Zum Inhalt der Entscheidung: Bei der Prüfung der Frage, ob einen Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis wegen Cannabis-Konsum zu entziehen ist kommt es bei dem sogenanten „gelegentlichem Cannabiskonsum“ darauf an, ob der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Cannabis-Konsum und Fahren trennen kann. Wer mit einem THC-Wert von 1 ng/ml ein Fahrzeug führt, kann nach Ansicht des OVG NRW im Regelfall nicht zwischen Konsum und Fahren trennen, sofern zusätzlich noch cannabis-bedingte Ausfallerscheinungen vorliegen.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 09.07.2007
(…)
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Beschwerdegründe beschränkte Prüfung durch den Senat führt nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
Indem der Antragsteller bemängelt, das Verwaltungsgericht habe nicht näher ausgeführt, „wie ‚gelegentlich‘ sein [Cannabis-]Konsum sein soll“, bringt er nichts Substanzielles vor, das gegen die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums im Sinne der Ziff. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung spricht. Dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller gehöre zum Kreis der gelegentlichen Cannabiskonsumenten, mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, ergibt sich im Übrigen daraus, dass die Polizei am 3. August 2006 in seiner Wohnung eine kleine Tüte mit Haschisch beschlagnahmt und der Antragsteller erstinstanzlich ausdrücklich vorgetragen hat, er konsumiere „nur gelegentlich“.
Der Antragsteller wendet sich im Ergebnis auch ohne Erfolg gegen die dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegende Einschätzung, er habe durch die Unfallfahrt vom 3. August 2006 gezeigt, dass er den Cannabiskonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht zu trennen vermöge. Der Antragsteller beruft sich insoweit zu unrecht auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, (Beschluss vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, VRS 110 (2006), 310 = DAR 2006, 407 = Blutalkohol 43 (2006), 416,) der zufolge bei einer Fahrt mit einer THC-Konzentration im Blutserum zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml noch nicht von einem Verstoß gegen das Trennungsgebot ausgegangen werden könne. Abgesehen davon, dass die Auffassung des Bayerischen VGH im Fachschrifttum nicht unwidersprochen geblieben ist, (vgl. insbesondere mit beachtlichen Argumenten Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul, Blutalkohol 43 (2006), 441,) und andere Gerichte zum Teil niedrigere Grenzwerte zugrundelegen, (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 -, NJW 2006, 1367 = VRS 110 (2006),388 = Blutalkohol 43 (2006), 427; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 27. März 2006 – 10 S 2519/05 -, NJW 2006, 2135 – NZV 2007, 55 = VRS 111 (2006), 311 = Blutalkohol 43 (2006), 412,) liegt der dortigen Entscheidung ein Fall zugrunde, in dem bei dem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber keine cannabisbedingten Ausfallerscheinungen feststellbar waren, es also lediglich um das Vorhandensein einer allein aus dem festgestellten THC-Wert abzuleitenden „absoluten“ Fahruntüchtigkeit ging. Vorliegend verhält es sich indessen so, dass der Antragsteller, der einen Verkehrsunfall mit Personenschaden zumindest mitverursacht hatte, nach den polizeilichen Berichten jedenfalls unmittelbar nach dem Unfallgeschehen „einen nicht verkehrstüchtigen Eindruck machte“ und leicht gerötete Bindehäute aufwies. Ein etwa zwei Stunden später erstellter ärztlicher Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die Pupillen des Antragstellers „mittelweit erweitert“ waren und verzögert auf Lichteinfall reagierten. Dabei handelt es sich um körperliche Merkmale, die typischerweise nach einem Cannabiskonsum auftreten und einen deutlichen Bezug zur aktuellen Fahrtüchtigkeit aufweisen. Jedenfalls die Erweiterung der Pupillen (Mydriasis) führt unter anderem zu einer erhöhten Blendungsempfindlichkeit und – zumindest unter bestimmten Lichtverhältnissen – einer Beeinträchtigung des Sehvermögens. (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2007 – 16 B 2429/06 – unter Bezugnahme auf die im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Januar 2004 – 7 A 10206/03 -, VRS 106 (2004), 313 = DAR 2004, 413 = Blutalkohol 41 (2004), 293, zitierte Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. Urban.)
Es spricht somit ganz Überwiegendes dafür, dass beim Antragsteller unabhängig von der THC-Konzentration von 1,4 ng/ml jedenfalls eine aktuelle drogenbedingte Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Dass auch in derartigen Fällen einer „relativen“ Fahruntüchtigkeit von einem Verstoß gegen das Trennungserfordernis auszugehen ist, wird durch die verbreitete Auffassung von Verkehrsmedizinern unterstrichen, dass die Wirkungen des Cannabiskonsums weit schwerer einschätzbar seien als insbesondere beim Alkohol, (vgl. die im Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 13. Januar 2004 – 7 A 10206/03 – und im Beschluss des Bayerischen VGH vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, jeweils aaO., wiedergegebenen wissenschaftlichen Stellungnahmen,) so dass das Erreichen oder Überschreiten bestimmter Grenzwerte allein nur in beschränktem Maße Aussagen über die konkrete Fahrtauglichkeit ermöglicht. Wenn im Übrigen die in den letzten Jahren veröffentlichten wissenschaftlichen Studien zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums und zur Ermittlung von „Grenzwerten“ vergleichend darauf abstellen, wie häufig bei bestimmten THC-Werten Ausfallerscheinungen oder doch jedenfalls „Auffälligkeiten“ auftreten, (vgl. insoweit etwa Drasch/von Meyer/Roider/Staack/Paul, aaO.,) ist auch dies nach Auffassung des Senats ein gewichtiges Argument dagegen, dann entscheidend auf den im jeweiligen Einzelfall ermittelten THC-Wert bzw. die danach üblicherweise anzunehmenden Beeinträchtigungen abzustellen, wenn der betreffende Fahrzeugführer – wie vorliegend der Antragsteller – konkret unter deutlicher Rauschmitteleinwirkung gestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.