Zum Inhalt der Entscheidung: Unberechtigtes Parken auf einem fremden Grundstück kann eine Besitzstörung sein (hier: privates Halteverbotsschild). Der Störer kann auch nach Beendigung der Störung auf künftige Unterlassung der Störung in Anspruch genommen werden. Auch der Fahrzeughalter kann Störer sein, wenn er sein Fahrzeug einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 21.09.2012
Tatbestand:
Der Beklagte ist Halter eines Sportwagens. In den Abendstunden des 20. August 2010 war das Fahrzeug für etwa zwei Stunden auf dem durch ein privates Halteverbotsschild gekennzeichneten, von dem Kläger gemieteten Geschäftsgrundstück unbefugt abgestellt. Nach Ermittlung des Fahrzeughalters wandte sich der Kläger an einen Rechtsanwalt. Auf dessen Aufforderung gab der Beklagte, der vorträgt, er selbst habe den Sportwagen dort nicht geparkt, eine Unterlassungserklärung ab, ohne jedoch die geforderte Strafbewehrung zu akzeptieren. Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, unter Meidung eines Ordnungsgeldes es zu unterlassen, den Sportwagen selbst oder durch eine dritte Person auf seinem Geschäftsgrundstück abzustellen, sowie die Erstattung der Kosten der Halterermittlung und der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung sowie zur Erstattung der Kosten für die Halterermittlung verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision den Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten weiter. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des anderen Rechtsmittels.
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Beklagte sei mittelbarer Handlungsstörer oder Zustandsstörer, da er als Halter des Sportwagens durch dessen Weitergabe an einen Dritten eine adäquate Ursache dafür gesetzt habe, dass sein Fahrzeug unberechtigt abgestellt werden könne. Aufgrund des gesamten Verhaltens des Beklagten liege eine Wiederholungsgefahr vor. Der Kläger könne gemäß §§ 670, 677, 683 BGB auch Ersatz der Kosten der Halterfeststellung verlangen. Ein Aufwendungsersatzanspruch für die vorgerichtlichen Anwaltskosten bestehe dagegen nicht, da die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts in der konkreten Situation nicht erforderlich gewesen sei.
II. Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halterermittlung zu.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht.
a) Das unbefugte Abstellen des Fahrzeugs auf dem von dem Kläger gemieteten Grundstück stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB dar (Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 – V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rn. 13). Ob es sich hierbei um eine Besitzstörung oder um eine teilweise Besitzentziehung handelt, ist für die weitere rechtliche Beurteilung ohne Belang, da § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Fall der Besitzentziehung entsprechende Anwendung findet (Staudinger/Bund, BGB [2008], § 861 Rn. 3; MünchKomm- BGB/Joost, 5. Aufl., § 861 Rn. 17).
b) Der Beklagte war gegenüber dem Kläger als Zustandsstörer verantwortlich.
aa) Zustandsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat. Darüber hinaus muss ihm die Beeinträchtigung zurechenbar sein. Hierzu genügt es nicht, dass er Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 432; Urteil vom 30. Mai 2003 – V ZR 37/02, BGHZ 155, 99, 105; Urteil vom 11. Juni 1999 – V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 69 f., jeweils mwN).
bb) Danach war der Beklagte hinsichtlich der durch das parkende Fahrzeug hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes des Klägers Zustandsstörer. Er beherrschte die Quelle der Störung, da er – bei entsprechender Information durch den beeinträchtigten Besitzer – als Halter des Fahrzeugs in der Lage war, das Fahrzeug wegzufahren. Ihm war die Beeinträchtigung auch zuzurechnen. Indem er sein Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat, hat er das Risiko übernommen, dass sich der Nutzer nicht an die allgemeinen Verhaltensregeln hält und das Fahrzeug unberechtigt auf fremdem Privatgrund abstellt. Da das Falschparken auf einem Privatgrundstück kein außergewöhnliches Verhalten eines Verkehrsteilnehmers darstellt, mit dem der Halter nicht zu rechnen hat, ist es sachgerecht, ihm als Halter die Verantwortung aufzuerlegen, wenn sich die mit der freiwilligen Fahrzeugüberlassung geschaffene Gefahr des unberechtigten Parkens tatsächlich realisiert (vgl. Lorenz, NJW 2009, 1025, 1026; Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550, 2551; aA Woitkewitsch, MDR 2005, 1023, 1026).
c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bejaht. Die von dem Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung hat die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen.
aa) Die Revision meint, als Zustandsstörer könne der Beklagte zwar auf Beseitigung einer bestehenden Störung, nicht aber auf künftige Unterlassung in Anspruch genommen werden, da dem Fahrzeug selbst nicht ein für das Geschäftsgrundstück des Klägers gefahrenträchtiger Zustand innewohne. Dem ist nicht zuzustimmen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei dem Falschparken um eine dem Fahrzeug „innewohnende Schadensanlage“ handelt (so aber LG München I, DAR 2009, 591 und AG Darmstadt, NJW-RR 2003, 19, 20).
Denn die Verantwortlichkeit des Beklagten als Zustandsstörer ergibt sich nicht allein aus dessen Stellung als Halter des Fahrzeugs. Die Zurechnung der durch das Falschparken hervorgerufenen Besitzbeeinträchtigung beruht vielmehr darauf, dass diese mittelbar auf seinen Willen zurückging, indem er das Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung überlassen hat. Hieran ist auch bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr anzuknüpfen.
bb) Die tatrichterliche Würdigung, ob Wiederholungsgefahr besteht, ist im Revisionsverfahren nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (Senat, Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 134). Solche liegen nicht vor.
Schon das einmalige unbefugte Abstellen des Fahrzeugs auf dem Betriebsgrundstück des Klägers durch den Beklagten begründet die tatsächliche Vermutung dafür, dass sich die Beeinträchtigung wiederholt (Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 46/10, ZUM 2011, 333, 336; Urteil vom 12. Dezember 2003 – V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1036). Durch die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung hat der Beklagte die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt. Dies kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geschehen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 – IV ZR 201/10, WM 2012, 1673, 1682; Urteil vom 3. Dezember 2009 – III ZR 73/09, MMR 2010, 173). Rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht auch in dem Umstand, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen eine Ermahnung „an alle möglichen Nutzer“ ausgesprochen hat, das Fahrzeug künftig nicht auf dem Geschäftsgrundstück des Klägers abzustellen, keinen Umstand, der es rechtfertigen würde, einen Wegfall der Wiederholungsgefahr anzunehmen.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten von 5, 65 € für die Halterermittlung bejaht. Diese Aufwendungen waren zur Vorbereitung der an den Beklagten gerichteten Unterlassungsaufforderung erforderlich und sind daher gemäß §§ 683, 677, 670 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 – I ZR 70/11, GRUR 2012, 759) ersatzfähig.
III. Die Anschlussrevision des Klägers hat Erfolg. Die Begründung des Berufungsgerichts, mit der es einen Anspruch des Klägers gemäß §§ 683, 677, 670 BGB auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Aufforderung an den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnt, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nach § 670 BGB sind ersatzfähig solche Aufwendungen, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten darf. Entscheidend ist, was er nach sorgfältiger Prüfung der ihm bekannten Umstände vernünftigerweise aufzuwenden hatte (RGZ 149, 205, 207; MünchKomm-BGB/Seiler, 5. Aufl., § 670 Rn. 9; PWW/Fehrenbacher, BGB, 7. Aufl., § 670 Rn. 5). Dies kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern bemisst sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles, deren Würdigung der tatrichterlichen Beurteilung obliegt.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es handle sich um einen einfach gelagerten Unterlassungsanspruch, für dessen Durchsetzung anwaltliche Hilfe nicht benötigt werde, steht im Widerspruch dazu, dass es zur Klärung der in der Rechtsprechung kontrovers erörterten – Frage, ob gegenüber dem Fahrzeughalter ein Unterlassungsanspruch besteht, die Revision zugelassen hat. Soweit das Berufungsgericht zusätzlich darauf abstellt, dass der Kläger aus vorangegangenen Verfahren genau gewusst habe, was zu tun sei, vermag dies die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs ebenfalls nicht zu tragen. Zwar ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes dann nicht erforderlich, wenn der von der Störung Betroffene anlässlich vorangegangener Parkverstöße Dritter diese in der Vergangenheit anwaltlich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert hat und er daher über die Vorgehensweise bei der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs informiert ist. Zu Recht macht die Anschlussrevision mit der in der mündlichen Verhandlung erhobenen Verfahrensrüge aber geltend, dass das Berufungsurteil keine Feststellungen enthält, die die Schlussfolgerung zuließen, der Kläger habe seine Rechte und die gebotene Vorgehensweise gekannt. Der bloße Hinweis auf nicht näher konkretisierte „vorangegangene Verfahren“ vermag die erforderlichen konkreten Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht zu ersetzen. Insoweit ist das Urteil daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die Berechtigung des Anspruchs erneut prüfen kann.