Leitsatz des Gerichts:
- Aus erzieherischen Gründen kann bei Geschwindigkeitsverstößen mit privaten PKW das anzuordnende Regelfahrverbot auf sämtliche Fahrzeugarten, mit Ausnahme der Fahrzeuge die unter Führerscheinklasse C fallen, beschränkt werden (hier: bei einem Müllwagenfahrer).
- Eine Führerscheinklasse stellt eine Fahrzeugart i.S.d. § 25 StVG dar.
- Das Ausnehmen einer Fahrzeugart im Rahmen des Fahrverbotes stellt kein teilweises Absehen vom Regelfahrverbot dar, so dass eine Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV in Gestalt einer Erhöhung der Geldbuße deswegen nicht stattfindet.
Amtsgericht Dortmund
Urteil vom 07.03.2024
729 OWi-254 Js 2152/23 -148/23
Tenor:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280,00 € verurteilt.
Ihm wird verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art – mit Ausnahme solcher, die als Lkw unter Führerscheinklasse C fallen – im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch nach Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVG; Nr. 11.3.6 BKat.
Gründe :
Der Betroffene (…) arbeitet mit 25 Stunden wöchentlich als Lkw-Fahrer, da er gesundheitlich angeschlagen ist. Er fährt ein Müllfahrzeug für ein privates Unternehmen, für das er vorwiegend an Autobahnraststätten Mülleimer entleert. Für diese Tätigkeit benötigt der Betroffene seinen „Lkw-Führerschein“, nach eigenen Angaben lediglich die Führerscheinklasse C.
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Betroffene erklärt, dass es für den Fall der Verhängung einer Geldbuße in Höhe des Bußgeldbescheides keiner Ratenzahlung bedürfe.
Der Betroffene ist lediglich 1-mal verkehrsrechtlich vorbelastet:
Am 07.09.2021 (Rechtskraft: 25.09.2021) setzte der Kreis Höxter gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes mit einer Sattelzugmaschine eine Geldbuße von 70,00 € fest; Tilgungsdatum: 25.03.2024.
Am 27.09.2023 gegen 22:29 Uhr befuhr der Betroffene in Dortmund den Westfalendamm ( = B 1) in Höhe der Robert-Schimrigk-Straße in Fahrtrichtung Unna. Der Betroffene kam mit seiner Ehefrau als Beifahrerin mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (…) des Fabrikats Range-Rover aus Düsseldorf, er fuhr zunächst die A40 entlang, die dann zur Bundesstraße 1 wird, da es sich mit Beginn der Ortschaft Dortmund um eine Innenstadtlage handelt. Bereits etwa im Bereich der Höhe der Westfalenhallen ist ein Ortseingangsschild aufgestellt und die Geschwindigkeit durch jeweils wenige 100 Meter voneinander entfernt, beidseitig aufgestellte und sich regelmäßig wiederholende Zeichen 274 auf 50 km/h reduziert. An diesen Schildern fuhr der Betroffene die B1 entlang für eine Strecke von etwa 3 km, ohne sich um die aufgestellten geschwindigkeitsbegrenzenden Schilder zu kümmern. Seinen Tempomaten stellte er auf etwa 70 km/h ein und ließ sich dort in Gesprächen mit seiner Frau vertieft durch Dortmund treiben, bis er an der genannten Stelle zu der genannten Uhrzeit mit einer Geschwindigkeit von 84 km/h trotz der dort erlaubten 50 km/h Höchstgeschwindigkeit gemessen wurde, wobei von dem Messergebnis ein Toleranzabzug von 3 km/h vorzunehmen war. Hieraus ergab sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 81 km/h und dementsprechend eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h.
Die Messung wurde durchgeführt durch den Polizeibeamten A, der die Messung mittels eines Messgerätes des Typs LTI 20.20 TS/KM durchführte und zwar entsprechend der Bedienungsanleitung in gültig geeichtem Zustand.
Bei der im Straßenverkehr notwendigen Sorgfalt hätte der Betroffene sowohl die vorhandene Beschilderungssituation erkennen können und müssen und seine Geschwindigkeit hierauf einstellen können und müssen.
Der Betroffene hat den Verstoß in Abrede gestellt.
Er erklärte, er sei nicht so viel zu schnell gefahren, wie ihm vorgeworfen werde. Er habe den Tempomaten seiner Erinnerung auf 70 km/h eingestellt. So sei er in Gespräche mit seiner Frau vertieft von Düsseldorf aus nach Hause gefahren. Er könne sich noch an die Kontrolle durch die Polizei erinnern. Eine junge Beamtin habe mit ihm gesprochen. Ihm sei nicht genau gesagt worden, welche Geschwindigkeit vor Ort festgestellt worden sei. Er bezweifle das Messergebnis.
Die vorhandene Beschilderung und die Messung hat das Gericht feststellen können durch Vernehmung des Zeugen A, der die Messung durchgeführt hat. Dieser hat das Messgerät LTI 20.20 eingerichtet und die erforderlichen Tests durchgeführt, so dass ein Einsatz entsprechend der Bedienungsanleitung durch den Zeugen bekundet werden konnte. Es gab keinerlei Besonderheiten oder Auffälligkeiten, die geltend gemacht oder von sich aus erkennbar waren, die einen Zweifel an der Richtigkeit des Einsatzes nahegelegt hätten.
Der Zeuge A erklärte, dass von Westen kommend im Bereich der Westfalenhallen etwa der Ortseingang durch Ortseingangsschild an der B1 ausgewiesen werde und dann alle 200-300 Meter durch beidseitige „Zeichen 50“ das gesamte Stadtgebiet entlang die Geschwindigkeit reguliert sei. Die Messung habe stattgefunden an der Tatörtlichkeit, die sich im östlichen Bereich der Innenstadt befinde, also etwa 3 km von dem Beginn der geschlossenen Ortschaft entfernt. Es handele sich dort immer noch um einen Bereich, der innerhalb der geschlossenen Ortschaft liege. Der Zeuge A führte dann aus, dass er mit dem genannten Lasermessgerät das Fahrzeug des Betroffenen an der Front anvisiert habe und zwar im Bereich des Kfz-Kennzeichens und dieses dann auch gemessen habe. Für den Anhaltevorgang sei es dann immer so, dass er das Fahrzeug im Blick halte, den Messwert und den Entfernungswert bei der Messung dem Protokollführer mitteile und dann für die Anhaltekräfte der Polizei vor Ort die Fahrzeugeinzelheiten durchgebe. Derweil verfolge er mittels des Messgerätes das angemessene Fahrzeug bis zum Stillstand bei der Polizei, um eine sichere Messwertzuordnung vornehmen zu können. So sei es auch am Tattage gewesen.
Das Gericht hat dementsprechend keinerlei Zweifel daran, dass die von dem Zeugen durchgeführte Messung das Fahrzeug des Betroffenen betraf.
Das Gericht hat ergänzend zu der Aussage des Zeugen das Messprotokoll des Tattages urkundsbeweislich verlesen können, das von dem Messbeamten A gefertigt wurde. Dieses wies entsprechend der Ausführungen des Zeugen A eine gültige Eichung mit Eichende bis 2024 auf.
Der Messeinsatz fand am Tattage zwischen 22:00 und 23:51 Uhr statt bei einer innerhalb geschlossener Ortschaften erfolgten Geschwindigkeitsbeschilderung durch Zeichen 274 von 50 km/h. Aus dem Messprotokoll ergab sich dann auch die Durchführung der einzelnen Funktionstests des Messgerätes entsprechend der dem Gericht bekannten Bedienungsanleitung.
In einem Zusatzblatt des Messprotokolls Bl. 5 d.A., das das Gericht ebenso urkundsbeweislich verlesen hat, war für den Betroffenen feststellbar, dass eine Geschwindigkeitsmessung von 84 km/h dokumentiert war, von der 3 km/h Sicherheitsabschlag vorzunehmen war mit der Folge, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h festgestellt werden konnte. Als Messentfernung wurde ein laut Bedienungsanleitung zulässiger Wert von 201 Meter in dem Messprotokoll ausgewiesen. Als Zeitpunkt der Messung wurde 22:29 Uhr angegeben. Als Fahrzeug des Betroffenen wurde angegeben Pkw Range-Rover mit dem amtlichen Kennzeichen (…). Das Gericht hatte dementsprechend keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Messung.
Der Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 41 Abs. I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVG; Nr. 11.3.6 BKat zu verurteilen.
Das Gericht ist dabei von der Regelgeldbuße der Nr. 11.3.6 BKat ausgegangen, die aufgrund der Voreintragung angemessen zu erhöhen war.
Das Gericht hat dementsprechend eine Geldbuße von 280,00 € den Umständen für angemessen erachtet.
Gegen den Betroffenen war zudem ein Fahrverbot nach § 25 StVG festzusetzen, da dieses angesichts der Höhe der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch die Aufnahme des Regelfahrverbots in die genannte BKat-Nr. indiziert war.
Ein Anlass, von diesem Fahrverbot abzusehen, war nicht erkennbar und wurde auch nicht durch den Betroffenen geltend gemacht. Dieser legte lediglich einen Arbeitsvortrag vor, der die berufliche Tätigkeit – wie eingangs im Urteil dargestellt – wiedergab. Das Gericht war sich durchaus bewusst darüber, dass unter Anwendung des § 4 Abs. IV BKatV ein Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße grundsätzlich möglich gewesen wäre. Das Gericht hat angesichts der Einlassung des Betroffenen, die den Geschwindigkeitsverstoß nahezu schon vorsätzlich erscheinen ließ, angesichts der Dauer des Verstoßes und auch angesichts der Voreintragung die Anwendung dieser Norm verneint.
Das Gericht hat das Fahrverbot jedoch aus erzieherischen Gründen beschränkt auf sämtliche Fahrzeugarten mit Ausnahme der Fahrzeuge die unter Führerscheinklasse C fallen. Eine Führerscheinklasse stellt eine Fahrzeugart i.S.d. § 25 StVG dar. Das Gericht geht insoweit davon aus, dass Geschwindigkeitsverstöße wie der Anlass gebende lediglich mit Pkw stattfinden werden, nicht jedoch mit den Müllfahrzeugen, wie sie der Betroffene arbeitsbedingt führen muss, so dass diese Fahrzeuge aus dem Fahrverbot ausgenommen werden konnten. Gleichzeitig wurden hierdurch etwaige berufliche Härten genommen. Das Ausnehmen einer Fahrzeugart im Rahmen des Fahrverbotes stellt nach Ansicht des Gerichtes kein teilweises Absehen vom Regelfahrverbot dar, so dass eine Anwendung des § 4 Abs. IV BKatV in Gestalt einer Erhöhung der Geldbuße deswegen nicht stattfinden musste.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG.