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Das Urteil des Amtsgerichts in Bußgeldsachen: Mögliche Ausgänge, Rechtsfolgen und Anforderungen an die Urteilsgründe

Urteil des Amtsgerichts

Im Ordnungswidrigkeitenverfahren stellt das Urteil des Amtsgerichts den zentralen Abschluss der ersten gerichtlichen Instanz dar. Gerade im Verkehrsrecht, wo Bußgeldbescheide alltäglich sind, kommt dem amtsgerichtlichen Urteil erhebliche Bedeutung zu.


Mögliche Urteilsformen in Bußgeldsachen

Nach durchgeführter Hauptverhandlung gibt es drei wesentliche Möglichkeiten, wie das Urteil des Amtsgerichts in Bußgeldsachen ausfallen kann:

  1. Freispruch des Betroffenen: Der Betroffene wird von dem Vorwurf der Ordnungswidrigkeit freigesprochen. Dies ist in der Praxis vor allem dann der Fall, wenn sich herausstellt, dass der Betroffene die Ordnungswidrigkeit nicht begangen hat, z.B. weil die Bußgeldbehörde die falsche Person als Täter adressiert hat.
  2. Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit: Wird der Betroffene verurteilt, legt das Gericht eine Geldbuße und gegebenenfalls Nebenfolgen wie ein Fahrverbot fest. Die gerichtliche Entscheidung kann dabei sowohl günstiger als auch ungünstiger als der Bußgeldbescheid ausfallen. Das Gericht ist an die Festlegungen der Verwaltungsbehörde nicht gebunden.
  3. Verwerfung des Einspruchs: Erscheint der Betroffene zur Hauptverhandlung unentschuldigt nicht und war er auch nicht vom persönlichen Erscheinen entbunden, kann das Gericht den Einspruch gemäß §74 Abs. 2 OWiG verwerfen. Der Bußgeldbescheid wird damit rechtskräftig.

Kostenentscheidung im Urteil

Neben der Sachentscheidung trifft das Gericht auch eine Kostenentscheidung. Je nach Ausgang des Verfahrens trägt entweder der Betroffene oder die Staatskasse die Kosten und notwendigen Auslagen.


Bekanntgabe und Zustellung des Urteils

Unabhängig davon, ob der Betroffene anwesend ist, wird die Urteilsformel im Sitzungssaal verlesen. Das vollständige schriftliche Urteil mit Begründung wird dem Betroffenen in der Folgezeit per Post zugestellt. Ist das Urteil mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar, enthält es eine Belehrung über die einzuhaltenden Fristen und Formalien. Andernfalls wird es rechtskräftig. War der Betroffene oder sein Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend, läuft die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde (eine Woche) ab diesem Zeitpunkt, ansonsten ab Zustellung des Urteils.


Mindestanforderungen an die Urteilsgründe

Auch wenn Bußgeldverfahren summarisch ausgestaltet sind, gelten bestimmte Mindestanforderungen an die Begründung des Urteils. Diese sind in §71 OWiG i.V.m. §267 Abs. 1 und 3 StPO geregelt. Die Urteilsgründe müssen so abgefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung sachlich-rechtlich überprüfen kann. Insbesondere müssen sie erkennen lassen:

  • Welche Tatsachen das Amtsgericht zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen festgestellt hat,
  • Welche Erwägungen der Bemessung der Geldbuße sowie der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen,
  • Wie die Beweiswürdigung erfolgte.

Ein besonders deutliches Beispiel für unzureichende Urteilsgründe liefert der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BeckRS 2023, 5132). Dort wurde das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben, weil es keinerlei konkrete Feststellungen zum Verhalten des Betroffenen enthielt und damit den Anforderungen an die Urteilsbegründung nicht gerecht wurde. Das Rechtsbeschwerdegericht betonte, dass auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die Überprüfung der Rechtsanwendung bilden und deshalb nachvollziehbar, widerspruchsfrei und vollständig sein müssen.


Darstellungsmängel in Bußgeldurteilen

Besondere Bedeutung kommt in der Rechtsmittelinstanz der sogenannten Darstellungsprüfung zu. Diese dient der Feststellung, ob die Urteilsgründe überhaupt eine tragfähige Grundlage für die rechtliche Subsumtion bieten. Wie immer, ist es auch hier essenziell, den juristischen Maßstab herauszuarbeiten.

Ein Darstellungsmangel liegt nach §337 StPO dann vor, wenn die Urteilsfeststellungen bereits keine tragfähige Grundlage für die Anwendung des sachlichen Rechts darstellen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn:

  • die Feststellungen lückenhaft,
  • widersprüchlich,
  • ersichtlich unvollständig sind oder
  • gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstoßen.

Ein Urteil, das an solchen Mängeln leidet, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Bestand haben. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seiner Entscheidung aus 2023 klargestellt, dass das Amtsgericht nicht pauschal auf den Inhalt eines Bußgeldbescheids verweisen darf. Vielmehr müssen konkrete Feststellungen zum Verhalten des Betroffenen und etwaig unterlassene Handlungsmöglichkeiten im Urteil benannt werden.