OLG Hamm - Beschluss vom 13.09.12

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Zum Inhalt der Entscheidung: Bei Messungen mit dem Lasermeßgerät Riegl FG-21P muss das Vier-Augen-Prinzip nicht beachtet werden.

 

Oberlandesgericht Hamm

Beschluss vom 13.09.2012

III–1 RBs 112/12

Aus den Gründen:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässi­ger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt sowie gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde bei dem Betroffenen mittels des Lasergeschwindigkeitsmessgerätes Riegl FG 21P innerorts bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eine (nach Abzug eines Toleranzwertes) tat­sächlich gefahrene Geschwindigkeit von 84 km/h gemessen.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO beantragt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG) und zulässig. Rechts­mitteleinlegung und Rechtsmittelbegründung erfolgten fristgerecht per Computerfax mit eingescannter Unterschrift – wie der Verteidiger mit Schriftsatz vom 04.09.2012 zur Überzeugung des Senats dargelegt. Dies wahrt die Schriftform nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 StPO (vgl. GemObS Beschl. v. 05.04.2000 – NJW 2000, 2340; OLG Nürnberg NStZ-RR 2008, 316, 317; OLG Stuttgart NJW 1976, 1905) bzw. die Form der Unterzeichnung durch den Verteidiger nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 2 StPO (GemObS a.a.O.; OLG München NJW 2003, 3429, 3430).

III.

Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet.

1.

Verfolgungsverjährung ist bzgl. der Tat des Betroffenen nicht eingetreten. Die Verjäh­rungsfrist richtet sich nach § 26 Abs. 3 StVG. Die Tat wurde am 13.11.2010 began­gen. Eine erste Unterbrechung der Verjährung erfolgte nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch Erlass des Bußgeldbescheids am 25.11.2010 (zugestellt am 27.11.2010). Mit Eingang der Akten beim AG Dortmund am 17.02.2011 wurde die nach Erlass des Bußgeldbescheides nunmehr sechsmonatige Verjährsfrist nach § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG erneut unterbrochen. Die nächste Unterbrechung geschah durch Anberau­mung eines Hauptverhandlungstermins am 21.02.2011 (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG). In der Hauptverhandlung vom 14.06.2011 wurde der Betroffene richterlich vernommen, was wiederum zu einer Unterbrechung führte (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Durch Be­auftragung eines Sachverständigen wurde die Verjährungsfrist am 31.08.2011 erneut unterbrochen (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG). Die Anberaumung des zweiten Hauptver­handlungstermins am 13.12.2011 unterbrach die Verjährung erneut. Mit Erlass des angefochtenen Urteils am 28.02.2012 ruht die Verjährung (§ 32 Abs. 1 OWiG), da zu diesem Zeitpunkt seit der Tat noch nicht mindestens 2 Jahren verstrichen waren (§ 33 Abs. 3 S. 2 OWiG).

2.

Die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen Übergehens eines Beweisantrages ist jedenfalls unbegründet. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift dazu zutreffend Folgendes ausgeführt:

„Die Verfahrensrüge, mit der die Rechtsbeschwerde die Verletzung des Be­weisantragsrechts beanstandet, ist jedenfalls unbegründet, wobei offen blei­ben kann, ob das entsprechende Beweisbegehren den stren­gen Kriterien eines Beweisantrages entspricht oder ob lediglich von einem so genannten Beweisermittlungsantrag auszugehen ist. Denn die im Beschlusswege erfolgte Ablehnung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist im Ergebnis nicht zu beanstan­den.

Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG kann die Tatrichterin von weiterer Be­weiser­hebung absehen, wenn bereits eine Beweisaufnahme über die entschei­dungserheblichen Tatsachen stattgefunden hat, die nach Über­zeugung der Richterin zur Klärung des wahren Sachverhalts geführt hat, und eine weitere Beweiserhebung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erfor­schung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

Nach den Darlegungen der Tatrichterin im Urteil waren diese Voraus­setzun­gen hier erfüllt. Das Gericht hatte zu den Umständen und zur Ordnungsge­mäßheit der Geschwindigkeitsmessung bereits den Zeugen und Polizei­beamten (...)(Z1) vernommen, ohne dass sich irgendwelche Anhaltspunkte für eine fehlende Eichung, fehlerhafte Bedienung oder eine sonstige Fehler­haftigkeit des eingesetzten (standardisierten) Messverfahrens ergeben hätten. Für die Frage, ob eine weitere Beweiserhebung erforderlich war, ist nicht ent­scheidend, welche Vorstellung der Betroffene vom bisherigen Beweisergebnis hat, sondern wie sich dieses der Tatrichterin darstellen musste (zu vgl. BayObLGSt 1994, 1/3 = VRS 87, 42 ff.). Fehlerquellen sind nur dann zu erör­tern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (zu vgl. BGHSt 39, 291/297/300 f.; BayObLGSt 1998, 109/111).

Hierzu bestand aus Sicht des Tatgerichts jedoch aufgrund der im Urteil aus­führlich wiedergegebenen und gewürdigten Aussage des polizeili­chen Mess­beamten gerade keine Veranlassung. Anhaltspunkte dafür, das Amtsgericht habe sich insoweit womöglich so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass seine Feststellungen den Vorwurf einer bloßen Mutmaßung oder gar willkürlichen Bewertung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar und werden auch vom Betroffenen im Rahmen der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Aus den dargestellten Gründen erweist sich die Verfahrensrüge auch unter dem Aspekt der tatrichterlichen Aufklärungspflicht als unbegrün­det.“

Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht maßgeblichen Urteilsfeststellungen hat der Zeuge (...)(Z1) ausgesagt, dass seiner Erinnerung nach das Messgerät weit vor der Eichung vom 08.06.2010 defekt gewesen sei. Auch nach Erinnerung der Zeugin (...)(Z2) sei das Messgerät innerhalb des Eichgültigkeitszeitraums nicht de­fekt gewesen. Damit bestand für das Amtsgericht keine Veranlassung mehr, anhand der Lebensakte zu überprüfen, ob der Defekt nicht doch etwa während des Eichgül­tigkeitszeitraums vorgelegen haben könnte. Die im Rahmen der Sachrüge vorgetra­genen Behauptung angeblicher anderweitiger Aussagen der Zeugen ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren im Rahmen der Verfahrensrüge nicht relevant. Der Senat hat von den Feststellungen im Urteil auszugehen.

3.

Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Das Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nach­teil des Betroffenen auf.

Angesichts des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein standardisiertes Mess­verfahren handelte und weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich noch vorgetragen wa­ren, dass einzelne der erforderlichen Funktionstests nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden waren, reicht die Angabe im Urteil, dass die erforderlichen Funktionstests ausgeführt worden sind (vgl. OLG Celle NZV 2010, 414; OLG Hamm NZV 1997, 187).

Ein Vier-Augen-Prinzip zur Überprüfung des Messergebnisses gibt es — anders als der Betroffene offenbar meint - nicht. Eine entsprechende ausdrückliche verfahrens­rechtliche Vorschrift ist nicht existent. Es ergibt sich auch nicht aus anderen Vor­schrif­ten oder Grundsätzen. Existiert - wie bei dem in der vorliegenden Sache einge­setzten Lasermessgerät „Riegl FG 21-P“ – keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, sind die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuord­nung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug unter Heranziehung der hierfür im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) nach dem Grundsatz der freien Beweis­würdigung (§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO) zu klären (OLG Hamm Beschl. v. 21.06.2012 — 3 RBs 35/12 = BeckRS 2012, 18144).

Die vermeintlichen Widersprüche im Urteil zur Frage des Defekts im Eichgültigkeits­zeitraum vermag der Senat nicht zu erblicken. Auch hat das Amtsgericht ausdrück­lich festgestellt, dass der bei der Anpeilung des Fahrzeugs des Betroffenen dessen Frontkontur nicht verlassen wurde, so dass schon deswegen keine weiteren Fahr­zeuge erfasst worden sein konnten.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der — von Betroffenen zwar nicht gerügte, aber im Rahmen der Sachrüge von Amts wegen zu berücksichtigende — Umstand, dass in den Feststellungen des angefochtenen Urteils von einer gemessenen Ge­schwindigkeit von 70 km/h die Rede ist, im Übrigen aber an drei Stellen (Beweiswür­digung, Bußgeldzumessung) von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 84 km/h (nach Toleranzabzug). Es ist hier aber offensichtlich, dass die Angabe der 70 km/h versehentlich erfolgt ist und von 84 km/h auszugehen ist. Zum einen taucht der Wert 70 km/h nur 1x im Urteil auf. Zum anderen entspräche er auch weder den Angaben in dem von Amts wegen zu Kenntnis zu nehmenden Bußgeldbescheid noch den festgesetzten Sanktionen.

Zum Zeitpunkt des Urteilserlasses war mit rund 1 1/4 Jahr auch noch nicht so viel Zeit seit der Tat vergangen, als dass sich das Amtsgericht zwingend mit einem Entfallen des Fahrverbots, weil es möglicherweise seine Denkzettel- und Warnfunktion verlo­ren hätte, hätte auseinandersetzen müssen (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 436; OLG Hamm Beschl. v. 24.01.2012—3 RBs 364/11 = BeckRS 2012, 07643).