AG Essen - Urteil vom 06.12.01

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Zum Inhalt der Entscheidung: Ein Grundstückseigentümer, der ein unberechtigt parkendes Fahrzeug von seinem Grundstück abschleppen läßt, hat gegen den unberechtigt Parkenden auch dann einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten, wenn das Parken zur Nachtzeit oder an einem Wochenende erfolgt und die Abschleppmaßnahme erst ca. 15 Stunden nach dem Abstellen erfolgt. 

 

Amtsgericht Essen

Urteil vom 06.12.2001

136 C 159/01

Tatbestand:

Der Kläger parkte seinen PKW an Samstag, dem 24.03.2001 um ca. 23.00 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang zum Bürohaus H-Straße in E. Bei dem Parkplatz handelte es sich um einen Privatparkplatz mit acht Stellplätzen. Die Beklagte ist Verwalterin des Grundstücks. Eigentümerin ist die WEG H-Straße. Die Beklagte erteilte am Sonntag, dem 25.03.2001, der Firma Abschleppdienst N den Auftrag, den Wagen des Klägers vom Parkplatz zu entfernen. Der Wagen wurde ca. um 14.30 Uhr vom Parkplatz abgeschleppt. Der Kläger, der gegen 15.00 Uhr seinen Wagen abholen wollte, musste mit einem Taxi zum Büro der Firma N fahren, wodurch ihm Kosten von 12,00 DM entstanden; des weiteren musste er die Abschlepprechnung der Firma N in Höhe von 240,00 DM begleichen. Er gesteht der Beklagten einen Nutzungsentgeltanspruch für den Parkplatz in Höhe von 20,00 DM zu.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 232,00 DM zzgl. 5 % Zinsen seit dem 27.06.2001 an ihn zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.


Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche zwar passivlegitimiert, da sie aus diesen materiellrechtlich verpflichtet sein kann, dem Kläger steht allerdings unter keinem Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu. Es liegt kein Fall berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB vor. Die Begleichung der Rechnung des Abschleppunternehmens war ein eigenes Geschäft des Klägers. Er war selbst verpflichtet, die Rechnung des Abschleppunternehmens zu bezahlen, denn der Beklagten steht ein Anspruch gegen ihn aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der Beauftragung des Abschleppunternehmens zu. Zwar war die Beklagte als Verwalterin von der WEG angewiesen worden, widerrechtlich parkende Fahrzeuge nach einer halben Stunde abschleppen zu lassen, dies steht jedoch nicht in Widerspruch dazu, dass es sich bei der Beauftragung des Abschleppunternehmens um ein für die Beklagte fremdes Geschäft handelte; auch wenn die Beklagte der WEG zur Besorgung verpflichtet war, liegt Geschäftsführung ohne Auftrag für den Kläger vor, denn die Beklagte handelte bei Einfüllung ihrer Verpflichtung nicht zu in eigenem Interesse, sondern auch im Interesse des Klägers. Die Entfernung des Pkw stellt nach §§ 862 I, 1004, 823 BGB ein zum Rechtskreis des Klägers gehörendes Geschäft dar. Unstreitig handelt es sich hier um einen nichtöffentlichen Privatparkplatz mit acht Stellplätzen. Indem der Kläger seinen Wagen dort abstellte, störte er den Besitz durch verbotene Eigenmacht, § 858 I BGB, da die Benutzbarkeit des Grundstücks eingeschränkt wurde. Das Gebrauchsrecht der WEG, auf ihrem Grundstück nur bestimmte Personen oder Personengruppen parken zu lassen, wurde vorübergehend behindert; dass das Parken an einem Wochenende und zur Nachtzeit erfolgte, ändert nichts an der Besitzstörung als solcher. Die Beklagte handelte im Interesse des Klägers, da sie bei Erteilung des Abschleppauftrags eine eigentlich der Kläger als dem Besitzstörer obliegende Verpflichtung, nämlich die Entfernung des Pkw, übernahm. Demgemäß ist auch mangels wirklichen Willen der mutmaßliche Wille entsprechend dem Interesse des Klägers anzunehmen. Da hinsichtlich der Abschleppung berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorlag, kann der Kläger auch die Taxikosten nicht erstattet verlangen.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 858 BGB zu. Wie oben dargelegt, hat der Kläger mit verbotener Eigenmacht gehandelt, als er den Wagen auf dem Privatparkplatz abstellte. Die Entfernung durch die Beklagte stellt ihrerseits keine verbotene Eigenmacht dar, denn andernfalls bliebe ihr nur die Duldung der Besitzstörung, was von der Rechtsordnung jedoch nicht verlangt wird, § 859 BGB. Insbesondere erfüllt auch das Abschleppenlassen erst am folgenden Tag noch das Tatbestandsmerkmal "sofort" des § 959 III BGB. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Entsetzung des Besitzstörers auch noch am folgenden Tag als in unmittelbare zeitlichen Zusammenhang mit der Besitzstörung und damit als "sofort" i.S.v. § 859 III BGB angesehen werden muss (LG Frankfurt a.M., DAR 1984, 25 f.; AG Braunschweig, NJW-RR 1986, 1414; AG Deggendorf, DAR 1984, 277 f.). Die Maßnahme war überdies auch verhältnismäßig. Das Selbsthilferecht aus § 859 BGB liefe nämlich leer, bliebe der Grundstücksbesitzer mit den Abschleppkosten belastet. Zwar muss der Störer nicht zwangsläufig für alle Kosten einstehen, wenn das Selbsthilferecht aber praktisch nur auf eine Art durchgesetzt werden kann, sind auch die entstandenen Kosten verhältnismäßig. Zwar hätte die Beklagte den Pkw auch auf einen der anderen Stellplätze abschleppen lassen könne, dazu war sie jedoch nach § 858 BGB nicht verpflichtet, da so die Besitzstörung nicht beseitigt werden konnte. Sie war auch nicht zur Duldung der Besitzstörung für eine gewisse Zeit verpflichtet, weshalb auch kein milderes Mittel zur Störungsbeseitigung gegeben ist. Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, Polizei oder Ordnungsbehörden einzuschalten. Da es sich um einen Privatparkplatz handelt, liegt weder eine Ordnungswidrigkeit noch – mangels befriedeten Besitztums – 123 StGB vor. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einschreiten der Ordnungsbehörden ergibt sich auch nicht aus de Schutz privater Rechte, da die Beklagte den Besitzstörenden Pkw abschleppen lassen konnte (Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2250 m.w.N..

Der Anspruch wäre auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Beklagte als Verwalterin nur Besitzdiener nach § 855 BGB wäre. In diesem Fall könnte sie über § 860 BGB ebenfalls die Rechte nach § 859 BGB geltend machen.

(...)