Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist ein wichtiger Bestandteil der Verteidigung gegen Bußgeldbescheide. Die Vorschrift lautet:
§ 62 Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde
(1) Gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, können der Betroffene und andere Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, gerichtliche Entscheidung beantragen. Dies gilt nicht für Maßnahmen, die nur zur Vorbereitung der Entscheidung, ob ein Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren eingestellt wird, getroffen werden und keine selbständige Bedeutung haben.
(2) Über den Antrag entscheidet das nach § 68 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309 und 311a der Strafprozeßordnung sowie die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gelten sinngemäß. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
Der Paragraph bietet eine Möglichkeit, gerichtlich gegen Verfahrensmängel vorzugehen, insbesondere wenn die Bußgeldbehörde Unterlagen zurückhält, die für die Verteidigung von wesentlicher Bedeutung sind. In diesem Kontext gewinnt die Einsicht in Messprotokolle, Bedienungsanleitungen von Messgeräten oder Schulungsnachweise von Messbeamten eine erhebliche Bedeutung.
- Die Problematik der Zurückhaltung wesentlicher Unterlagen durch die Bußgeldbehörde
In der Praxis zeigt sich, dass Bußgeldbehörden nicht immer bereit sind, alle für die Verteidigung wesentlichen Unterlagen freiwillig herauszugeben. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht der Verteidigung dar. Verteidiger sind darauf angewiesen, sämtliche relevanten Informationen zu erhalten, um die Ordnungsmäßigkeit der Messung überprüfen zu können.
Zu den begehrten Unterlagen gehören unter anderem:
- Messprotokolle: Dokumentieren den Ablauf und die Ergebnisse der Messung.
- Bedienungsanleitungen der eingesetzten Messgeräte: Diese sind von Bedeutung, um zu überprüfen, ob die Messung vorschriftsgemäß durchgeführt wurde.
- Schulungsnachweise der Beamten: Nur ordnungsgemäß geschulte Beamte sind befugt, Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen.
- gesamte Meßserien
- Lebensakten von Meßgeräten.
- Die Rolle von § 62 OWiG
§ 62 OWiG regelt die gerichtliche Entscheidung über Verfahrenshandlungen, die nicht der Anklageerhebung oder der Sachentscheidung dienen. In der Verteidigung gegen verkehrsrechtliche Bußgeldbescheide wird diese Vorschrift oft herangezogen, wenn es um die Einsicht in zurückgehaltene Unterlagen geht. Da die Bußgeldbehörde nicht immer vollständige Akteneinsicht gewährt, muss die Verteidigung über das Gericht eine Entscheidung herbeiführen.
Die gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG ist in Fällen der verweigerten Akteneinsicht ein wichtiges Mittel für die Verteidigung, um den Zugang zu den notwendigen Unterlagen zu erzwingen. Das Gericht muss dabei prüfen, ob die angeforderten Unterlagen tatsächlich für die Verteidigung relevant sind und ob deren Herausgabe gerechtfertigt ist. Diese Entscheidung kann sowohl für als auch gegen die Verteidigung ausfallen. Allerdings hat die Verteidigung mit § 62 OWiG ein prozessuales Mittel, um die Behörden zur Offenlegung zu zwingen, was eine wesentliche Voraussetzung für eine gerechte Verfahrensführung darstellt.
- Recht auf Akteneinsicht und fairer Prozess
Das Recht auf Akteneinsicht ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Verteidigung muss in die Lage versetzt werden, alle Beweismittel zu überprüfen und gegebenenfalls zu widerlegen. Die Zurückhaltung von Unterlagen durch die Bußgeldbehörde kann dieses Recht empfindlich beeinträchtigen.
Gerade in verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, in denen technische Geräte und deren korrekte Bedienung im Mittelpunkt stehen, ist die vollständige Einsichtnahme in alle relevanten Dokumente unabdingbar. Die Messgeräte, die bei der Verkehrsüberwachung eingesetzt werden, arbeiten oft auf der Grundlage komplexer technischer Systeme. Die Verteidigung kann nur dann überprüfen, ob die Messung korrekt durchgeführt wurde, wenn sie Zugang zu den Bedienungsanleitungen und Protokollen hat.
- Probleme in der Praxis: Die Zurückhaltung von Rohmessdaten und Bedienungsanleitungen
Trotz der rechtlichen Vorgaben kommt es in der Praxis häufig vor, dass die Bußgeldbehörden die Herausgabe von Rohmessdaten oder Bedienungsanleitungen verweigern. Eine gängige Begründung ist der Verweis auf Betriebsgeheimnisse der Hersteller der Messgeräte.
In solchen Fällen hat die Verteidigung die Möglichkeit, über § 62 OWiG eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Hierbei muss das Gericht abwägen, ob das Interesse des Betroffenen an einem fairen Verfahren höher zu gewichten ist als das Interesse des Herstellers an der Geheimhaltung seiner technischen Informationen. In der Rechtsprechung wird zunehmend anerkannt, dass die Verteidigung ein berechtigtes Interesse daran hat, sämtliche relevanten Unterlagen einsehen zu können.
- Verteidigungsstrategien im Zusammenhang mit § 62 OWiG
Die Verteidigung muss in Fällen, in denen die Bußgeldbehörde wesentliche Unterlagen nicht herausgibt, strategisch vorgehen. Ein erster Schritt besteht darin, einen umfassenden Akteneinsichtsantrag zu stellen und genau aufzulisten, welche Unterlagen benötigt werden. Sollte die Bußgeldbehörde die Herausgabe verweigern, ist der nächste Schritt die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 62 OWiG.
Wichtig ist, dass der Antrag gut begründet wird. Die Verteidigung muss darlegen, warum die angeforderten Unterlagen für das Verfahren von entscheidender Bedeutung sind. Hierbei spielt die technische Komplexität der Messgeräte eine Rolle, die eine genaue Prüfung der Messung oft nur dann zulässt, wenn sämtliche Protokolle und Rohdaten vorliegen.
Darüber hinaus sollte die Verteidigung auf die Bedeutung des Rechts auf ein faires Verfahren hinweisen und argumentieren, dass eine Zurückhaltung der Unterlagen dieses Recht erheblich beeinträchtigt. In der Argumentation kann auch auf vergleichbare Fälle und Entscheidungen in der Rechtsprechung verwiesen werden, um die eigene Position zu stärken.
Die gerichtliche Entscheidung ergeht durch Beschluss (Beispiel: Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 28.06.2012). Eine gerichtliche Entscheidung nach § 62 OwiG ist nur im Verfahren vor der Bußgeldbehörde möglich, nicht mehr nach Abgabe des Verfahrens zur Entscheidung an das zuständige Amtsgericht.
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