Leitsätze des Gerichts: 1. Nur das händische Ausschalten des Motors suspendiert das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO.
2. Eine extensive Auslegung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verbietet sich ebenso wie eine analoge Anwendung der Vorschrift auf vom Wortlaut nicht umfasste sonstige Rechts- bzw. Verfahrensverstöße, etwa in Bezug auf die in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten grundrechtsgleichen Rechte.
Kammergericht
Beschluss vom 09.09.2024
3 ORbs 139/24, 122 Ss Rs 32/24
Tenor:
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Juni 2024 wird, ohne dass der Beschluss einer Begründung bedürfte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG), verworfen.
Gründe:
Lediglich erläuternd bemerkt der Senat: Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör), der nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde geben könnte, besteht offensichtlich nicht. Auch der Betroffene macht nicht geltend, eigener Vortrag sei übergangen worden.
Tatsächlich dürfte der Vortrag des Rechtsmittelführers eher als Aufklärungsrüge zu verstehen sein, denn im Kern macht er – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz vom 22. August 2024 – geltend, nicht befragt worden zu sein, ob er den Motor seines Fahrzeugs händisch ausgeschaltet hat oder ob die Abschaltung per Start-Stopp-Automatik geschah. In Abweichung von der vormaligen Rechtslage gilt die automatische Motorabschaltung durch Start-Stopp-Funktion nicht als vollständiges Abschalten des Motors i. S. des § 23 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 StVO, so dass nur das händische Ausschalten des Motors das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO suspendiert (vgl. Senat ZfSch 2018, 649 [m. Anm. Krenberger]; OLG Köln DAR 2019, 398; König in Hentschel/König/Dauer, StVR 47. Aufl., § 23 StVG Rn. 30b).
Diese Rüge ist, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer dem Betroffenen bekannten Zuschrift ausgeführt hat, schon nicht zulässig erhoben (§§ 79 Abs. 3 OWiG; 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Namentlich fehlt es an der Mitteilung, was der Betroffene auf die von ihm vermisste Frage nach der Art der Motorabschaltung gesagt hätte. Allerdings wäre auch im Falle pflichtwidrig unterbliebener Sachaufklärung nicht erkennbar, unter welchem Gesichtspunkt des § 80 Abs. 1 OWiG die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst sein könnte.
Die Sachrüge lässt von vornherein keinen Zulassungsgrund erkennen. Die Beweiswürdigung ist in der Regel und so auch hier nicht abstraktionsfähig, so dass selbst im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit kein Zulassungsgrund bestünde. Informatorisch teilt der Senat mit, dass die Schlussfolgerung des Amtsgerichts, der Betroffene habe den Motor nicht händisch ausgeschaltet, möglich und nachvollziehbar ist. Zwingend braucht sie nicht zu sein (ständige Rspr. des BGH, vgl. nur BGH NStZ-RR 2021, 103; Senat NJ 2017, 346).
In seinem Schriftsatz vom 22. August 2024 stützt die Verteidigung die Rechtsbeschwerde noch darauf, das Tatgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen. Hierbei verkennt sie, dass die Zulassungsgründe in § 80 OWiG abschließend geregelt sind. Eine extensive Auslegung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verbietet sich ebenso wie eine analoge Anwendung der Vorschrift auf vom Wortlaut nicht umfasste sonstige Rechts- bzw. Verfahrensverstöße, etwa in Bezug auf die in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten grundrechtsgleichen Rechte (vgl. Senat NZV 2023, 128 mit zustimmender Anm. Nowrousia; VRS 134, 48; ZfSch 2018, 472 m. Anm. Krenberger [= StraFo 2018, 383 = NJW-Spezial 2018, 491]; ZfSch 2021, 288 sowie Beschlüsse vom 2. April 2019 [BeckRS 2019, 12070], vom 3. Juni 2021 [BeckRS 2021, 12946], vom 10. Januar 2022 [BeckRS 2022, 1840], vom 2. Januar 2023 [BeckRS 2023, 5550] und vom 1. Februar 2023 [BeckRS 2023, 5145] jeweils m. w. N.).
Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§§ 46 Abs. 1
OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).