AG Grimma - Urteil vom 23.09.15

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Zum Inhalt der Entscheidung: Weicht der von einem EDV-System ausgedruckte Bußgeldbescheid von der Bußgeldverfügung der Sachbearbeiterin ab (hier: Bußgeldbescheid wies ein Fahrverbot aus, die Verfügung kein Fahrverbot), so unterbricht die Zustellung des Bußgeldbescheids die Verjährung nicht.

Amtsgericht Grimma

Urteil vom 23.09.2015

9 OWi 153 Js 2088/15

Tenor:

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Aus den Gründen:

Mit Bußgeldbescheid vom 6.11.2014 in Verbindung mit der Vorlageverfügung vom 14.1.2015 legt die Staatsanwaltschaft Leipzig dem Betroffenen zur Last, am 10.8.2014 um 10.41 Uhr in Machern, Leipziger Straße an der stationären Messanlage in Fahrtrichtung Wurzen, als Führer des PKW's mit dem amtlichen Kennzeichen (...) die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 36 km/h überschritten zu haben, was eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, 4 Abs. 1 Bußgeldkatalogverordnung und Nr. 11.3.6 Bußgeldkatalog darstelle.

II.

Das Verfahren ist - gemäß §§ 260 Abs. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG durch Urteil - einzustellen, da ein Verfahrenshindernis besteht, § 31 Abs. 1 OWiG. Denn es ist mit Ablauf des 10.12.2014 Verfolgungsverjährung eingetreten.

1.

Am 11.9.2014 erfolgte die Anhörung des Betroffenen zu dem aus dem Bußgeldbescheid sowie oben I. ersichtlichen Sachverhalt. Unter dem 6.11.2014 verfügte die Sachbearbeiterin der Bußgeldstelle sodann, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen festgestellt hatte, den Erlass eines Bußgeldbescheides mit einer Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR. Die Anordnung eines Fahrverbots ist in dieser von der Sachbearbeiterin handschriftlich unterzeichneten Verfügung nicht enthalten. In dem unter dem 6.11.2014 ausgedruckten, von der Sachbearbeiterin nicht unterschriebenen Bußgeldbescheid ist neben der Festsetzung der Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR auch die Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer von einem Monat enthalten. Die Absendung des so ausgedruckten Bußgeldbescheides sowie des Duplikates hiervon an den Verteidiger bzw. den Betroffenen selbst erfolgte durch eine mit der Sachbearbeiterin nicht identischen Dame in einem sogenannten „Zentralzimmer" der Bußgeldstelle, welches als Poststelle fungiert. Die hier tätige Bedienstete hatte keinerlei Entscheidungsbefugnisse als Sachbearbeiterin und hat lediglich den Versand des Bußgeldbescheides besorgt. Der so zum Versand gebrachte Bußgeldbescheid wurde dem Verteidiger (jedenfalls „äußerlich" scheinbar) am 8.11.2014 zugestellt, während der Betroffene ebenfalls mit einem Begleitschreiben aus dem sogenannten Zentralzimmer das Duplikat des Bescheides formlos übersandt erhielt. Nach Einspruchseinlegung und Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft ging die Akte aufgrund Vorlageverfügung der Staatsanwaltschaft am 15.1.2015 beim Amtsgericht Grimma ein.

2.

Der Sachverhalt zu 1. steht fest auf Grund des in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Anhörungsschreibens BI. 7 der Akte, der in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Verfügung der Sachbearbeiterin Blatt 29 der Akte, der in der Hauptverhandlung aus-zugsweise verlesenen Begleitschreiben Blatt 30 und 31 der Akte, des in der Hauptverhandlung verlesenen Eingangsstempels Blatt 38 Rückseite der Akte und der Gerichtskundigkeit der Organisation des Versandes der Bußgeldbescheide aus anderen Verfahren. Der gesamte Akteninhalt durfte ohnehin im Wege des Freibeweises verwertet werden (Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 57. Aufl., Einleitung Rdnr. 152; § 244 Rd.-Nr. 7).

3.

Aus dem festgestellten Sachverhalt zu 1. ergibt sich der Verjährungseintritt.

a) Die Tat soll am 10.8.2014 begangen worden sein. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 26 Abs. 3 StVG 3 Monate, lief daher zunächst am 9.11.2014 ab.

b) Durch die Anhörung vom 11.9.2014 wurde die Verjährung unterbrochen, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG, so dass sie nunmehr mit Ablauf des 10.12.2014 eintrat.

c) Durch den Erlass des Bußgeldbescheides und den Versuch seiner Zustellung wurde die Verjährung nicht erneut (gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) unterbrochen und auch die Verjährungsfrist nicht (gemäß § 26 Abs. 3 StVG) verlängert, da auch § 26 Abs. 3 StVG eine (wirksame) Zustellung voraussetzt (BGHSt 45, 261 (Rd.Nr.10, 11 bei juris)), die Zustellung aber hier unwirksam war.

Denn die Zustellung ist unwirksam, wenn der Inhalt der dem Erlass des Bußgeldbescheides zugrundeliegenden Verfügung der Sachbearbeiterin mit dem Inhalt des Bußgeldbescheides in so wesentlichen Punkten wie der zu verhängenden Sanktion nicht übereinstimmt (OLG Stuttgart DAR 1998, 29 (Rdnr. 6 bei juris). So liegt es hier, denn in der Verfügung vom 6.11.2014 (BI. 29 d.A) wurde der Erlass eines Bußgeldbescheides mit einer Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR verfügt, wobei von der Anordnung eines Fahrverbots keine Rede ist, wohingegen der Bußgeldbescheid ein solches Fahrverbot enthält. Dies wird auch nicht etwa „repariert" durch die im Nachgang von einer anderen Bediensteten des Landkreises unterzeichneten Begleitschreiben Blatt 30 und Blatt 31. Denn hierbei handelt es sich nicht um Äußerungen der Sachbearbeiterin, sondern diese Begleitschreiben wurden unterzeichnet und hinausgegeben von einer Kraft, die lediglich für die Absendung der Bescheide Sorge zu tragen hatte und über keinerlei Entscheidungsbefugnisse als Sachbearbeiter verfügte. Es verbleibt also beim Auseinanderfallen der Verfügung der Sachbearbeiterin mit dem Inhalt des Bußgeldbescheides.

aa) Zuzugeben ist zwar, dass der vom OLG Stuttgart am angegebenen Ort entschiedene Fall andersherum lag als der hiesige: Dort war das Fahrverbot verfügt, aber nicht ausgedruckt worden, hier war es nicht verfügt, wurde aber ausgedruckt. Strukturell im Hinblick auf den zugrundeliegenden Rechtsgrundsatz (wesentliche Divergenz zwischen in Verfügung zum Ausdruck gekommenem Sanktionswillen der Behörde und im Bußgeldbescheid tatsächlich aufgeführten Sanktionen) kann dies aber keinen Unterschied machen.

bb) Es geht hier auch nicht um die Frage, ob und wie Bußgeldbescheide im EDV-Verfahren erlassen und angefertigt werden können bzw. ob in solchen Verfahren die Entscheidung des Sachbearbeiters aus Rechtsgründen zwingend aktenkundig gemacht werden muss, ob es also der Verfügung Blatt 29 aus Rechtsgründen überhaupt bedurft hätte oder wie sonst der Wille des Sachbearbeiters ermittelt werden muss, wenn keine Verfügung aktenkundig ist. Hier jedenfalls hat die Sachbearbeiterin den Weg der aktenkundigen Mitteilung der von ihr getroffenen und verantworteten Entscheidung gewählt. nenn aber eine solche Verfügung erfolgt, muss der Bußgeldbescheid ihr auch entsprechen, damit die Zustellung wirksam ist, vgl. OLG Stuttgart a.a.O..

cc) Es ist letztlich auch unerheblich, ob der Bußgeldbescheid versehentlich von der Verfügung abweicht oder ob die Sachbearbeiterin bewusst nur die Höhe der Geldbuße verfügt hat, obwohl sie wusste und wollte, dass das EDV-System einen Bußgeldbescheid mit Geldbuße und Fahrverbot ausdrucken würde.

War es ein Versehen, gilt ohne weiteres die Entscheidung des OLG Stuttgart a.a.O.. Bewusst unvollständige Verlautbarungen einer behördlichen Entscheidung, die ohne Not (siehe unten) das weitere Verfahren mit erheblichen Unwägbarkeiten und Zweifeln belasten, kann der Rechtsverkehr aber erst recht nicht hinnehmen. Die Regel über die Unbeachtlichkeit eines geheimen Vorbehalts, nämlich dass die Sachbearbeiterin eigentlich etwas anderes wollte als sie verfügt hat, gilt auch für das öffentliche Recht (RGZ 147, 40; Palandt/Ellenberger, BGB Kommentar, 74. Aufl., § 116 Rdnr. 1).

dd) Die Unwirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheides mag in der Entscheidung des OLG Stuttgart a.a.O. zwar etwas nebensächlich daherkommen, sie liegt aber auf der Linie der herrschenden Meinung (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 51 Rdnr. 6; auch muss im Strafverfahren z.B. die Abschrift des Urteils mit der Urschrift übereinstimmen, ansonsten ist auch hier die Zustellung unwirksam, Karlsruher Kommentar zur StPO/Gericke, 7.Aufl., § 345 Rdnr. 6 mit weiteren Nachweisen).

Dass das Oberlandesgericht Stuttgart und andere von ihm zitierte Entscheidungen nicht auch zum Verjährungseintritt wie im hiesigen Fall kommen, liegt offenbar an der damaligen Fassung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG, die die Zustellung des Bußgeldbescheides nicht voraussetzte.

ee) Eine Heilung der Zustellung, insbesondere nach §§ 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG), 8 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) ist nicht eingetreten, da es nicht nur um Formfehler oder sonstige Verletzungen von Zustellvorschriften geht, sondern um inhaltliche Abweichungen (vgl. zum gleichlautenden § 189 ZPO Zöller/Stöber, ZPO-Kommentar, 30. Aufl., § 189 Rdnr. 1, 7,8,11).

ff) Es besteht auch kein anzuerkennendes praktisches Bedürfnis dafür, derartige unvollständige Verfügungen bzw. die dennoch hinausgegebenen Bußgeldbescheide hinzunehmen. Beruhen sie auf der Eigenart des verwendeten Computerprogramms, mag dieses nachgebessert werden. Bis dahin mag entweder die Verfügung handschriftlich um das Fahrverbot ergänzt oder der Bußgeldbescheid handschriftlich abgezeichnet werden. Der denkbare Einwand, der massenhafte Anfall von Verfahren stehe dem entgegen, verfängt nicht. Er kann zum einen schon per se nicht geltendes Verfahrensrecht außer Kraft setzen, zum anderen werden beispielsweise bei der Landesdirektion Sachsen in Chemnitz, ebenfalls im Massenbetrieb der Verkehrsordnungswidrigkeiten, von fast allen dem Gericht bekannten Sachbearbeitern fast alle Bußgeldbescheide handschriftlich gegengezeichnet, so dass keinerlei Zweifel über das entsteht, was die jeweiligen Sachbearbeiter entschieden oder gewollt haben. Auch die Stadt Grimma verfährt mittlerweile bei ihren Bußgeldbescheiden so. Eine derartige Verfahrensweise ist also offenbar möglich.

Mittlerweile hat auch der Landkreis Leipzig, der hier als Bußgeldbehörde tätig geworden ist, die Gestaltung der Blatt 29 entsprechenden Verfügungen abgeändert, so dass nunmehr auch dort bereits das anzuordnende Fahrverbot (und sogar die vorgesehene Bewertung nach dem Punktesystem) mit ausgedruckt und verfügt werden. Auch die Datenverarbeitung stellte also keine Hürde für vollständige Verfügungen dar.

gg) In der Rechtsbeschwerdebegründung im Parallelverfahren 9 OWi 166 Js 13602/14 meint die Staatsanwaltschaft, die Auffassung des Gerichts zum Eintritt der Verjährung wegen des Auseinanderfallens der Verfügung und des Bußgeldbescheides sei deshalb unrichtig, weil der Bußgeldbescheid trotzdem zur Grundlage für das gerichtliche Verfahren geworden sei; auf die „materielle Wirksamkeit der Zustellung" komme es für die Verjährungsunterbrechung nicht an und nur schwerwiegende Mängel der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen führten zu deren Unwirksamkeit.

Diese Argumente sind unzutreffend.

aaa) Die Staatsanwaltschaft vermischt in unzulässiger Weise die Frage nach der Tauglichkeit des Bußgeldbescheides als Verfahrensgrundlage bzw. einer Nichtigkeit des Bußgeldbescheides mit der Frage der wirksamen Zustellung. Nur auf letztere kommt es hier an. Das Gericht teilt die Auffassung der Staatsanwaltschaft - die auch vom OLG Stuttgart a.a.O. zum Ausdruck gebracht wurde -, wonach trotz des Auseinanderfallens von Verfügung und Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage für das spätere gerichtliche Verfahren vorliegt. In Fällen, in denen trotz unwirksamer Zustellung rechtzeitig andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen getroffen wurden, verfährt auch der erkennende Richter so, dass das Verfahren in der Sache selbst an Hand des (von der Verfügung abweichenden) Bußgeldbescheides weiterbetrieben und die sich letztlich aus dem Gesetz ergebende richtige Rechtsfolge vom Gericht im Urteil ausgesprochen wird. Darum geht es aber, wie gesagt, hier nicht, sondern es geht darum, ob durch wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides am 8.11.2014 eine Verjährungsunterbrechung und Verlängerung der Verjährungsfrist erfolgt ist.

bbb) Die Unterscheidung der Staatsanwaltschaft zwischen einer „materiellen Wirksamkeit der Zustellung" und einer „Zustellung als tatsächlicher Akt im förmlichen Sinne" ist nicht nachvollziehbar. Eine Zustellung kann nur entweder wirksam oder nicht wirksam sein. Ist sie nicht wirksam, erfolgt keine Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG und keine Verlängerung der Verjährungsfrist. Sie ist nicht wirksam, wenn Verfügung und Bußgeldbescheid in wesentlichen Teilen nicht übereinstimmen. Damit ist eigentlich alles gesagt.

ccc) Es ist auch nicht zutreffend, dass es sich bei dem Auseinanderfallen der Rechtsfolgen in der Verfügung und im Bußgeldbescheid nicht um einen schwerwiegenden Mangel handle. Es ist gesicherte herrschende Meinung im Strafprozess- und Bußgeldverfahrensrecht, dass das Auseinanderfallen der Urteilsformel in der Urschrift und in der Ausfertigung bzw. das Auseinanderfallen von Verfügung und Bußgeldbescheid hinsichtlich eines wesentlichen Teils der Entscheidung - wie hier hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs - zur Unwirksamkeit der Zustellung führen (siehe bereits Karlsruher Kommentar zur StPO a.a.O.; Göhler/Seitz a.a.O.).

hh) Die der in diesem Urteil vertretenen Auffassung entgegenstehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 26.03.2015 zu Az.: OLG 21 Ss 122/15 (B) überzeugt nicht.

aaa) Den Ausführungen des OLG Dresden a.a.O. unter 11.1.a) kann zunächst zugestimmt werden. Mit dem im letzten Satz dieses Absatzes vom OLG vorgenommenen Verweis auf § 51 Abs. 1 Satz 2 OWIG ist jedoch für die Beantwortung der Frage der Abweichung einer vorhandenen Verfügung vom Bußgeldbescheid nichts gewonnen. Weder aus § 51 Abs. 1 Satz 2 OWiG noch aus der vom Oberlandesgericht Dresden zitierten Fundstelle (Göhler/Seitz, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Auflage, § 51 Rdnr. 5a) lässt sich entnehmen, was gelten soll, wenn der durch die EDV-Anlage ausgedruckte Bescheid nicht mit dem aktenkundig abweichend dokumentierten Willen der Behörde/der Sachbearbeiterin übereinstimmt. Hierfür verweist Göhler/Seitz vielmehr auf die nächste Randnummer (Rdnr. 6 a.a.O.). Aus dieser ergibt sich: „Ist die Ausfertigung fehlerhaft, d.h. stimmt die Ausfertigung eines Bescheides in wesentlichen Punkten nicht mit der Urschrift überein (z.B. bei einem Bußgeldbescheid: Fehlen der festgesetzten Geldbuße oder einer angeordneten Nebenfolge; unrichtige Angabe des Betrages der Geldbuße), so ist die Zustellung unwirksam (es folgen weitere Nachweise ); dies gilt auch, wenn ein im EDV-Verfahren hergestellter Bescheid (...) von der Verwaltungsbehörde nicht so gewollt ist, wie er ausgedruckt wird, weil er nicht den allein maßgeblichen Inhalt des Bescheides wiedergibt, wie er sich aus der handschriftlichen Verfügung des Sachbearbeiters der Verwaltungsbehörde ergibt (= Urschrift), mit der dieser in den im EDV-Verfahren vorprogrammierten Verfahrensablauf eingegriffen hat."

bbb) Soweit das OLG Dresden unter II.1.b) zunächst darauf hinweist, in den hier in Rede stehenden Fällen sei der Bußgeldbescheid nicht unwirksam, sei darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides nie in Frage gestellt hat, sondern lediglich die wirksame Zustellung des Bescheides; somit ist diesem Satzteil ("weder unwirksam") zuzustimmen; er ist aber überflüssig.

ccc) Auffälligerweise vermag das OLG Dresden für die in den Raum gestellte Auffassung im zweiten Teil dieses Satzes ("noch fehlt es aber auch an einer wirksamen Zustellung des Bescheides") keinerlei Fundstelle als Beleg beizubringen. Aus der bislang zur Verfügung stehenden Literatur und Rechtsprechung ergibt sich das Gegenteil, nämlich die Unwirksamkeit der Zustellung (OLG Stuttgart a.a.O.; Karlsruher Kommentar zum OWiG/Lampe, 4. Auflage, § 51 Rdnr. 19; Göhler/Seitz a.a.O. § 51 Rdnr. 6); mit der zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG Stuttgart geltenden Fassung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG hat dies im Begründungswege gar nichts zu tun (nur die Folgen für die Verjährung waren damals nicht so einschneidend).

ddd) Soweit das OLG Dresden darauf hinweist, bei der vorliegenden Verfügung der Sachbearbeiterin handele es sich gerade nicht um die Urschrift des Bußgeldbescheides, was sich schon daran zeige, dass weder Tatzeit noch Tatort oder Tatvorwurf in der Verfügung näher bezeichnet würden, überzeugt dies nicht. Um welchen Tatvorwurf zu welcher Tatzeit und zu welchem Tatort es geht, ergibt sich hinreichend deutlich aus dem auch in der in Rede stehenden Verfügung oben rechts angegebenen Aktenzeichen und dem dazu ausweislich der Anhörung vom 11.9.2014 gespeicherten Tatvorwurf. Ausweislich Ziffer 1. der Verfügung Blatt 29 hat die Sachbearbeiterin diesen Tatvorwurf lediglich überprüft und offensichtlich daran nichts abgeändert. Worum es in dieser Verfügung geht, ist die Entscheidung über die Rechtsfolgen, die ja mit dieser Verfügung gerade getroffen werden soll, nämlich dass ein Bußgeldbescheid erlassen wird und welche Sanktionen dieser beinhaltet. Es gibt keinerlei logischen, sprachlichen, verfahrenstechnischen oder rechtlichen Grund, warum unter Ziffer 2. so getan wird, als werde dort die Entscheidung über die Rechtsfolgen wiedergegeben, dann aber nur ein Teil dessen dort erscheint, was letztlich im Bußgeldbescheid ausgedruckt wird.

Im Übrigen wird bei Göhler/Seitz § 51 Rdnr. 6 die Verfügung der Sachbearbeiterin eben gerade doch als Entsprechung der Urschrift der Entscheidung bezeichnet.

eee) In den Sätzen ab „Dementsprechend unterbricht ..." unter 11.1.b) der Gründe des o.g. Beschlusses des Oberlandesgerichts Dresden verwickelt sich der Senat denn auch in unentwirrbare Widersprüche:

Zum einen postuliert er, die Verfügung der Verwaltungsbehörde unterbreche im Allgemeinen die Verjährung auch im EDV-Verfahren (!) nur dann, wenn sie inhaltlich den Anforderungen eines Bußgeldbescheides nach § 66 Abs. 1 OWiG genüge (I) (das geht sogar noch weiter als die Ansicht des Amtsgerichts Grimma). „Anderenfalls" würden an eine solche Verfügung aber gerade nicht die inhaltlichen Anforderungen wie an einen Bußgeldbescheid gestellt. Unverständlich bleibt, wie diese beiden (sich ausschließenden) Varianten zueinander stehen und welche von beiden nun unter welchen Voraussetzungen Geltung beansprucht (wann oder wie ist „anderenfalls" ?). Auch hier fällt auf, dass der Senat nur für die erstgenannte Variante, in der er die Anforderungen eines Bußgeldbescheides postuliert, Fundstellen anzuführen in der Lage ist.

fff) Abschließend meint der Senat noch, bei der Verfügung der Sachbearbeiterin handele es sich nur um eine „behördeninterne Anweisung". Insgesamt meint der Senat, mit diesen Ausführungen begründen zu können, die Abweichung der Verfügung von dem Bußgeldbescheid sei kein „schwerer Mangel”.

All dies ist unrichtig.

Die Tatsache, dass es überhaupt eine schriftliche, handschriftlich unterzeichnete Verfügung der Sachbearbeiterin über den Erlass des Bußgeldbescheides gibt, zeigt, dass sie persönlich in den Ablauf des EDV-Verfahrens eingegriffen hat. Maßgebend ist in Fällen der Abweichung der Verfügung vom Bescheid die Verfügung des Sachbearbeiters; es handelt sich um einen groben Fehler der „Ausfertigung", die Zustellung ist unwirksam (OLG Stuttgart a.a.O.; Karlsruher Kommentar zum OWiG/Lampe, 4. Auflage, § 51 Rdnr. 19; Göhler/Seitz a.a.O. § 51 Rdnr. 6).

d) Ist also durch den Bußgeldbescheid die Verjährung nicht erneut unterbrochen worden, verbleibt es beim Ablauf der Verjährungsfrist am 10.12.2014 und damit noch vor Eingang der Akte bei Gericht am 15.1.2015 (der die Verjährung erneut unterbrochen hätte, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG). Weitere Unterbrechungstatbestände sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG, wobei das Gericht es nicht für angemessen gehalten hat, von der Möglichkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen.