Zum Inhalt der Entscheidung: War die Fahrerlaubnis bereits wegen eines Alkoholdelikts entzogen und nachfolgend nach bestandener MPU wiedererteilt worden, so sind Zweifel an der Fahreignung berechtigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber rund drei Jahre später orientierungslos zu Fuß auf einer Autobahn, in Schlangenlinien laufend von der Polizei aufgegriffen wird. Die Anordnung einer MPU ist rechtmäßig.
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße
Beschluss vom 16.06.2015
1 L 442/15.NW
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Mai 2015 hat keinen Erfolg. Die vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die ihm gegenüber verfügte Fahrerlaubnisentziehung als offensichtlich rechtmäßig. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug dieser Maßnahme überwiegt seine privaten Interessen daran, vorläufig weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem Antragsteller ist § 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Fahrerlaubnisbehörde darf auf die fehlende Fahreignung schließen, wenn ein zu Recht von ihr gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht vorgelegt wird. So verhält es sich hier.
Die an den Antragsteller ergangene Aufforderung vom 27. Februar 2015, sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zu unterziehen, begegnet in formeller und materieller Hinsicht keinen Bedenken.
Sie enthält die gemäß § 11 Abs. 6 FeV erforderlichen Hinweise, eine anlassbezogene Fragestellung und die konkreten Eignungsbedenken des Antragsgegners gegen die aktuelle Fahreignung des Antragstellers. Die Ausführungen des Antragsgegners belegen auch nach Auffassung des Gerichts nachvollziehbar, dass hier die Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2e) FeV vorliegen. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn zu klären ist, ob ein Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen für einen derartigen Klärungsbedarf sind hier in dem noch verwertbaren medizinisch-psychologischen Gutachten des ias vom 12. Dezember 2011 in Verbindung mit der nachträglichen Alkoholauffälligkeit des Antragstellers vom 14. Februar 2015 zu sehen.
Das medizinisch-psychologische Gutachten vom 12. Dezember 2011 bestätigte dem Antragsteller nach der vorangegangenen alkoholbedingten Entziehung der Fahrerlaubnis die Wiedererlangung der Fahreignung nur deshalb, weil er gegenüber dem Gutachter glaubhaft machen konnte, dass er zu einem nur noch anlassbezogenen, kontrollierten Trinkverhalten gefunden hatte. Das Gutachten forderte entsprechend den allgemeinen Beurteilungskriterien im Fall eines vorangegangenen Alkoholmissbrauchs, wie hier, als Voraussetzung für die positive Bewertung der Fahreignung eine ausreichende und stabile Änderung des Alkoholtrinkverhaltens in Richtung eines mäßigen kontrollierten Trinkens und die Entwicklung geeigneter Strategien zur Trennung von Trinken und Fahren (Bl. 5, 6 des Gutachtens). Aus den Angaben des Antragstellers im psychologischen Gespräch (insbesondere Bl. 10 bis 12 des Gutachtens) leiteten die Gutachter ab, dass der Antragsteller in der Lage sei, konsequent kontrolliert mit Alkohol umzugehen, weil damals keine Hinweise auf Kontrollverlust bestanden und ein Alkoholüberkonsum vermieden werden könne. Der Antragsteller habe glaubhaft angegeben, eine gezielte Trinkpause eingelegt zu haben und seit Ende Januar 2011 Alkohol nur noch anlassbezogen und im Ausmaß von maximal 40 g Alkohol pro Trinkanlass zu konsumieren und dies auch beibehalten zu wollen. Diese Darstellungen zu Häufigkeit, Höchsttrinkmengen und Steuerungsfähigkeit im Umgang mit Alkohol ließen sich mit den Prinzipien eines auf Dauer angelegten kontrollierten Umgangs mit Alkohol vereinbaren (Bl. 16 und 17 des Gutachtens).
Aufgrund des Vorfalls vom 14. Februar 2015 sind indessen berechtigte Zweifel aufgekommen, ob die im Gutachten zugrunde gelegte Verhaltensänderung des Antragstellers als Voraussetzung für eine positive Bewertung seiner Fahreignung weiterhin anhält.
Zwar hat er bei diesem Vorfall nach seinen Angaben „anlassbezogen“ im Sinne des Gutachtens vom 12. Dezember 2011 getrunken, dabei aber offensichtlich die zugestandenen Grenzen eines mäßigen, kontrollierten Trinkens überschritten. Insoweit greift sein Vortrag, er habe sich innerhalb der Vorgaben des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 12. Dezember 2012 gehalten, zu kurz. Dass der Antragsteller die auf die Höchstmenge des konsumierten Alkohols bezogenen Vorgaben des Gutachtens am 14. Februar 2015 überschritten hat, zeigt zum einen die bei ihm gemessene Atemalkoholkonzentration von 1,79 ‰, die jedenfalls einen deutlich über 40 g hinausgehenden Alkoholgenuss belegt, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine Blutalkoholkonzentration gemessen wurde (vgl. die Berechnung des Beklagten Bl. 67 VA) . Zum anderen zeigt aber auch das Verhalten des Antragstellers, dass er alkoholbedingt einen erheblichen, wenn nicht vollständigen Verlust seiner Steuerungsfähigkeit erlitten hatte, als er zu Fuß nach Hause gehen wollte und orientierungslos, in Schlangenlinien laufend auf der Autobahn von der Polizei aufgegriffen wurde. Dieses unkontrollierte Verhalten wies entgegen seiner Auffassung durchaus einen Verkehrsbezug auf, als damit eine erhebliche Unfallgefahr auch für andere Verkehrsteilnehmer einherging. Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit alkoholisiert im Straßenverkehr auffällig wurde. Aus diesen Gründen sind die von ihm zitierten Entscheidungen des OVG RP vom 5. Juni 2007 (10 A 10062/07.OVG) und des BayVGH vom 4. Januar 2006 (11 CS 05.1878) auf seinen Fall nicht übertragbar. Vielmehr besteht aufgrund der neuerlichen Auffälligkeit des Antragstellers Anlass zur Klärung, ob er in den früheren missbräuchlichen Konsum von Alkohol zurück gefallen ist und damit erneut die Gefahr besteht, dass er nicht hinreichend sicher zwischen Trinken und Fahren trennen kann (vgl. OVG RP, Beschluss vom 15. Juni 2010 – 10 B 10465/120.OVG –).
Dies gilt unabhängig davon, ob diese Gefahr am 14. Februar 2015 nicht bestand, weil der Antragsteller sein Fahrzeug bei dem konkreten Anlass nicht mit sich geführt hat. Voraussetzung für ein dauerhaft zuverlässiges Trennen zwischen Trinken und Fahren ist nämlich nach dem Gutachten vom 12. Dezember 2011, dass der Antragsteller einen alkoholbedingten Kontrollverlust hinreichend sicher vermeiden kann. Ob die dazu im Zeitpunkt des Gutachtens erarbeiteten Strategien noch tragfähig sind, kann nur durch eine erneute medizinisch-psychologische Begutachtung geklärt werden.
Da der Antragsteller kein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hat, durfte der Antragsgegner auf seine fehlende Fahreignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen. In dieser Situation genügt auch die hier erfolgte Begründung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, da sich die Gründe für den Sofortvollzug mit den – im Bescheid ausführlich dargelegten –Gründen für die Fahrerlaubnisentziehung weitgehend decken, wenn die Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr im Zusammenhang mit einem Alkohol- oder Drogenmissbrauch steht (vgl. z.B. OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009
– 10 B 10508/09.OVG) .
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