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VGH Baden-Württemberg – Beschluss vom 07.04.14

Zum Inhalt der Entscheidung: 1. Der Konsum von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) führt nach Nr. 9.1. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung zum Verlust der Kraftfahreignung. Auf weitere Kriterien (z.B. Führen eines Kraftfahrzeugs unter Drogeneinfluss, mehrmaliger Konsum) kommt es nicht an.

2. Die Behauptung einer Drogenabstinenz allein führt nicht zur Wiederherstellung der Fahreignung.  Es ist ist ohne Bindung an starre zeitliche Grenzen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, ob sich der Betroffene trotz des Ablaufs einer längeren Zeitspanne weiterhin nicht fahrgeeignet ist.

 

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Beschluss vom 07.04.2014

10 S 404/14

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. Februar 2014 – 4 K 129/14 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO), aber nicht begründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe.

Auf dieser Grundlage hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung zugunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 19.09.2013 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Auch im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auszugehen. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. Deshalb ist ernstlich zu befürchten, dass er bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird. Damit überwiegt aber das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung.

Wie bereits das Verwaltungsgericht ausführlich und mit zutreffender Begründung dargestellt hat, hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen. Danach war hier die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zwingend geboten, ohne dass der Behörde ein Ermessensspielraum eröffnet wäre.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats schließt bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen – wie von Amphetamin, vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG – im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, ohne dass es darauf ankommt, ob eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt oder ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24.05.2002 – 10 S 835/02VBlBW 2003, 23; vom 19.02.2007 – 10 S 3032/06VBlBW 2007, 314; sowie vom 25.11.2010 – 10 S 2162/10NJW 2011, 1303). In der Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte wird diese Auffassung inzwischen einhellig geteilt (vgl. m.w.N. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2008 – 1 S 186.07VRR 2008, 203; OVG Hamburg, Beschluss vom 24.01.2007 – 3 Bs 300/06VRS 112, 308; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11.08.2009 – 12 ME 195/09 – juris; Hess.VGH, Beschluss vom 21.03.2012 – 2 B 1570/11NJW 2012, 2294 – entgegen der früher vertretenen Auffassung im Beschluss vom 14.01.2002 – 2 TG 3008/01 -ESVGH 52, 130).

Der Senat schließt sich der Auffassung der Beschwerde, dass ein einmaliger Betäubungsmittelkonsum ohne Verkehrsbezug allenfalls Bedenken gegen die Fahreignung begründe, nicht an. Der Verordnungsgeber stellt in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung im Hinblick auf „harte“ Drogen allein auf die Einnahme als solche und nicht auf die Häufigkeit bzw. auch nicht auf fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs ab. Die hierin zum Ausdruck kommende Strenge ist in der Aufnahme des jeweiligen Betäubungsmittels in den Katalog des Betäubungsmittelgesetzes begründet, welche die besondere Gefährlichkeit im Falle des Konsums berücksichtigt. Dem unterschiedlichen Gefährdungspotenzial hat der Verordnungsgeber in zulässiger Weise durch die differenzierte Regelung allein beim Konsum von Cannabis hinreichend Rechnung getragen. Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung beruht maßgeblich auf den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin bei dem Bundesministerium für Verkehr und Gesundheit, denen ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergeben. Auch die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung sehen jegliche Einnahme von Drogen (außer Cannabis) als Ausschlusskriterium für die Fahreignung an (vgl. Nr. 3.12.1). Dieser umfassende Eignungsausschluss beruht insbesondere auf der Gefährlichkeit dieser Substanzen und der fehlenden subjektiven Wirkungskontrolle (vgl. dazu im Einzelnen Schubert/Schneider/Eisenmenger/ Stephan, Kommentar zu den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, Kapitel 3.12.1, S. 169 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2009 – 12 ME 159/09 – a.a.O.).

Gemessen hieran ist der Antragsteller als nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet anzusehen, da der Regelfall der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung verwirklicht ist, ohne dass Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall begründende besondere Umstände erkennbar sind. Auch bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist von einem vorausgegangenen Amphetaminkonsum des Antragstellers auszugehen. Dies ergibt sich aus den eigenen Einlassungen des Antragstellers anlässlich seiner kriminalpolizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 03.06.2013. So ließ sich der Antragsteller ausweislich des in der Behördenakten befindlichen, von ihm selbst unterschriebenen Vernehmungsprotokolls nach entsprechender Belehrung durch die Vernehmungsbeamten dahingehend ein, er habe zwei Gramm Speed gekauft und selbst konsumiert. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Beschwerde, der Antragsteller habe im weiteren Verlauf der polizeilichen Vernehmung auf die Frage, ob er Drogen konsumiere, mit „nein“ geantwortet. Bereits nach ihrem Zusammenhang war diese abschließende Frage des Vernehmungsbeamten dahingehend zu verstehen, ob der Antragsteller auch aktuell – über den zuvor eingeräumten Drogenkonsum hinaus -Betäubungsmittel einnehme; in diesem Sinne hat der Antragsteller die Frage auch verstanden und beantwortet. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen näher dargelegt, dass die im Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis aufgestellte Behauptung des Antragstellers, er habe niemals Amphetamin konsumiert, als Schutzbehauptung einzustufen ist. Der Antragsteller versucht seine eindeutigen Angaben anlässlich der polizeilichen Vernehmung nachträglich mit dem Hinweis in Zweifel zu ziehen, er habe sich ausweislich des von der Polizei protokollierten Chat-Verlaufs bei seinem Verkäufer darüber beschwert, abredewidrig lediglich 0,5 g Speed erhalten zu haben. Aus dieser Unstimmigkeit der Angaben hinsichtlich der erworbenen Menge müsse geschlossen werden, dass die Einlassungen gegenüber den Vernehmungsbeamten insgesamt nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Dieser Schluss ist indes nicht zwingend, sondern beruht auf bloßen Mutmaßungen der Beschwerde. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont hat, ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung nur schwer nachvollziehbar, dass der Antragsteller die Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerb und der angeblichen Vernichtung der Betäubungsmittel nicht bereits gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten, sondern erst im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis vorbringt. Es bestehen daher keine Bedenken, den Antragsteller an seinen anlässlich der Beschuldigtenvernehmung vom 03.06.2013 getätigten Einlassungen festzuhalten. Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Sachverhaltsprüfung können die gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgten eigenen Bekundungen des Betroffenen, er habe Betäubungsmittel konsumiert, einen hinreichenden Grund für die Annahme der Einnahme eines anderen Betäubungsmittels im Sinne der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung darstellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.09.2011 – 11 CS 11.2097 – juris; ebenso Senatsbeschluss vom 15.01.2013 – 10 S 2398/12 -).

2. Der Entziehungsbescheid vom 19.09.2013 ist auch nicht wegen unterbliebener Sachverhaltsaufklärung rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beschwerde war hier die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zwingend geboten, ohne dass es der vorherigen Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens oder der vom Antragsteller vorgeschlagenen Vorlage von Drogenscreenings bedurfte. Denn § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV bestimmt ausdrücklich, dass die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibt, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Durch diese Bestimmung hat der Verordnungsgeber zu erkennen gegeben, dass eine Begutachtung nur bei Eignungszweifeln in Betracht kommt, nicht jedoch, wenn – wie hier – die mangelnde Eignung bereits feststeht und ohne Hinzuziehung eines Gutachters über sie entschieden werden kann (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13.12.2007 – 10 S 1272/07ESVGH 58, 156).

Der Senat vermag der von der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung genannte („materiell-rechtliche“) Zeitspanne für die zur Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisende Betäubungsmittelabstinenz auch eine verfahrensrechtliche Bedeutung dergestalt habe, dass ein Jahr nach dem Tag, den der Betroffene als Beginn der Abstinenz genannt hat, nicht mehr von einer weiterhin bestehenden Fahrungeeignetheit ausgegangen werden dürfe, nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. grundlegend Beschluss vom 09.05.2005 – 11 CS 04.2526BayVBl. 2006, 18; sowie Beschlüsse vom 04.02.2009 – 11 CS 08.2591 – juris; vom 17.06.2010 – 11 CS 10.991 – juris) sowie nunmehr auch des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 14.06.2013 – 3 M 68/13NJW 2013, 3113) steht ein Jahr nach dem Tag, den der Betroffene als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz genannt hat oder von dem an unabhängig von einem solchen Vorbringen Anhaltspunkte für eine dahingehende Entwicklung vorliegen, nicht mehr im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Betroffene noch fahrungeeignet ist. Der Frage, ob die Fahreignung wiedererlangt wurde, müsse aber nur nachgegangen werden, wenn der Betroffene entweder einen einschlägigen Verhaltenswandel behaupte oder unabhängig hiervon hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vorlägen. Andernfalls dürfe die Behörde sogar nach dem Ablauf der „verfahrensrechtlichen“ Einjahresfrist weiterhin davon ausgehen, dass sich an der mangelnden Fahreignung des Betroffenen nichts geändert hat. Lediglich nach dem Verstreichen einer noch größeren Zeitspanne wandele sich auch bei fehlender Behauptung einer Verhaltensänderung ein zunächst im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV feststehender Sachverhalt in eine Fallgestaltung, bei der ein Entzug der Fahrerlaubnis die Einholung eines Gutachtens voraussetze (vgl. näher BayVGH, Beschluss vom 04.02.2009, a.a.O.).

Der Senat hält an seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 30.09.2003 – 10 S 1917/02VBlBW 2004, 151; sowie Senatsbeschluss vom 01.04.2010 – 10 S 514/10 -; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.09.2010 – 16 B 382/10 – juris) fest, nach der im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bzw. sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nicht erbracht worden ist. Dem Grundsatz, dass die Umstände des Einzelfalls und nicht eine starre Jahresfrist den Ausschlag geben, steht insbesondere nicht der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof herangezogene Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entgegen. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG sowie § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV die Entziehung der Fahrerlaubnis an die Voraussetzung knüpfen, dass sich der Betroffene als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen „erweist“ – und nicht in der Vergangenheit „erwiesen hat“ -, beantwortet das nicht die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen ein hervorgetretener Fahreignungsmangel fortwirkt; denn wenn und soweit dieser Mangel nicht beweiskräftig überwunden ist, „erweist“ sich nach wie vor die Ungeeignetheit des jeweiligen Fahrerlaubnisinhabers. Erst recht kann den genannten Vorschriften – und auch den sonstigen Regelungen des Fahrerlaubnisrechts – nichts für die Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entnommen werden, dass sich bis zum Ablauf eines bestimmten Zeitintervalls nach einer bloßen Behauptung der Abstinenz die Fahrungeeignetheit weiterhin „erweist“, danach aber nur noch „erwiesen hat“. Vielmehr spricht bereits der Wortlaut von Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung dafür, die (Wieder-)erlangung der Fahreignung nach deren Verlust aufgrund der Einnahme einer harten Droge an ein (materielles) Nachweiserfordernis und nicht lediglich an den Ablauf der Jahresfrist zu knüpfen.

Auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass aufgetretene Eignungsmängel oder Eignungszweifel jenseits eng gezogener zeitlicher Grenzen bedeutungslos werden. So hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 09.06.2005 – 3 C 25.04NJW 2005, 3081) im Zusammenhang mit der Frage, unter welchen Umständen weiterhin ein Gefahrenverdacht besteht, der Untersuchungsanordnungen der Fahrerlaubnisbehörde rechtfertigt, jedem Schematismus eine Absage erteilt. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anordnung, zur Klärung der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i.V.m. § 46 FeV wegen nachgewiesenen Drogenkonsums ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nicht an die Einhaltung einer festen Frist nach dem letzten erwiesenen Betäubungsmittelmissbrauch gebunden. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Drogenkonsums, noch hinreichende Anhaltspunkte zur Begründung eines Gefahrenverdachts bestehen. Diese auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abstellende Sichtweise beansprucht auch dann Geltung, wenn es wie vorliegend um die Frage geht, ob – bei fehlendem oder unzureichendem positivem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung – die Nichteignung des Betroffenen nach wie vor fortbesteht und die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 7 FeV verfahren darf (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.09.2010 – 16 B 382/10 – a.a.O.).

Dies gilt umso mehr, als in Fällen der vorliegenden Art auch eine Begutachtung mit dem Ziel einer zeitnahen Klärung der (wiedererlangten) Fahreignung auf Schwierigkeiten stößt. Denn eine medizinisch-psychologische Untersuchung könnte mit Aussicht auf Erfolg erst nach dem hier fehlenden Nachweis einer regelmäßig einjährigen Betäubungsmittelabstinenz angeordnet werden. Konsequenterweise geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. ausdrücklich Beschluss vom 04.02.2009 – 11 CS 08.2591 – a.a.O.) in der hier vorliegenden Fallkonstellation davon aus, dass die Fristsetzung bei der Gutachtensanordnung dem Nachweiserfordernis Rechnung tragen muss und so zu bemessen ist, dass der erforderliche Abstinenznachweis für die Dauer eines Jahres bis zur Begutachtung erbracht werden kann. Indes kann es aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht hingenommen werden, zur Ermöglichung des Abstinenznachweises mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung einen möglicherweise ungeeigneten Betroffenen für die beträchtliche Zwischenzeit im Besitz der Fahrerlaubnis zu belassen. Die Gutachtensanordnung gehört als Gefahrerforschungseingriff zu den Gefahrenabwehrmaßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten bzw. mangelnder Eignung verdächtigen Fahrerlaubnisinhabern zu ergreifen sind. Dieser Schutzauftrag ist im Hinblick auf die gegenwärtige potentielle Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrer mit der gebotenen Beschleunigung zu erfüllen und duldet keinen Aufschub bis zu einem entfernten Zeitpunkt in der Zukunft, zu dem ein solcher Fahrer die erforderliche Abstinenz für die Dauer eines Jahres nachgewiesen und dadurch seine Fahreignung wiedererlangt haben mag. Die Frist nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV dient daher nicht dazu, dem Fahrerlaubnisinhaber die Möglichkeit einzuräumen, den erforderlichen Abstinenznachweis zu führen, bevor die Fahrerlaubnisbehörde Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen kann (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 24.01.2012 – 10 S 3175/11NJW 2012, 3321; sowie vom 24.11.2011 – 10 S 2405/11 -).

Die Befugnis der Fahrerlaubnisbehörde, auch in Fällen der Überschreitung der „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bei gleichzeitiger Abstinenzbehauptung von einer fortbestehenden Fahrungeeignetheit des Betroffenen auszugehen und nach § 11 Abs. 7 FeV zu verfahren, beeinträchtigt auch nicht in unzumutbarer Weise Rechte des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers. Denn diesem steht die Möglichkeit offen, unmittelbar nach dem Abstinenzentschluss entsprechende Nachweise zu erbringen, d.h. sich in unregelmäßigen Abständen unter forensisch anerkannten Bedingungen labormedizinisch untersuchen zu lassen. Lediglich wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids oder der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Betäubungsmittelabstinenz für die Dauer eines Jahres unter forensisch gesicherten Bedingungen nachgewiesen ist, kommt nach der unter 3. dargestellten ständigen Rechtsprechung des Senats eine auch im Entziehungsverfahren beachtliche Wiedererlangung der Fahreignung in Betracht.

3. Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung muss davon ausgegangen werden, dass der nach dem oben Ausgeführten eingetretene Fahreignungsmangel auch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung fortbestand. Allerdings geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 30.09.2003 – 10 S 1917/02 – a.a.O.; sowie Beschluss vom 08.10.2003 – 10 S 842/03 -) davon aus, dass die Frage, ob der betreffende Fahrerlaubnisinhaber zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt hat, auch für die Rechtmäßigkeit einer Entziehungverfügung von Bedeutung ist. Der für die Wiedererlangung der Fahreignung erforderliche stabile Einstellungswandel kann grundsätzlich auch dadurch belegt werden, dass die Drogenabstinenz über einen ausreichend langen Zeitraum nachgewiesen wird. Der Nachweis der nicht mehr gegeben Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs durch die Teilnahme eines zu einem früheren Zeitpunkt wegen Drogenkonsums ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers kann aber nur dann als erbracht angesehen werden, wenn sich der Nachweis der Drogenabstinenz auf einen Zeitraum erstreckt, der den Schluss rechtfertigt, der Drogenverzicht sei nicht lediglich im Hinblick auf das anhängige Entziehungsverfahren erfolgt und damit vorgeschoben, sondern beruhe auf einem tatsächlichen Einstellungswandel des Betroffenen. Der Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erfordert daher grundsätzlich den lückenlosen Nachweis der Betäubungsmittelabstinenz für die Dauer eines Jahres (vgl. Senatsbeschluss vom 01.04.2010 – 10 S 514/10 -). Ob daneben noch eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Vorliegend hat der Antragsteller jedenfalls einen einjährigen durchgängigen Abstinenznachweis bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29.11.2013 nicht erbracht, sondern lediglich die negativen Befundberichte zweier Drogenscreenings vom 11.12.2013 bzw. 04.02.2014 vorgelegt. Damit kommt eine Wiedererlangung der Fahreignung bereits aus zeitlichen Gründen nicht in Betracht.

4. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Liegen erhebliche, derzeit nicht ausgeräumte Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr vor, besteht ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr. Der Senat räumt daher mit dem Verwaltungsgericht dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung den Vorrang ein vor dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Die für den Antragsteller mit dieser Entscheidung verbundenen Nachteile in Bezug auf seine berufliche und private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag bis zur Fahrerlaubnisentziehung beanstandungsfrei am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat. Denn die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehende Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer kann sich jederzeit aktualisieren (vgl. Senatsbeschluss vom 14.10.1996 – 10 S 321/96VBlBW 1997, 222).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt u.a. in Beilage zu VBlBW 2014, Heft 1).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.