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Der Betroffene muss das Urteil des Amtsgerichts in einer Bußgeldsache nicht in jedem Fall akzeptieren. Wenn man sich als Betroffener gegen ein Bußgeldurteil wehren will, kommt die Einlegung einer sogenannten Rechtsbewerde in Betracht. Diese ist in § 79 ff. OwiG geregelt.

 

1. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde

Die Rechtsbewerde ist ohne weiteres zulässig bei Bußgeldurteilen, in denen ein Bußgeld in Höhe von 250,– EUR oder mehr festgesetzt worden ist oder in denen eine Nebenfolge (also insbesondere ein Fahrverbot) angeordnet worden ist oder in dem der Einspruch als unzulässig (also z.B. wegen Verspätung) verworfen worden ist. Eine Rechtsbeschwerde ist ebenfalls zulässig wenn das Gericht im Beschlussverfahren nach § 72 OwiG entschieden hat, obwohl der Betroffene dieser Vorgehensweise rechtzeitig widersprochen hatte.

Rechtsbeschwerde kann nicht nur durch den Betroffenen, sondern auch durch die Staatsanwaltschaft eingelegt werden. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 OwiG ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn der Betroffene freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als 600,– EUR oder ein Fahrverbot verhängt worden ist oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.

Ist die Rechtsbeschwerde nicht schon von Gesetzes wegen zulässig, kann sie auf Antrag zugelassen werden. In solchen Fällen ist ein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu stellen. Die Zulassung darf nur unter bestimmten Vorausssetzungen erfolgen. Diese sind in § 80 OwiG bestimmt.

2. Frist und Form

Die Rechtsbeschwerde muss binnen einer Woche nach der Verkündung des Urteils eingelegt werden. Wenn der Betroffene bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils. Die Rechtsbeschwerde muss schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden, und zwar bei dem Gericht, das das Bußgeldurteil erlassen hat.

Die Rechtsbeschwerde muss begründet werden, außerdem muß ein bestimmter Antrag gestellt werden, der mit der Rechtsbeschwerde verfolgt werden soll. Für den Antrag und die Begründung gibt es ebenfalls eine Frist. Diese beträgt einen Monat und beginnt mit dem Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels, wenn das Urteil mit Gründen zu diesem Zeitpunkt schon zugestellt war. Meistens ist das begründete Urteil zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht zugestellt, in diesem Fall beginnt die Begründungsfrist erst mit der Zustellung des Urteils. Die Einlegungs- und Begründungsfrist werden somit unterschiedlich berechnet. Wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung in der das Urteil verkündet wurde anwesend war, darf er mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde also nicht warten, bis ihm das Urteil mitsamt den Urteilsgründen in schriftlicher Form vorliegt. Er muss vielmehr binnen einer Woche nach der Verkündung die Rechtsbeschwerde einlegen. Lediglich mit der Begründung der Beschwerde darf gewartet werden bis das begründete Urteil vorliegt.

Nach § 79 III OwiG in Verbindung mit § 345 StPO müssen die Rechtsbeschwerdeanträge und die Begründung schriftlich bei Gericht eingereicht werden. Dieses Begründungsschrift muß von einem Verteidiger oder Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Damit soll den Gerichten die Prüfung grundloser und unverständlicher Beschwerdeanträge erspart bleiben. Für die Begründung der Rechtsbeschwerde gelten außerdem strenge Voraussetzungen, mit denen die Betroffenen selbst im Regelfall nicht vertraut sind.

 

3. Weiteres Verfahren

Das Amtsgericht prüft, ob die wesentlichen Frist- und Formvorschriften eingehalten worden sind. Ist dies nicht der Fall, wird die Rechtsbescherde vom Amtsgericht verworfen. Hiergegen kann ebenfalls ein Rechtsbehelf eingelegt werden.

War die Rechtsbeschwerde form- und fristgemäß eingelegt worden, so leitet das Amtsgericht die Akten weiter an das zuständige Oberlandesgericht, das sodann über die Beschwerde entscheidet. Das Gericht kann die Beschwerde verwerfen (dann wird das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts rechtskräftig) oder das Bußgeldurteil aufheben und die Sache selbst entscheiden oder zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht oder ein anderes Amtsgericht desselben Bundeslandes zurückverweisen.

 

 

4. Wann sollte Rechtsbeschwerde eingelegt werden?

Die Rechtsbeschwerde ist das einzige Rechtsmittel, dass gegen Bußgeldurteile zur Verfügung steht. Wenn sie nicht eingelegt wird, wird das Urteil nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist, also in der Regel eine Woche nach der Urteilsverkündung, rechtskräftig. Ist das Urteil erst einmal rechtskräftig, kann es im Regelfall nicht mehr angefochten werden. Das Gericht ist in solchen Fällen auch nicht verpflichtet, seine Entscheidung noch ausführlich schriftlich zu begründen, § 267 Abs. 4 StPO. Eine ausführliche schriftliche Begründung erfolgt also nur, wenn Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Will man also eine ausführlich schriftlich begründete Entscheidung des Bußgeldgerichts, muss man Rechtsbeschwerde einlegen. Für die Einlegung benötigt man noch keinen Rechtsanwalt, man kann dies schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts, dass das angefochtene Urteil erlassen hat erledigen.

Für ein Rechtsbeschwerdeverfahren fallen Gerichtskosten an. Diese betragen zehn Prozent der Geldbuße, mindestens aber 40 €, wenn das Rechtsbeschwerdegericht – also das Oberlandesgericht – keine Sachentscheidung treffen muss. Muss es eine Sachentscheidung treffen, verdoppeln sich diese Gebühren.

Wenn man das mit Gründen versehene Urteil des Amtsgerichts erhalten hat sollte überprüft werden, ob das Amtsgericht den Mindestanforderungen an die Begründung des Urteils nachgekommen ist. Hierzu gibt es zu den einzelnen relevanten Themenbereichen verschiedene, durch die Rechtsprechung entwickelte Anforderungen (s. beispielsweise die Anforderungen an die Identifizierung des Betroffenen anhand von Lichtbildern). Bestehen bereits an der ordnungsgemäßen Begründung des Urteils Zweifel, kann es sinnvoll sein, die Rechtsbeschwerde allein aus diesem Grunde weiter zu betreiben und eine Aufhebung des Urteils bereits wegen dieses Begründungsmangels anzustreben. Hebt das Rechtsbeschwerdegericht das Urteil auf und verweist es die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück, so kann z.B. die Ausgangslage bezüglich der Verhängung eines Fahrverbots wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufs inzwischen deutlich günstiger sein. Wenn seit der Tat bereits ein längerer Zeitraum vergangen ist und der Verkehrsteilnehmer in der Zwischenzeit nicht mehr verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann ein Absehen vom Fahrverbot gegebenenfalls eher zu vertreten sein, als wenn die Tat erst kurze Zeit zurückliegt.

In jedem Fall sollte nach Erhalt des schriftlich begründeten Urteils entschieden werden, ob dieses so akzeptiert werden soll, dann sollte die Rechtsbeschwerde zurückgenommen werden, oder ob das Rechtsbeschwerdeverfahren weiter betrieben werden soll, dann muss innerhalb der Begründungsfrist eine den Erfordernissen des § 79 OwiG genügende Rechtsbeschwerdebegründung durch einen Rechtsanwalt oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingereicht werden.

 


Rechtsprechung:

 

OLG Celle – Beschluss vom 01.06.12: Eine Aufhebung eines Bußgeldurteils wegen Verletzung der der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens setzt voraus, dass das Gericht diese Verletzung zu verantworten hat. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich tatsächlich jemand vom Besuch der Sitzung hat abhalten lassen

 

OLG Hamm – Beschluss vom 19.08.08: Die Rechtsbeschwerde kann auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden. Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist jedoch nur wirksam, wenn in der tatrichterlichen Entscheidung hinreichende Feststellungen für die vom Rechtsbeschwerdegericht zu treffende Entscheidung über die Rechtsfolgen getroffen werden.