OLG Bamberg - Beschluss vom 18.11.15

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Zum Inhalt der Entscheidung: Ein Bußgeldbescheid muss nach § 66 I Nr. 3 OWiG  unter anderem die Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung bezeichnen. Der Bußgeldbescheid soll den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abgrenzen. Erfüllt der Bußgeldbescheid diese Aufgabe nicht, ist das Verfahren einzustellen.

Oberlandesgericht Bamberg

Beschluss vom 18. 11. 2015

3 Ss OWi 1218/15

Aus den Gründen:

I. Die nach § 79 I Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Es besteht ein Verfahrenshindernis, weil der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 unwirksam ist.

1. Ein Bußgeldbescheid muss nach § 66 I Nr. 3 OWiG - ebenso wie der Strafbefehl (§ 409 I 1 StPO), welchem er nachgebildet ist - unter anderem die Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung bezeichnen. Neben der sogenannten Informationsfunktion ist es Aufgabe eines Bußgeldbescheids, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen (sog. Abgrenzungsfunktion). Erfüllt ein Bußgeldbescheid diese Aufgabe nicht, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung (BGHSt 23, 336/338 ff.; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.08.2008 – 3 Ss OWi 896/08 = DAR 2009, 155 = OLGSt OWiG § 66 Nr. 11 m.w.N.). Das Verfahren ist in einem solchen Fall einzustellen (§§ 46 I OWiG, 206a StPO).

2. Seine Abgrenzungsfunktion erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht nur dann, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (BGH und OLG Bamberg a.a.O.; vgl. zuletzt u.a. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.02.2014 – 2 Ss 616/13 = VerkMitt 2014, Nr. 28 = wistra 2014, 285 = VRS 126, 106 [2014] = OLGSt OWiG § 29a Nr. 11; ferner KK/Kurz OWiG 4. Aufl. § 66 Rn. 10, jeweils m.w.N.). Durch welche tatsächlichen Angaben der Tatvorgang hinreichend abgegrenzt wird, lässt sich nicht allgemein sagen, dies ist Sache des Einzelfalls. Die Frage, ob ein Bußgeldbescheid seiner Abgrenzungsfunktion gerecht wird, ist im Gegensatz zur Informationsfunktion allein aus dem Bußgeldbescheid ohne Hilfe anderer Erkenntnisquellen, wie etwa des Akteninhalts zu beantworten (BGH a.a.O.; KK/Kurz a.a.O.).

3. Nach diesem Maßstab ist der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 unwirksam.

a) Bußgeldbewehrt nach § 9 I JuSchG ist nicht der Konsum von Alkohol durch Kinder oder Jugendliche, sondern u.a. die Abgabe von Branntwein oder branntweinhaltigen Getränken in der Öffentlichkeit an Kinder oder Jugendliche (§ 9 I Nr. 1 JuSchG) bzw. die Abgabe anderer alkoholischer Getränke in der Öffentlichkeit an Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren (§ 9 I Nr. 2 JuSchG).

b) Der Bußgeldbescheid vom 26.02.2015 konkretisiert in sachlicher Hinsicht das dem Betroffenen zur Last gelegte Verhalten nicht. Aus ihm geht weder hervor, an welche konkreten Kinder oder Jugendliche der Betr. Alkohol abgegeben haben soll, noch grenzt er in zeitlicher Hinsicht ab, wann dies der Fall gewesen sein soll. Aus der Information, dass Jugendliche und Kinder am 22.11.2014 in der Wohnung (...) eine Feier veranstalteten, folgt dies gerade nicht, da die Möglichkeit besteht, dass diese ihre Feier aus einem mehr oder weniger längere Zeit vor der Feier erworbenen Alkoholvorrat bestritten. Auch ist die konkrete, dem Betroffenen vorgeworfene Tat gerade nicht durch bestimmte Tatumstände so genau individualisiert, dass unabhängig von den fehlenden vorgenannten Informationen kein Zweifel über deren Identität aufkommen kann. Der Vorwurf, Kinder und Jugendliche hätten Bier und Wodka vom Betroffenen erhalten, ist inhaltlich so unkonkret und allgemein gehalten, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen dem dem Betroffenen vorgeworfenen Sachverhalt und anderen, möglicherweise ähnlich gelagerten Sachverhalten besteht.

II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 IIII 1 OWiG, § 353 StPO) und das Verfahren nach §§ 46 I OWiG, § 206a StPO wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen.

(...)