Ein Bußgeldverfahren beginnt in der Regel mit dem sogenannten Vorverfahren – ein zentraler Abschnitt im Ordnungswidrigkeitenrecht, der maßgeblich darüber entscheidet, ob es zu einem Bußgeldbescheid kommt oder ob das Verfahren eingestellt wird. Doch was genau passiert im Vorverfahren, welche Rechte hat der Betroffene und wie unterscheidet sich das Bußgeldverfahren vom Strafverfahren?
Was ist eine Ordnungswidrigkeit?
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Ordnungswidrigkeiten sind gesetzliche Verstöße, die nicht als so schwerwiegend eingestuft werden, dass sie eine strafrechtliche Sanktion nach sich ziehen. Daher erfolgt keine Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern eine Verhängung einer Geldbuße durch eine Verwaltungsbehörde.
Ziel ist ein vereinfachtes Verfahren mit geringerer Belastung für die Justiz. Zudem bleibt das Ansehen des Betroffenen im Gegensatz zum Strafverfahren unbeeinträchtigt, da keine Eintragung im Bundeszentralregister erfolgt – eine häufig unterschätzte Konsequenz strafrechtlicher Verurteilungen.
Ablauf des Vorverfahrens im Bußgeldverfahren
Das Vorverfahren ist in den §§ 53 bis 64 OWiG geregelt und vergleichbar mit dem Ermittlungsverfahren im Strafrecht (§§ 158 ff. StPO). Die zuständige Verwaltungsbehörde – etwa die Bußgeldstelle der Stadt oder Gemeinde – ermittelt von Amts wegen, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Dabei wird der Sachverhalt geprüft, Beweise gesammelt und bewertet.
Mögliche Maßnahmen der Behörde:
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Einholung von Zeugenaussagen
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Verwertung technischer Beweismittel (z. B. Blitzerfotos)
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Anforderung von Stellungnahmen
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Versand eines Anhörungsbogens an den Betroffenen
Anhörung im Vorverfahren – reagieren oder schweigen?
Erhält der Betroffene einen Anhörungsbogen, wird ihm die Möglichkeit gegeben, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Dabei gilt:
Keine Pflicht zur Aussage! – Der Betroffene hat das Recht, zur Sache zu schweigen. Dieses Aussageverweigerungsrecht ist gesetzlich geschützt und kann später nicht negativ gewertet werden.
Welche Beweise sind im Vorverfahren zulässig?
Im Bußgeldverfahren gelten weitgehend die Regelungen der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere in Bezug auf Beweismittel und Beweisverwertungsverbote.
Zulässige Beweismittel:
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Zeugenaussagen (auch vom Hörensagen)
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Sachverständigengutachten
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Urkunden
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Augenschein (z. B. Fotoauswertung)
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Einlassung des Betroffenen
Opportunitätsprinzip: Ermessensspielraum der Behörde
Ein wesentlicher Unterschied zum Strafverfahren besteht im geltenden Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG). Die Verwaltungsbehörde muss ein Verfahren nicht zwingend weiterverfolgen, sondern kann es einstellen, wenn:
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die Schuld als gering anzusehen ist
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kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht
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ein sonstiger sachlicher Grund vorliegt
Im Strafrecht hingegen gilt grundsätzlich das Legalitätsprinzip: Die Strafverfolgung ist bei hinreichendem Tatverdacht verpflichtend – Ausnahmen gelten nur in gesetzlich geregelten Fällen.
Mögliche Verfahrensausgänge im Vorverfahren
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Verwarnung mit Verwarnungsgeld
Bei geringfügigen Verstößen kann eine Verwarnung ausgesprochen werden – mit oder ohne Verwarnungsgeld. -
Einstellung des Verfahrens
Bei fehlender Schuld, unklarer Beweislage oder aus Opportunitätsgründen kann das Verfahren eingestellt werden. -
Erlass eines Bußgeldbescheids
Führt das Vorverfahren zur Feststellung einer Ordnungswidrigkeit, wird ein Bußgeldbescheid erlassen – mit Geldbuße, ggf. Punkten in Flensburg oder Fahrverbot.
Gerichtliche Kontrolle bei Einspruch
Akzeptiert der Betroffene den Bußgeldbescheid nicht, kann er innerhalb von 14 Tagen Einspruch einlegen. Dann erfolgt eine gerichtliche Überprüfung des Bescheids – meist vor dem zuständigen Amtsgericht.
Das Vorverfahren in Bußgeldsachen ist der entscheidende Abschnitt, in dem die Weichen für den weiteren Verlauf gestellt werden. Durch geschickte Verteidigung und rechtzeitige anwaltliche Beratung können Verfahrensfehler erkannt, unnötige Sanktionen verhindert und in vielen Fällen die Einstellung des Verfahrens erreicht werden.