten Fahrzeug ein anderes Fahrzeug folgte, könnte er spontan eine zweite Messung gestartet haben, ohne hierbei noch Zeit zu haben, dieses Fahrzeug genau anzuvisieren. Zwischenzeitlich könnte das erste Fahrzeug beschleunigt haben, so dass der später festgestellte Messwert in Wirklichkeit von dem ersten Fahrzeug stammt und nicht etwa vom Fahrzeug des Betroffenen. Dann aber kann die Geschwindigkeitsmessung dem Fahrzeug des Betroffenen nicht einwandfrei zugeordnet werden.Bei der hier vorgenommenen Beweiswürdigung hat das Gericht durchaus eigene Erfahrungen einfließen lassen. Der erkennende Richter hat nämlich schon mehrfach Lasergeschwindigkeitsmessungen miterlebt, teilweise im dienstlichen Bereich, teilweise auch im privaten Bereich. Hierbei ist es vorgekommen, dass Polizeibeamte, mit denen ein Gespräch geführt wurde, dieses Gespräch plötzlich abbrachen, zu dem Lasermessgerät hineilten und versuchten, eine Geschwindigkeitsmessung zu machen, wenn plötzlich ein vermeintlicher Raser auftauchte. In solchen Fällen konnte geradezu ein regelrechtes „Jagdfieber“ festgestellt werden. Dem Messbeamten blieb dann keine Zeit, das herannahende Fahrzeug ordnungsgemäß anzuvisieren und in aller Ruhe zu messen. Bei der Messung wurde vielmehr „drauf gehalten“, bis ein Messwert erschien. Ein solcher Messwert ist aus technischer Hinsicht unproblematisch, wenn es sich bei dem herannahenden Fahrzeug um ein „Einzelfahrzeug“ handelt. Es gibt aber erhebliche Zuordnungsprobleme, wenn unmittelbar vor oder nach dem zu messenden Fahrzeug weitere Kraftfahrzeuge sind, so wie es vorliegend der Fall war.Im Laufe seiner langen Bußgeldrichtertätigkeit hat der erkennende Richter auch feststellen müssen, dass den vorgelegten Messprotokollen nicht immer zu trauen ist. Der erkennende Richter hat schon erlebt, dass Messprotokolle vorbereitend ausgefüllt wurden oder mit vorgefertigten Eintragungen einfach kopiert wurden, so dass sich später die Frage stellte, ob das Messprotokoll überhaupt individuell erstellt wurde oder nicht. Einige Polizeibeamte hatten auch Schwierigkeiten, den Begriff „Einzelfahrzeug“ von dem Begriff „erstes Fahrzeug einer Kolonne“ zu unterscheiden. In zahlreichen Bußgeldverfahren gab es deshalb immer wieder heftige Auseinandersetzungen über die konkrete Messsituation und die Vorgehensweise des Messbeamten. Dieser zog sich oftmals auf das Messprotokoll zurück und trug vor, die Messung sei völlig einwandfrei und entsprechend den Richtlinien erfolgt. Die Verteidigung hatte letztlich damit keine konkrete Möglichkeit, das Messergebnis sachgerecht überprüfen zu lassen oder etwa zu Fall zu bringen. Das sogenannte standardisierte Messverfahren der Lasermessung führt damit im gerichtlichen Bereich zu erheblichen Schwierigkeiten, bereitet erhebliche Beweisprobleme und verursacht aufwendige Sachverständigengutachten, bei denen letztlich aber die konkrete Messsituation niemals eindeutig überprüft werden kann. Diese Schwachstellen des Messverfahrens wären dann zu vermeiden, wenn es eine Fotodokumentation der Messung geben würde, die auch vom Sachverständigen S in seinem Gutachten ausdrücklich befürwortet wird.Auch in der vorliegenden Sache hätte eine Fotodokumentation geholfen, die konkrete Messsituation ermitteln zu können, um eindeutig ausschließen zu können, dass der später festgestellte Messwert nicht von dem ersten Fahrzeug, sondern von dem folgenden Fahrzeug des Betroffenen stammte. Die Aussage des Zeugen K war insoweit nicht vollständig überzeugend und reichte deshalb nicht aus, die Voraussetzungen für ein standardisiertes Messverfahren annehmen zu können. Es war nicht auszuschließen, dass sich in unmittelbarer Nähe des Zielerfassungsbereiches der Laseroptik oder sogar innerhalb dieses Bereiches Teile des vorausfahrenden Fahrzeugs befanden, so dass die Messung aus technischen Gründen nicht verwertbar ist.Der Betroffene musste deshalb aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge aus den §§ 46 OwiG, 467 StPO freigesprochen werden.

D.

Das Gericht weist an dieser Stelle noch auf folgendes hin:Das Land Nordrhein-Westfalen hat vor etwa drei Jahren neue Lasermessgeräte der Marke Riegl FG 21-P angeschafft, die nicht mit einer Fotodokumentation ausgerüstet sind. In technischer Hinsicht wäre es, wie etliche Sachverständige berichtet haben, ohne weiteres möglich gewesen, die Messgeräte mit einer Videokamera oder einem digitalen Aufzeichnungsgerät zu koppeln (vgl. dazu auch den Bericht in „Autobild“ Nr. 41 vom 10.10.2008, Seite 82). Aus welchen Gründen das Land Nordrhein-Westfalen solche aufwendigen Messgeräte nicht angeschafft hat, konnte nicht geklärt werden. Wahrscheinlich geht es um die Vermeidung erheblicher finanzieller Mehrbelastungen. Es scheinen aber auch andere Überlegungen eine Rolle zu spielen. In einem anderen, ähnlich gelagerten Bußgeldverfahren berichtete nämlich der Sachverständige R aus R, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in B und das zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hätten bewusst auf eine Fotodokumentation verzichtet, um den „Beweiswert der Aussage eines einzelnen Polizeibeamten“ hochzuhalten. Wenn diese letztgenannten Beweggründe stimmen sollten, würde im Ergebnis aufgrund der eingeführten Lasermessmethode in die Beweiswürdigung eines Gerichtes eingegriffen. Es entsteht dabei der Eindruck, als ob von Seiten der Behörden dem Gericht vorgegeben werden soll, dass dem Polizeibeamten zu glauben ist. Letztlich muss aber immer der Bußgeldrichter entscheiden, wie hoch der Beweiswert der Aussage eines einzelnen Polizeibeamten ist. Dann aber muss auch hingenommen werden, dass ein Bußgeldrichter bei schwierigen und nicht eindeutig klärbaren Messsituationen zu dem Ergebnis kommt, dass der Aussage eines Polizeibeamten nicht gefolgt werden kann, so dass Freispruch zu erfolgen hat. Wenn man ein solches Beweisergebnis vermeiden will, muss das standardisierte Laser-Messverfahren so ausgebaut werden, dass es in jedem Fall auch für das gerichtliche Verfahren in vollem Umfange tauglich ist und insbesondere dabei auch dem Gericht und der Verteidigung die Möglichkeit gibt, die Messung konkret überprüfen zu lassen, um sie notfalls bei Messfehlern zu Fall bringen zu können. In der jetzigen Situation führt das bisher verwendete Lasermessverfahren zu einer Verkürzung der Eingriffsmöglichkeiten und Kontrollmöglichkeiten, gerade auch der Verteidigung, was von dieser oft als Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens gerügt wird. Das führt immer wieder dazu, dass die Verteidigung aufwendige Gutachten beantragt, die erhebliche Kosten verursachen und erhebliche Verfahrensverzögerungen mit sich bringen. Alle diese gerichtlichen Unannehmlichkeiten könnten vermieden werden, wenn bei der Lasermessung eine Fotodokumentation erfolgen würde. Bei einer Fotodokumentation würde im übrigen der Überzeugungswert der polizeilichen Maßnahme und der gerichtlichen Entscheidung deutlich höher sein als in der jetzigen Situation. Ein hoher Überzeugungswert hat wiederum einen positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Wenn einem Verkehrsteilnehmer ein klarer und eindeutiger Sachverhalt vorgeworfen wird, ist er viel eher in der Lage, sein Fehlverhalten einzusehen und zu versuchen, sich in Zukunft verkehrsgerecht zu verhalten. Bei einem unklaren Sachverhalt und einer unbefriedigenden Beweissituation, insbesondere im gerichtlichen Verfahren, überwiegt dagegen die Verbitterung, wenn ein Verkehrsteilnehmer eine Entscheidung hinnehmen muss, welche von ihm als unfair empfunden wird. In solchen Fällen ist der erzieherische Effekt eines Bußgeldes nur sehr gering.Dem Gericht ist aus einigen Bußgeldverfahren bekannt, dass die Sachverständigen immer wieder von menschlichen Fehlverhaltensweisen berichten. Insoweit heißt es in der Zeitschrift „Autobild“ Nr. 41 (aaO), dass rund 20% aller Messungen falsch sein sollen. Ein solcher Fehlerwert wäre für ein rechtsstaatliches Verfahren fatal und kann nicht hingenommen werden. Zur Vermeidung eines solchen Fehlerwertes bleibt nichts anders übrig, als eine Lasermessmethode, verbunden mit einer Bilddokumentation, einzuführen. Es kann von den Bußgeldgerichten nicht erwartet werden, dass sie sich in Kenntnis der Sachlage über diese Bedenken der Sachverständigen hinwegsetzen und demzufolge in ihrer Entscheidung eher zu einer Verurteilung als zu einem Freispruch kommen.Wenn der Staat ein ernsthaftes Interesse sowohl an der Verkehrssicherheit als auch an der Rechtssicherheit hat, ist es unumgänglich, dass in Kürze Lasermessgeräte angeschafft werden, die mit einer Bilddokumentation verbunden sind.