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Als Elefantenrennen wird das Überholen eines LKW durch einen anderen LKW auf der Autobahn mit geringer Geschwindigkeitsdifferenz bezeichnet. Solche Überholmanöver blockieren die linke Fahrspur der Autobahn für längere Zeit und sollen daher möglichst unterbleiben.

§ 5 Abs. 2 S. 2 StVO sieht vor, dass nur überholen darf, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der Überholte fährt. Der Bußgeldkatalog sieht für ein Überholen mit zu geringer Differenzgeschwindigkeit ein Bußgeld von 80,00 € und einen Punkt im Fahreignungsregister vor.

Eine Mindestdifferenzgeschwindigkeit sieht die Vorschrift nicht vor, als Richtwert kann 10 km/h angenommen werden. Das Oberlandesgericht Hamm stellt auf die Dauer des Überholvorgangs ab. Ein Überholvorgang soll nach Auffassung des Gerichts nicht länger als 45 Sekunden dauern. Es kommt aber in jedem Fall darauf an, ob der Verkehr durch den Überholvorgang konkret behindert wird. Überholen zu verkehrsarmer Zeit (nachts) oder auf mehr als zweispurigen Autobahnen fällt daher nicht unter den Bußgeldtatbestand.

Im einzelnen führt das Gericht aus:

„Sinn und Zweck der Vorschrift des § 5 Abs. 2 S. 2 StVO ist es, eine Behinderung des übrigen Verkehrs durch lang andauernde Überholvorgänge zu vermeiden (vgl. BayObLG, VRS 15, 302 m. w. N.). Dies gilt insbesondere für Überholvorgänge durch bzw. von Lkw auf zweispurigen Autobahnen. Dabei darf nach Auffassung des Senats bei der Bestimmung der wesentlich höheren Geschwindigkeit nicht einseitig das Interesse der am schnellen Fortkommen interessierten Pkw-Fahrer im Vordergrund stehen mit der Folge, dass das Erfordernis nach einer zu großen Geschwindigkeitsdifferenz einem faktischen Überholverbot für Lkw auf zweispurigen Autobahnen gleich kommt. Sollte insoweit ein politischer Wille vorhanden sein, ist der Gesetzgeber zu einer eindeutigen und klaren Regelung, die auch der einfachen Kontroll- und Ahndungsmöglichkeit durch die Polizei förderlich ist, aufgerufen.

Es gilt daher im Rahmen des § 5 Abs. 2 S. 2 StVO eine sowohl für Lkw- als auch für Pkw-Fahrer zumutbare und für Verkehrsüberwachungsmaßnahmen praktikable Lösung zu finden. Danach bleibt als wesentliche Voraussetzung festzuhalten, dass eine Ahndung nach § 5 Abs. 2 S. 2 StVO unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Regelung nur dann in Betracht kommt, wenn der Verkehrsfluss durch einen Lkw-Überholvorgang unangemessen behindert wird. Das ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn sich ein solcher Vorgang zu verkehrsarmer Zeit auf einer dreispurigen Autobahn abspielt, und der schnellere Pkw-Verkehr ohne weiteres auf die dritte (äußere linke) Spur ausweichen kann. Gleiches kann für eine ansonsten leere zweispurige Autobahn gelten. Ahndungswürdig ist ein Überholen von/durch Lkw (sog. „Elefantenrennen“) jedoch dann, wenn ein solcher Vorgang wegen zu geringer Differenzgeschwindigkeit eine unangemessene Zeitspanne in Anspruch nimmt und der schnellere Pkw-Verkehr nicht nur kurzfristig behindert wird. Als Faustregel für einen noch regelkonformen Überholvorgang geht der Senat von einer Dauer von maximal 45 Sekunden aus. Unter Berücksichtigung der Länge eines zu überholenden Fahrzeugs von knapp 25 m und den vor und nach dem Überholen vorgeschriebenen Sicherheitsabständen von jeweils 50 m gem. § 4 Abs. 3 StVO entspräche dies einer Geschwindigkeit von 80 km/h für das überholende und einer solchen von 70 km/h für das zu überholende Fahrzeug.

Der Senat ist sich dessen bewusst, dass mit dieser Faustregel den unterschiedlichen Interessen der Verkehrsteilnehmer und der Vielzahl denkbarer Verkehrssituationen (z. B. Überholen mehrerer Lkw durch mehrere Lkw) nicht immer hinreichend Rechnung getragen werden kann. Die Regelung des § 5 Abs. 2 S. 2 StVO ist nicht geeignet, jegliche Behinderung des schnelleren Verkehrs durch Lkw-Überholvorgänge auszuschließen. Überholvorgänge auf zweispurigen Autobahnen, die bei einer Dauer von mehr als 45 Sekunden bzw. einer Differenzgeschwindigkeit von unter 10 km/h zu einer deutlichen Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führen, unterliegen jedoch nach dieser Vorschrift einer bußgeldrechtlichen Ahndung.“

OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.08, 4 Ss OWi 629/08