Zum Inhalt springen
Startseite | OVG Saarlouis – Beschluss vom 14.05.08

OVG Saarlouis – Beschluss vom 14.05.08

Zum Inhalt der Entscheidung: Die einmalige Einnahme harter Drogen (hier Kokain) schließt in der Regel die Fahreignung aus, so dass die Fahrerlaubnis ohne weitere Begutachtung zu entziehen ist. 

 

Oberverwaltungsgericht Saarlouis

Beschluß vom 14.05.2008

1 B 191/08

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde gegen den im Tenor genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2008 abgelehnt worden ist, ist nicht begründet.

Die von dem Antragsteller in der Beschwerdebegründung vom 30.04.2008 dargelegten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung schließt bereits der einmalige Konsum so genannter harten Drogen, zu denen Kokain gehört, im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Dies ergibt sich aus Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Dort ist der Erfahrungssatz zum Rechtssatz erhoben, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes regelmäßig die Fahreignung ausschließt. Wie die in Ziffer 9.2 der Anlage 4 zur FeV allein für Cannabis vorgenommene Differenzierung zwischen regelmäßiger und gelegentlicher Einnahme zeigt, gilt Ziffer 9.1 für jeglichen Fall der Einnahme eines anderen Betäubungsmittels als Cannabis (so schon OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 30.03.2006 – 1 W 8/06 – und vom 22.12.2004 – 1 W 42/04 -, ebenso Hamburgisches OVG, Beschlüsse vom 20.11.2007 – 3 So 147/06 -, NJW 2008, 1465, und vom 24.01.2007 – 3 Bs 300/06 -, und Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.12.2006 – 11 Cs 06.1264 -, die beiden zuletzt genannten Beschlüsse zitiert nach Juris).

Diese Systematik spricht auch gegen die in der Beschwerde vertretene Ansicht, unter „Einnahme“ sei ein gegenwärtig anhaltendes und in die Zukunft zielendes Konsumverhalten zu verstehen. Sowohl der Begriff „Einnahme“ als auch der Begriff „Konsum“ umfassen dem Wortsinn nach auch das einmalige Zusichnehmen von Betäubungsmitteln. Der Verordnungsgeber stellt in Ziffer 9.1 der Anlage 4 im Hinblick auf harte Drogen – anders als bei Cannabis – allein auf die Einnahme als solche und nicht auf deren Häufigkeit ab. Die hierin zum Ausdruck kommende Strenge ist in der Aufnahme des jeweiligen Betäubungsmittels in den Katalog des Betäubungsmittelgesetzes begründet, die wegen der besonderen Gefährlichkeit im Falle der Einnahme erfolgt ist (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 24.01.2007, a.a.O.).

Die Fehlhaltung und die Willensschwäche, die zum Drogenkonsum führt, und der damit einhergehende Kontrollverlust sind die Gründe, aus denen der Verordnungsgeber in Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV bei harten Drogen generell und bereits bei einmaliger Einnahme von fehlender Fahreignung ausgeht. So sind beispielsweise für die Wirkung von Kokain eine Verminderung der Kritikfähigkeit sowie des Vorsichts- und Sorgfaltsverhaltens, gepaart mit Euphorie, gesteigertem Antrieb und Gefühlen von Dominanz und Überlegenheit charakteristisch (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.12.2006, a.a.O. mit entsprechendem Nachweis).

Bereits die einmalige Einnahme von Kokain hat demnach den Verlust der Fahreignung zur Folge, weil sie zu einer signifikanten Erhöhung der Straßenverkehrsgefährdung führt.

Ausgehend hiervon kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, es liege eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung zwischen Personen wie ihm, die lediglich einmal Kokain zu sich genommen hätten, und solchen Personen mit einem regelmäßigen Konsumverhalten bzw. einer Abhängigkeit vor. Diese Gleichbehandlung findet ihren rechtfertigenden Grund in der Gefährlichkeit der Einnahme harter Drogen. Es ist jederzeit möglich, dass der Betreffende im Zustand drogenbedingt reduzierter Steuerungsfähigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Der damit einhergehenden Straßenverkehrsgefährdung kann wirksam nur durch eine Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet werden. Dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird dadurch Genüge getan, dass die Bewertung der fehlenden Fahreignung bei Einnahme von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz (ausgenommen Cannabis) nach der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV nur für den Regelfall gilt (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.12.2006, a.a.O.).

Soweit der Antragsteller in der Beschwerde geltend macht, es sei versäumt worden, ein Gutachten nach der Vorbemerkung 2 der Anlage 4 zur FeV einzuholen, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Diese Vorbemerkung bezieht sich generalisierend auf sämtliche in der Anlage 4 zur FeV aufgeführten „Krankheiten, Mängel“, wesentlich daher auch auf die dort aufgezählten Krankheiten einschließlich psychischer Störungen und hat diejenigen Fälle im Blick, in denen die beschriebenen Mängel nicht eindeutig feststehen, sondern erst durch ärztliche oder medizinisch-psychologische Gutachten festgestellt werden müssen, wenn nämlich Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung begründen (§§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV). Das meint die Vorbemerkung 2 zur Anlage 4 FeV, wenn darin ausgeführt wird, Grundlage der Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, sei in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV). Steht aber der in der Anlage 4 beschriebene Mangel fest, dann hat sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und ihm ist die Fahrerlaubnis ohne Anordnung der Gutachtenbeibringung zu entziehen (§§ 11 Abs. 7, 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV) (so schon OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 30.03.2006 – 1 W 8/06 – und vom 22.12.2004 – 1 W 42/04 -; ebenso Hamburgisches OVG, Beschluss vom 24.01.2007 – 3 Bs 300/06 -, zitiert nach juris, und Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16.06.2003 – 12 ME 172/03 -, ZfS 2003, 476; anderer Ansicht (damit allerdings – soweit ersichtlich – allein stehend in der obergerichtlichen Rechtsprechung) Hessischer VGH, Beschluss vom 14.01.2002 – 2 TG 3008/01 -, ZfS 2002, 599).

Schließt mithin bereits der einmalige Konsum von so genannten harten Drogen wie Kokain im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, so ist in diesen Fällen die Fahrerlaubnis auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu dieser Verordnung ohne weitere Begutachtung zu entziehen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass im Falle des Antragstellers keine die Regelannahme entkräftigenden Umstände vorliegen.

Die vom Verwaltungsgericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten des Antragstellers vorgenommene Interessenabwägung ist vor dem Hintergrund der mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2008 unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Antragsteller seinem Vorbringen zufolge als Berufskraftfahrer auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, nicht zu beanstanden.

(…)

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Schlagwörter: