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Dr. Dieter Heskamp

Rechtsanwalt

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OLG Hamm - Beschluss vom 15.06.12

Zum Inhalt der Entscheidung: An der Erkennbarkeit der Wirkung von Cannabis kann es fehlen, wenn der analytische Grenzwert (1,0 ng/ml) nur gering überschritten wird und zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Jedenfalls bei einem knapp einen Tag zurückliegenden Einnah­mezeitpunkt bedarf es näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Um­stände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Ha­schischkonsum nach diesem Zeitablauf noch hätte Auswirkungen haben kön­nen

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 15. Juni 2012

III-2 RBs 50/12

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht Iserlohn hat durch Urteil vom 19. Januar 2012 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis eine Geldbuße von 500,00 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

„Am 15.06.2011 gegen 16.35 Uhr befuhr der Betroffene mit einem Kleinkraftrad der Marke Piaggio, Kennzeichen (...) die G(...)straße in Iserlohn. Als er die Polizeibeamten L(...). und H(...). bemerkte, die Verkehrskontrollen durchführten, verhielt er sich nervös und schaute sich ein paar Mal um. Er wurde daraufhin angehalten und überprüft. Dabei wurde festgestellt durch die Beamten, dass seine Pupillen stark erweitert waren, und dass er unruhig war und zitterte.

Der Betroffene wurde daraufhin aufgefordert, mit zur Wache zu kommen, sein Fahrzeug ließ er am Anhalteort zurück. Auf der Wache war ein freiwillig durchgeführter Drogenvortest positiv. Es sollte deshalb eine Blutentnahme zwecks möglicher Feststellung von berauschenden Mitteln erfolgen. Nach län­gerem Überlegen war der Betroffene damit einverstanden und unterschrieb eine entsprechende Einwiligungserklärung.

Die Blutprobe erfolgte sodann durch Frau (...), praktische Ärztin in Iserlohn, und zwar gegen 17.20 Uhr.

Der Ärztin gegenüber machte der Betroffene keine Angaben bezüglich der Einnahme von Medikamenten oder Drogen. Sein Gewicht wurde mit ca. 70 kg geschätzt, die Körperlänge wurde mit 178 cm geschätzt.

Der Gang geradeaus war sicher, bei einer plötzlichen Kehrtwendung nach vorherigem Gehen verhielt sich der Betroffene unsicher. Der Drehnystagmus betrug grobschlächtig 5 Sekunden. Die Finger-Finger-Prüfung war sicher, die Finger-Nase-Prüfung war unsicher. Die Sprache war deutlich, die Pupillen wa­ren stark erweitert. Eine Pupillenlichtreaktion fehlte.

Der Denkablauf wurde von der Ärztin mit sprunghaft festgestellt, das Verhalten als abweisend, die Stimmung als gereizt.

Äußerlich schien der Betroffene deutlich unter dem Einfluss von Drogen zu stehen.

Seitens der Ärztin wurde eine extreme motorische Unruhe und eine wech­selnde Stimmung sowie eine verbale Aggressivität festgestellt.

Durch das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Münster wurde sodann am 27.07.2011 ein rechtsmedizinisches Gutachten über die chemisch-toxikologische Untersuchung vom Blut des Betroffenen auf illegale Betäu­bungsmittel und deren Abbauprodukte erstattet, und zwar durch (...) und Frau (...). Das Gutachten kommt zu fol­gendem Ergebnis:

THC 1,8 ng/ml

11-OH-THC 0,9 ng/ml

THC-COOH 46,8 ng/ml.

Weiter kommen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter Cannabiswirkung stand.

Der Betroffene hat sich unwiderlegt dahingehend eingelassen, er habe am 14.06.2011 also einen Tag vor dem Tattag, zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr einen Joint geraucht, abends habe er keine Wirkung mehr gemerkt, am Tattage habe er von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr normal gearbeitet.

Weiter hat er angegeben, bei der Verkehrskontrolle habe er nervös reagiert, da er nicht sicher gewesen sei, ob er möglicherweise zu schnell gefahren sei oder ob sein Fahrzeug technische Mängel aufgewiesen habe.

Letzteres konnte das Gericht nur als Schutzbehauptung ansehen. Wie der Zeuge M glaubhaft bekundet hat, gab es zunächst keinerlei An­haltspunkte für ein Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr, insbe­sondere war auch die Geschwindigkeit nicht zu beanstanden. Letztlich ver­dächtig machte er sich nur aufgrund seines nervösen Verhaltens.

Nach den getroffenen Feststellungen, die auf der Einlassung des Betroffenen, soweit ihr gefolgt werden konnte, der glaubhaften Bekundung des Zeugen (...) sowie dem verlesenen ärztlichen Bericht sowie dem auszugsweise verlesenen Gutachten beruhen, hat sich der Betroffene eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a StVG schuldig gemacht. Er hat unter Wirkung des be­rauschenden Mittels Cannabis (1,8 ng/ml) ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Zwar liegt der festgestellte THC-Wert von 1,8 ng/ml relativ gering über dem analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml. Auch konnte dem Betroffenen zumindest nicht widerlegt werden, dass er am Abend vor dem Tattage keine berauschende Wirkung mehr festgestellt hat und am Tat­tage selbst auch normal gearbeitet hat.

Es ergaben sich aber eindeutige Ausfallerscheinungen, wie ärztlicherseits festgestellt wurde. So war die plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Ge­hen unsicher, der Drehnystagmus grobschlächtig 5 Sekunden und die Finger-Nase-Prüfung unsicher. Außerdem spricht das Verhalten des Betroffenen vor dem Anhalten durch die Polizeibeamten für ein schlechtes Gewissen. An­haltspunkte für technische Mängel an seinem Fahrzeug oder zu schnelles Fahren ergaben sich nicht.

Vor Antritt seiner Fahrt hätte der Betroffene somit zumindest erkennen können und müssen, dass er noch unter dem Einfluss des am Tage zuvor konsu­mierten Cannabis stand.“

Gegen das am 04. Februar 2012 zugestellte vorgenannte Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 20. Januar 2012, mit der unter näheren Ausführungen vom 13. Februar 2012 die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie erkannt beantragt.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 OWiG statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 05. Juni 2012 hierzu u. a. folgendes ausgeführt:

„(…)

Zwar begegnet der Schuldspruch zum objektiven Tatbestand keinen Beden­ken. Jedoch tragen die Feststellungen die Annahme, der Betroffene habe fahrlässig gehandelt, nicht.

Zum objektiven Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG gehört lediglich das Füh­ren eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vor­schrift genannten berauschenden Mittels – hier Cannabis – im Straßenver­kehr. Eine „Wirkung“ im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn eine in der Anlage genannte Substanz, wozu Tetrahydrocannabinol (THC) gehört, im Blut nach­gewiesen wird (§ 24 a Abs. 2 StVG), und zwar in einer Konzentration, die min­destens den analytischen Grenzwert erreicht, der bei THC 1 ng/ml beträgt (zu vgl. BVerfG NJW 2005, 349; OLG Hamm NStZ 2005, 709; Eisenmenger in NZV 2006, 24 – 27 (25)). Der Betroffene hat nach den insoweit nicht zu bean­standenden Feststellungen des Amtsgerichts ein Kleinkraftrad im Straßenver­kehr geführt und hierbei mit den analytischen Grenzwert überschreitenden 1,8 ng/ml THC im Blut unter der Wirkung von Cannabis gestanden.

Die Ausführungen, mit denen der Tatrichter die Annahme unterlegt, der Be­troffene habe den Tatbestand fahrlässig (§§ 24 a Abs. 3 StVG, 10 OWiG) ver­wirklicht, sind indes nicht geeignet, den Schuldspruch in subjektiver Hinsicht zu tragen. Fahrlässiges Handeln i. S. des § 10 OWiG liegt vor, wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähig­keiten verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht – unbe­wusste Fahrlässigkeit – oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten – bewusste Fahrlässigkeit (zu vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 10 Rdnr. 6). Bezogen auf den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglich­keit fortdauernder Wirkung des Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen (zu vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken NZV 2007, 320). Fahrlässig handelt danach, wer in zeitli­cher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und sich dennoch an das Steuer seines Fahrzeugs setzt, ohne sich bewusst zu machen, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert abgebaut ist (zu vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.). Nicht er­forderlich ist, dass sich der Betroffene einen „spürbaren“ oder „messbaren“ Wirkstoffeffekt vorgestellt hat oder zu einer entsprechenden exakten physiolo­gischen und biochemischen Einordnung in der Lage war, zumal ein Kraftfahrer die Unberechenbarkeit von Rauschdrogen in Rechnung zu stellen hat (zu vgl. OLG Saarbrücken, NJW 2007, 309).

Dass der Betroffene hätte erkennen können und müssen, bei Führen des Fahrzeugs noch unter der Wirkung von Cannabis zu stehen, hat das Gericht gemessen an diesen Anforderungen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil die Beweiswürdigung insoweit widersprüchlich ist und belastbare Feststellungen dazu fehlen. An der Erkennbarkeit der Wirkung kann es fehlen, wenn der analytische Grenzwert – wie im vorliegenden Fall – nur gering überschritten wird und zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Fahrt längere Zeit vergeht. Jedenfalls bei einem knapp einen Tag zurückliegenden Einnah­mezeitpunkt bedarf es näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Um­stände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Ha­schischkonsum nach diesem Zeitablauf noch hätte Auswirkungen haben kön­nen (zu vgl. OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2007, 249; OLG Hamm a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.). Das Rechtsbeschwerdegericht hat in diesem Zu­sammenhang zu prüfen, ob die Urteilsgründe rechtlich einwandfrei, d. h. frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrung sind, auch wenn die Überlegungen und Schluss­folgerungen dabei nicht zwingend zu sein brauchen (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rdnr. 26). Es genügt, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Der Tat­richter handelt insoweit nur dann willkürlich, wenn sich seine Schlussfolgerun­gen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rdnr. 38).

Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Widersprüchlich sind bereits die Feststellungen, dass der Betroffene einige Stunden nach dem Dro­genkonsum an dem Abend vor der fraglichen Fahrt keine Wirkung mehr ver­spürt hat, ohne darzulegen, warum der Betroffene, nachdem er – wie vom Ge­richt festgestellt – geschlafen und acht Stunden gearbeitet hatte, etwa einen Tag nach dem Drogenkonsum hätte feststellen können, noch unter  Wirkung von Cannabis zu stehen. Soweit sich das Gericht hierbei auf Ausfallerschei­nungen stützt, widersprechen die insoweit unklaren Urteilsgründen gegen Denkgesetze und allgemeine Lebenserfahrung. Allein aus einer unsicheren „Finger-Nase-Prüfung“ und Unsicherheiten bei spontanem Wenden kann nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Betroffene der möglichen Wirkung der Droge hätte bewusst sein müssen, weil nicht klar ist, ob diese Defizite dem Betroffenen hätten auffallen und er hätte darauf schließen müssen, dass diese auf dem Drogenkonsum beruhen. Fehlerhaft ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Rückschluss des Gerichts von einem fünf Sekunden dau­ernden grobschlächtigen Drehnystagmus auf Ausfallerscheinungen. Ein Nys­tagmus ist eine nicht steuerbare Reaktion, von der unter Umständen auf eine objektiv bestehende Alkoholisierung oder die Wirkung eines Drogenkonsums geschlossen werden kann (zu vgl. OLG Zweibrücken, NZV 1996, 158), nicht aber auch ihre subjektive Erkennbarkeit. Hiervon abgesehen könnte von ei­nem festgestellten fünf Sekunden dauernden grobschlägigen Drehnystagmus auch nicht auf einen Drogenkonsum geschlossen werden, weil dies dem Aus­schlag eines Auges bei einem Nüchternen entspricht (zu vgl. Schwerd,  Rechtsmedizin, S. 110; OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 80 Abs. 6 OWiG) kommt nicht in Betracht, weil der Tatrichter ausreichende Feststellun­gen zur Sache bislang nicht getroffen hat. Das Amtsgericht wird insbesondere mit Hilfe eines Sachverständigen zu klären haben, ob sich weitere Indizien für die Erkennbarkeit der fortdauernden Wirkung des Rauschmittels zum Tatzeit­punkt feststellen lassen. Namentlich bietet sich an zu überprüfen, ob mit Blick auf die festgestellte Hydroxy-THC und THC-Carbonsäurewerte und die vom Gericht festgestellten mit Drogenkonsum typischerweise auftretenden physio­logischen und psychischen Folgen (bzgl. ihres Beweiswertes zu vgl. Be­schluss des OLG Hamm vom 24.01.2007 – 4 Ss 159/07 -) eine zeitnähere als die bisher nach dem Zweifelssatz sich ergebende Rauschmitteleinnahme in Betracht kommt.“

Diesen in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach ei­gener Sachprüfung an.

Da das angefochtene Urteil auf dem aufgezeigten Mangel beruht, war es aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Iserlohn zurückzuverweisen.

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