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Sachrüge in der Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren – Bedeutung, Voraussetzungen und typische Fehlerquellen

Symbolbild Rechtsbeschwerde

Die Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren ist ein zentrales Rechtsmittel zur Überprüfung von Entscheidungen in Ordnungswidrigkeitssachen. Eine der beiden möglichen Rügearten, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde erhoben werden können, ist die Sachrüge. Dieser Beitrag erklärt umfassend, was die Sachrüge ist, welche Voraussetzungen sie erfüllen muss und worauf Betroffene und ihre Verteidiger besonders achten sollten – stets mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung und unter Berücksichtigung praktischer Anwendungsprobleme.


Was ist eine Sachrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren?

Mit der Sachrüge wird im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragen, das Erstgericht habe das materielle Recht auf den vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt. Im Gegensatz zur Verfahrensrüge, die konkrete Verfahrensfehler rügen muss und dabei strenge Begründungsanforderungen kennt, ist die Sachrüge weniger formalisiert und somit für den Beschwerdeführer leichter zu handhaben.


Form und Inhalt – Wie wird eine Sachrüge ordnungsgemäß erhoben?

Die Anforderungen an die Erhebung der Sachrüge sind denkbar niedrig:
Es genügt bereits die schlichte Formulierung wie:

  • „Ich rüge die Verletzung des sachlichen Rechts.“

  • „Ich erhebe die allgemeine Sachrüge.“

Wichtig ist, dass die Sachrüge innerhalb der Begründungsfrist der Rechtsbeschwerde erhoben wird und den formellen Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 2 StPO genügt. Das bedeutet: Die Rechtsbeschwerdebegründung – und damit auch die Sachrüge – muss durch einen Verteidiger oder einen vom Betroffenen beauftragten Rechtsanwalt schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts abgegeben werden, dessen Entscheidung angefochten wird.


Was prüft das Rechtsbeschwerdegericht bei einer Sachrüge?

Auf eine ordnungsgemäß erhobene Sachrüge prüft das Rechtsbeschwerdegericht das Urteil oder den Beschluss des Erstgerichts umfassend auf materielle Rechtsfehler. Dabei stützt sich das Gericht ausschließlich auf die schriftlichen Urteilsgründe – insbesondere auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen rechtliche Würdigung.

Nicht geprüft wird hingegen, ob sich der Sachverhalt möglicherweise anders zugetragen hat. Die Tatsachenfeststellung obliegt allein dem Amtsgericht. Das bedeutet:
Es kann nicht erfolgreich mit der Sachrüge geltend gemacht werden, der Sachverhalt sei unzutreffend festgestellt worden oder das Amtsgericht habe die Beweise falsch gewürdigt.

Ein solcher Vortrag kann sogar die Wirksamkeit der Sachrüge gefährden, da er erkennen lässt, dass es dem Beschwerdeführer nicht um die Prüfung rechtlicher Fragen, sondern um eine neue Tatsachenbewertung geht. Dies hat beispielsweise das OLG Hamm mit Beschluss vom 20.05.2008 klargestellt.


Was kann mit der Sachrüge erfolgreich beanstandet werden?

Trotz der beschriebenen Einschränkungen können mit einer Sachrüge folgende Punkte erfolgreich angegriffen werden:

  • Fehlerhafte Subsumtion unter die einschlägigen Rechtsnormen

  • Nichtanwendung oder falsche Anwendung von materiellen Rechtsvorschriften

  • Darstellungsmängel im Urteil, insbesondere:

    • Widersprüche

    • Unklarheiten

    • Verstöße gegen Denkgesetze

Sofern das Urteil z. B. keine nachvollziehbare Trennung zwischen Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung und Rechtsfolgenzumessung enthält oder unübersichtlich und lückenhaft ist, kann dies im Rahmen der Sachrüge mit einer sogenannten Darstellungsrüge beanstandet werden.


Warum ist eine inhaltliche Auseinandersetzung dennoch sinnvoll?

Auch wenn der Beschwerdeführer nicht verpflichtet ist, im Rahmen der Sachrüge näher auszuführen, warum er das Urteil für fehlerhaft hält, ist eine inhaltliche Argumentation in der Praxis oft ratsam. Durch gezielte Hinweise auf mögliche Rechtsfehler oder logische Brüche in der Urteilsbegründung kann das Rechtsbeschwerdegericht gezielt auf mögliche Fehlerquellen hingewiesen werden.

Zudem wird durch eine substantiierte Begründung vermieden, dass die Sachrüge – etwa bei einem Übergewicht an Tatsachenvortrag – als unzulässig angesehen wird.

Die Sachrüge ist ein effektives Instrument, um materiell-rechtliche Fehler im Urteil eines Amtsgerichts im Bußgeldverfahren zu überprüfen. Sie ist leicht zu erheben, setzt keine detaillierte Begründung voraus, muss jedoch formgerecht über einen Anwalt erfolgen oder auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, dessen Urteil angefochten wird, zu Protokoll gegeben werden.

Gleichzeitig erfordert sie juristische Präzision: Fehlerhafte Tatsachenvorträge oder unzulässige Beweiswürdigungskritik können ihre Wirksamkeit gefährden. Für eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde empfiehlt sich daher stets eine qualifizierte anwaltliche Beratung.


Häufige Fragen zur Sachrüge in der Rechtsbeschwerde:

Wann ist eine Sachrüge unzulässig?
Wenn sie ausschließlich auf die Beweiswürdigung oder die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts abzielt.

Kann ich die Sachrüge selbst formulieren?
Ja, allerdings nur zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, dessen Urteil angefochten wird. Ein einfaches Schreiben an das Gericht reicht nicht aus. Üblich ist jedoch, dass sie gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 2 StPO durch einen Anwalt eingereicht wird.

Was passiert, wenn das Rechtsbeschwerdegericht einen Fehler findet?
Dann hebt es das angefochtene Urteil oder den Beschluss auf und verweist die Sache ggf. zurück an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung.