VG Bremen - Urteil vom 28.01.16

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Zum Inhalt der Entscheidung: Bei einem acht Jahre zurückliegenden über mehrere Jahre andauernden Konsum harter Drogen ist die Anordnung einer MPU rechtmäßig.

Verwaltungsgericht Bremen

Urteil vom 28.01.2016

5 K 831/14

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Fahrerlaubnis.

Der 1970 geborene Kläger stammt aus der Nähe von E. in der Türkei. Er reiste 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Bis 1994 lebte der Kläger in B.. Während dieser Zeit wurde er vom Amtsgericht Bremerhaven wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Wegen einer in der Bundesrepublik Deutschland drohenden Abschiebung begab sich der Kläger in die Niederlande, wo er als Asylberechtigter anerkannt wurde und die niederländische Staatsangehörigkeit erwarb. Aufgrund einer psychischen Erkrankung lebte er in den Niederlanden zeitweilig in einem betreuten Wohnprojekt. Im Jahr 2002 kehrte der Kläger nach B. zurück, wo auch zwei Brüder von ihm lebten.

Der Kläger trat in den folgenden Jahren mehrfach wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafrechtlich in Erscheinung. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bremen vom 26. Mai 2003 wurde der Kläger wegen Besitzes einer Heroinzubereitung zu einer Geldstrafe verurteilt. Durch Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 25. September 2003 wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Im Rahmen des strafrechtlichen Verfahrens wurde ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstellt. Darin wurde unter anderem zur Aktenlage ausgeführt, dass der Kläger berichtet habe, einen Teil des Heroins für sich selbst zu verbrauchen und den Rest zu verkaufen. Er handle mit dem Heroin um unter anderem seine eigene Abhängigkeit zu finanzieren. Außerdem habe er in den letzten Monaten ab und zu Kokain konsumiert. Innerhalb einer Woche nehme er ca. ein bis zwei Gramm Kokain zu sich. Für den Kläger wurden in dem Gutachten eine schizoaffektive Psychose und eine leichte Intelligenzminderung festgestellt. Durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 7. Januar 2008 erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Handeltreibens mit Heroin sowie Besitzes von Heroin in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Heroin in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten.

Einen ersten Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis stellte der Kläger im Jahr 2004. Nach einer Aufforderung der zur Vorlage von Unterlagen, aus denen sich ein Nachweis über die Drogenfreiheit ergebe, verfolgte der Kläger seinen Antrag nicht mehr weiter. Im Jahr 2012 beantragte der Kläger erneut die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Die forderte ihn daraufhin auf, ein fachärztliches Gutachten zur der Fragestellung vorzulegen, ob er trotz Vorliegens einer psychischen Erkrankung (schizophrene Psychose, schizoaffektive Psychose) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 lehnte die den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis wegen nicht fristgerechter Vorlage des angeforderten Gutachtens ab.

Mit einiger zeitlicher Verzögerung legte der Kläger dann ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vor. In dem Gutachten wurde ausgeführt, dass der Kläger seit Anfang der 2000er Jahre psychisch auffällig sei. Seit dem Jahr 2003 sei er dreimal wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt worden. Er habe Heroin für den Eigenbedarf und für den Handel besessen. Einen Kokainkonsum habe er ebenfalls zugegeben. Seit 2002 seien immer wieder nervenärztliche Behandlungen erfolgt. Seit 2 Jahren sei der Kläger verheiratet. Eine Berufstätigkeit übe er nicht aus. Seit mindestens 3 Jahren befinde sich der Kläger in ambulanter psychiatrischer Behandlung. Der Gutachter gelangt schließlich zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz Vorliegens einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis zur Zeit in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs gerecht zu werden. Es wurde jedoch eine Nachbegutachtung nach 3 Jahren vorgeschlagen.

Im Rahmen einer Vorsprache bei der sei der Kläger ausweislich eines Vermerks vom 18. Oktober 2013 darauf hingewiesen worden, dass er zusätzlich ein medizinisch-?psychologisches Gutachten wegen der Betäubungsmitteldelikte vorlegen müsse. Der Kläger habe darauf hingewiesen, dass er seit 2008 keine Drogen konsumiere. Da er nicht abhängig gewesen sei, sei ihm dies ohne fachliche Hilfe gelungen.

Unter dem 9. Dezember 2013 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis. Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 forderte die daraufhin den Kläger – wie angekündigt – dazu auf, ein medizinisch-?psychologisches Gutachten zu der Frage vorzulegen, ob zu erwarten sei, dass er unter dem Einfluss berauschender Mittel ein Fahrzeug führen werde oder in der Folge eines unkontrollierten Konsums derartiger Stoffe Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen in Frage stellten. Die Aufforderung wurde auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV gestützt.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 lehnte das Stadtamt den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass wegen der nicht fristgerechten Vorlage des medizinisch-?psychologischen Gutachtens auf die Nichteignung des Klägers zu schließen sei. Der Bescheid wurde am 30. Mai 2014 zugestellt.

Am 30. Juni 2014 hat der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Durch Beschluss vom 11. November 2014 hat die Kammer dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt. Am 18. November hat der Kläger daraufhin Klage erhoben und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass er in den vergangenen Jahren illegale Betäubungsmittel oder Medikamente, die die Fahrtüchtigkeit ausschließen könnten, konsumiert habe. Aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ergebe sich, dass der Kläger seit 2008 nicht mehr mit Betäubungsmitteln in Erscheinung getreten sei. Die letzte strafrechtliche Verurteilung durch das Amtsgericht Bremen vom 7. Januar 2008 enthalte keine Hinweise darauf, dass er Teile des Betäubungsmittels zum Eigenkonsum besessen oder Handel mit ihnen getrieben habe, um seinen Eigenkonsum finanzieren zu können. Im Gegenteil ergebe sich aus den Erwägungen zur Strafzumessung, dass er sich deutlich stabilisiert habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2014 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass die Fahrerlaubnis aus dem Grunde nicht erteilt worden sei, weil der Kläger das geforderte medizinisch-?psychologische Gutachten zur Ausräumung der Eignungsbedenken wegen des in der Vergangenheit liegenden Konsums harter Drogen nicht beigebracht habe. Allein eine Erklärung, dass ein Konsum von Drogen nicht mehr vorliege, könne keine ausreichende Beurteilungsgrundlage darstellen, um fahreignungsrechtliche Bedenken auszuräumen. Es sei unstreitig, dass der Kläger bis 2008 Konsument harter Drogen gewesen sei. Insofern sei die Anordnung zur Vorlage des Gutachtens nicht unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden. Dem Kläger ist jedoch gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Fristversäumnis ist unverschuldet, wenn der Kläger innerhalb der Klagefrist zunächst einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt und die fristgerechte Klageerhebung unterbleibt, weil über den Antrag nicht vor Fristablauf entschieden worden ist. Denn der bedürftigen Partei ist grundsätzlich nicht zuzumuten, eine Klage oder ein Rechtsmittel einzulegen, wenn sie sich damit einem Kostenrisiko aussetzt, das sie nicht zu tragen vermag (vgl. BVerwG NVwZ 2002, 992; VGH Mannheim NVwZ 1999, 205, 206).

Die Klage hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Ablehnung der Führerscheinerteilung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, da die Beklagte zu Recht von seiner Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der beantragten Klassen ausgegangen ist.

1. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Dies ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn sie die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-?Verordnung vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen. Geht es - wie im Fall des Klägers - um eine Drogenproblematik und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel im Sinne von Nummer 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-?Verordnung, richten sich die von der zu treffenden Maßnahmen zur Klärung von Eignungszweifeln wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln des Fahrerlaubnisbewerbers in erster Linie nach der Bestimmung des § 14 FeV. Zwingt diese Vorschrift zur Anordnung einer Begutachtung des Fahrerlaubnisbewerbers, so darf die Behörde die Fahrerlaubnis nur erteilen, wenn ein positives Gutachten zur Ausräumung der Eignungszweifel vorgelegt wurde. Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gefordert; die Nichtfeststellbarkeit der Fahreignung geht also zulasten des Bewerbers. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen. Wird ein formell und materiell rechtmäßig angeordnetes Gutachten nicht vorgelegt, darf die Behörde nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Das Stadtamt ist zutreffend nach § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Eignung des Klägers ausgegangen, weil er das geforderte medizinisch-?psychologische Gutachten nicht beigebracht hat. Der Schluss auf die Nichteignung ist zulässig, denn die Anordnung des Gutachtens ist formell und materiell rechtmäßig.

2. Die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens in dem Schreiben des Stadtamts vom 22. Januar 2014 ist formell rechtmäßig. Sie genügt insbesondere den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Die Fragen in Hinblick auf die Eignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs sind hinreichend konkret bestimmt. Die Beklagte hat in dem Schreiben die Gründe für die Zweifel an der Eignung des Klägers dargelegt. Die Anordnung enthält auch die erforderliche Fristsetzung, einen Hinweis auf die Kostentragungspflicht des Betroffenen und die Angabe, dass das Gutachten von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu erstellen ist. Auch die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen sind in dem Schreiben benannt worden. Außerdem ist der Kläger auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen zu lassen, oder einer nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens hingewiesen worden.

3. Auch in materieller Hinsicht begegnet die Gutachtenanforderung keinen Bedenken. Das Stadtamt war im vorliegenden Fall nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV dazu verpflichtet, den Kläger aufzufordern, ein medizinisch-?psychologisches Gutachten beizubringen. Nach dieser Vorschrift ordnet die an, dass ein medizinisch-?psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt. Weigert sich der Betroffene, sich auf eine solche Anordnung hin untersuchen zu lassen oder bringt er der das von ihr geforderte Gutachten ohne tragfähigen Grund nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 46 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Der Kläger hat innerhalb der vorgegebenen Frist kein Gutachten vorgelegt. Die Beklagte ist auch berechtigt gewesen, aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Beklagten zum Führen eines Fahrzeugs zu schließen. Der Schluss von der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers setzt allerdings über den Wortlaut des § 11 Abs. 8 FeV hinaus voraus, dass die Anordnung einer medizinisch-?psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. zum Erfordernis der rechtmäßigen Gutachtenanordnung BVerwG v. 09.06.2005, DAR 2005, 581; BayVGH v. 07.05.2001 – 11 B 99.2527; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 11 FeV Rn. 24 m. w. N.). Die Anordnung einer medizinisch-?psychologischen Untersuchung des Klägers entsprach vorliegend diesen Anforderungen.

a) Die Anordnung konnte vorliegend auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV getroffen werden. Dem Wortlaut nach reicht es für die Anwendung dieser Vorschrift aus, dass in der Vergangenheit ein Konsum harter Drogen – für den gelegentlichen Genuss von Cannabis enthält § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV eine Sonderregelung – stattgefunden hat. Ob der Betroffene abhängig gewesen ist, ist nach der zweiten Alternative der Norm ausdrücklich nicht von Belang. Die Notwendigkeit einer Klärung durch die Beibringung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens setzt begrifflich allein voraus, dass jedenfalls nachweislich in der Vergangenheit ein Drogenkonsum vorgelegen hat.

Davon ist im Falle des Klägers auszugehen. Er hat über viele Jahre hinweg sogenannte harte Drogen konsumiert. Aus der Suchtanamnese des psychiatrischen Gutachtens vom 27. August 2003 ergibt sich, dass der Kläger bereits in den Jahren von 1991 bis 1993 unregelmäßig Heroin konsumiert habe. Gegenüber dem Gutachter hat der Kläger des Weiteren eingeräumt, unregelmäßig Kokain zu konsumieren. Aus den Strafakten werden in dem Gutachten Ausführungen des Klägers wiedergegeben, nach denen er mit dem Heroin gehandelt habe, um seine eigene Abhängigkeit zu finanzieren. Dass der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Delmenhorst im September 2003 jedenfalls bis 2008 Drogen konsumiert hat, hat er selbst gegenüber der eingeräumt.

b) Ist damit von einem die Fahreignung ausschließenden Konsum harter Drogen in der Vergangenheit auszugehen, war die Beklagte auch gehalten, nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV vorzugehen und ein medizinisch-?psychologisches Gutachten anzufordern.

Der Kläger hat durch den Heroinkonsum gemäß Nr. 9.1 Anlage 4 zur FeV seine Fahreignung verloren. Insoweit konnte die Anordnung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV lediglich dazu dienen, dem Kläger den Nachweis seiner zwischenzeitlichen Wiedererlangung der Fahreignung entsprechend Nr. 9.5 Anlage 4 zur FeV zu ermöglichen. Dafür ist allein der Nachweis einer einjährigen Abstinenz nicht ausreichend. Nach einer zum Ausschluss der Fahreignung führenden Einnahme von Betäubungsmitteln setzt eine positive Beurteilung der Fahreignung nicht nur eine nachgewiesene Änderung des Konsumverhaltens, sondern auch einen stabilen Einstellungswandel voraus, das heißt eine Prognose, dass die Verhaltensänderung auf Dauer ist. Es muss hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhält. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer psychologischen Bewertung auf Basis einer medizinisch-?psychologischen Begutachtung (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2005 – 3 C 25/04, NJW 2005, 3081 f.; BayVGH, B. v. 09.05.2005 – 11 CS 04.2526; VG München, B. v. 28.09.2009 – M 6b S 09.3560; beide juris).

c) Einer Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der letzte Drogenkonsum nach eigenem Vorbringen des Klägers annähernd acht Jahre zurückliegen soll.

Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines solchen Gutachtens herangezogen werden. Das ergibt sich schon aus der Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV, wonach Tatsachen bekannt geworden sein müssen, die Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Betroffenen begründen. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch muss nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergibt sich auch aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung, ein medizinisch-?psychologisches Gutachten beizubringen, greift in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Ihm wird zugemutet, anderen Einblick in Kernbereiche seiner Persönlichkeit zu geben. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist. Es muss also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann. Eine generalisierende Betrachtungsweise derart, dass nach Ablauf bestimmter Mindestzeiträume Eingriffe der in Rede stehende Art nicht mehr in Betracht kommen, trägt den bestehenden Gefahren nicht hinreichend Rechnung. Erforderlich ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände. Entscheidend ist, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen. Von besonderem Gewicht sind insoweit Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Umstände die Annahme nahe legen, dass der Betroffene ein einziges Mal Drogen zu sich genommen hat, oder ob sich der Konsum über einige, unter Umständen sogar längere Zeit hingezogen hat. Auch die Art der konsumierten Drogen und ihre Eignung, Abhängigkeiten zu erzeugen, können ins Gewicht fallen.

Nach diesen Maßstäben ist die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens trotz des erheblichen Zeitraums von acht Jahren, der nach dem Vortrag des Klägers seit dem letzten Drogenkonsum verstrichen sein soll, als verhältnismäßig anzusehen. Bei dem Kläger liegt kein einmaliger Drogenkonsum vor. Er hat vielmehr über viele Jahre hinweg sogenannte harte Drogen konsumiert. Insbesondere in dem Zeitraum von 2003 bis 2008 hat der Kläger nicht nur mit Betäubungsmitteln Handel getrieben, sondern diese auch selbst konsumiert. Dieser über Jahre andauernde Konsum harter Drogen ist auch im gerichtlichen Verfahren vom Kläger nicht bestritten worden. Bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen schließt jedoch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Des Nachweises einer Drogenabhängigkeit, eines regelmäßigen Konsums oder auch nur des Unvermögens zur Trennung von Drogenkonsum und Kraftfahrzeugführung bedarf es nicht (vgl. statt vieler OVG Lüneburg, B. v. 11.08.2009 – 12 ME 159/09; OVG Bremen, B. v. 30.06.2003 – 1 B 206/03; VG Bremen, B. v. 04.10.2010 – 5 V 1176/10, alle juris, jeweils m. w. N.). Charakteristisch für die Wirkung harter Drogen wie Kokain und Heroin ist eine Verminderung der Kritikfähigkeit sowie des Vorsichts- und Sorgfaltsverhaltens. Der Kokainkonsum bringt eine eindrucksvolle Euphorie, gepaart mit gesteigertem Antrieb und Gefühlen von Dominanz und Überlegenheit mit sich. Es kann im Falle eines Konsums von Kokain oder Heroin grundsätzlich nicht vom Bestehen eines Trennungsvermögens zwischen der Einnahme der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen werden, da die Ausschaltung einer solchen Hemmung gerade zu den typischen Wirkungen der Droge gehört. Bereits der einmalige Konsum führt zu einer signifikanten Erhöhung der Straßenverkehrsgefährdung. Die Fehlhaltung und die Willensschwäche, die zum Drogenkonsum führt, und der Kontrollverlust, der mit dem Drogenkonsum einhergeht, sind die Gründe, aus denen der Verordnungsgeber in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bei harten Drogen generell und bereits bei einmaliger Einnahme von Fahrungeeignetheit ausgeht. Denn es ist jederzeit möglich, dass der Betroffene im Zustand drogenbedingt reduzierter Steuerungsfähigkeit am Straßenverkehr teilnimmt. Der Verordnungsgeber selbst geht damit im Gegensatz zu Cannabiskonsumenten bei Konsumenten von Kokain und Heroin von einer starken Tendenz zur Abhängigkeit aus, die den Hintergrund für die restriktiven Folgen darstellt, die die Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung an den bereits einmaligen Konsum von harten Drogen knüpft.

Im Falle eines Konsums harter Drogen bestehen daher auch noch nach 8 Jahren hinreichende Zweifel an der Fahreignung, die letztlich nur durch ein medizinisch-?psychologisches Gutachten ausgeräumt werden können. Dass der Kläger in den letzten 8 Jahren nicht mehr wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz auffällig geworden ist, spricht nicht zwingend für eine tatsächliche Drogenabstinenz. Es liegen auch keinerlei Nachweise für eine Drogenabstinenz des Klägers etwa durch einen negativen Laborbefund vor. Zudem muss nach den Begutachtungs-?Leitlinien zur Kraftfahreignung zu einer in der Regel einjährigen Abstinenz, die durch mindestens vier unvorhersehbar anberaumte Laboruntersuchungen nachzuweisen ist, ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutreten, der es wahrscheinlich macht, dass der Betroffene auch in Zukunft die Abstinenz einhalte. Hierfür bedarf es eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeitraum von 8 Jahren noch als ein zulässiger zeitlicher Zusammenhang zwischen Konsum und Gutachtenanforderung angesehen werden kann, ist auch zu berücksichtigen, dass das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen, in denen die Fahrerlaubnis wegen eines Drogendelikts im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entzogen worden ist, nur dort eine zeitliche Grenze für die Anordnung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV sieht, wo die Tat mit Blick auf die zehnjährige Tilgungsfrist nicht mehr im Verkehrszentralregister eingetragen ist. Der Gesetzgeber habe insoweit selbst Fristen festgelegt, nach deren Ablauf Taten der in Rede stehenden Art einem Verwertungsverbot unterlägen (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2015 – 3 C 21/04, juris, Rn. 25 ff.). Wurde dementsprechend der Betroffene durch ein Urteil des Landgerichts wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Heroin in nicht geringen Mengen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und wurde ihm zugleich die Fahrerlaubnis entzogen, so kann das Drogendelikt unter Einbeziehung eines Verjährungsbeginns von 5 Jahren nach der beschwerenden Entscheidung und einer zehnjährigen Verjährungsfrist insgesamt über einen Zeitraum von 15 Jahren Anknüpfungspunkt für die Anordnung einer medizinisch-?psychologischen Untersuchung sein. Auch im vorliegenden Fall ist der Kläger wegen Handelstreibens und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Allein der Umstand, dass der Kläger noch nie Inhaber einer Fahrerlaubnis gewesen ist und ihm deshalb auch die Fahrerlaubnis in Ansehung der Drogendelikte durch die nicht entzogen werden konnte, rechtfertigt keine andere Bewertung des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem gefahrenrechtlichen Anknüpfungspunkt und der Anordnung eines medizinisch-?psychologischen Gutachtens.

4. Der Kläger hat das angeforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt. Der Schluss der gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers ist daher nicht zu beanstanden. Gründe dafür, dass abweichend vom Regelfall (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 zur FeV) hier besondere Umstände vorliegen, die die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

(...)