Im dichten Verkehrsalltag kommt es häufig zu besonderen Situationen, in denen die allgemeinen Verkehrsregeln nicht ausreichen, um einen reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Hier setzt § 11 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) an. Der Paragraph regelt, wie sich Verkehrsteilnehmer in sogenannten „besonderen Verkehrslagen“ verhalten müssen, um Gefahren zu vermeiden und die Mobilität zu sichern.
Allgemeine Verhaltenspflichten
Grundsätzlich verlangt § 11 StVO von allen Verkehrsteilnehmern, dass sie sich aktiv an der Auflösung besonderer Verkehrslagen beteiligen. Dazu gehört etwa, auf Vorrechte zu verzichten, wenn dies zur Entzerrung einer Verkehrssituation beiträgt, oder anderen Fahrzeugen das Räumen einer Kreuzung zu ermöglichen.
Kreuzungsräumer und Nachzügler
§ 11 StVO betrifft auch das Verhalten an Kreuzungen. Wer bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt, muss anderen Fahrzeugen, die noch im Kreuzungsbereich stehen (sogenannte Nachzügler oder Kreuzungsräumer), das Verlassen der Kreuzung ermöglichen. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 1 StVO.
Gerichte stellen klar: Der an sich bevorrechtigte Querverkehr darf seinen Vorrang nicht erzwingen, wenn ein Fahrzeug die Kreuzung räumen muss. Wer in die Kreuzung einfährt, ohne sich davon zu überzeugen, dass der Räumer ausreichend Platz hat, riskiert eine (Mit-)Haftung bei einem Unfall.
Bildung der Rettungsgasse
Ein Thema in § 11 Abs. 2 StVO ist die Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse. Diese muss auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung gebildet werden, sobald Fahrzeuge nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder stehen. Die Gasse ist stets zwischen dem äußerst linken und dem rechts danebenliegenden Fahrstreifen zu bilden.
Gerichte wie das OLG Oldenburg betonen, dass die Pflicht zur Gassenbildung sofort einsetzt, sobald sich der Verkehr verlangsamt. Eine „Gnadenfrist“ zur Orientierung gibt es nicht. Wer die Gasse blockiert oder missbraucht, riskiert empfindliche Sanktionen: Neben hohen Bußgeldern (bis zu 320 Euro) drohen zwei Punkte in Flensburg sowie ein einmonatiges Fahrverbot.
Rettungsgasse bei Einsatzfahrzeugen
Kommt ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn, muss die Rettungsgasse sofort freigehalten werden. Bereits das kurzzeitige Blockieren stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, insbesondere wenn Einsatzfahrzeuge gezwungen sind, anzuhalten oder auszuweichen. Dies gilt auch bei Schrittgeschwindigkeit oder wenn der Verkehr bereits stillsteht.
Innerorts: Kein Anspruch auf Rettungsgasse
Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Pflicht zur Rettungsgasse nicht anwendbar, selbst wenn die Straße autobahnähnlich ausgebaut ist. Stattdessen ergibt sich die Pflicht zur Freimachung für Polizei- und Rettungsfahrzeuge aus § 38 StVO. Dieser verpflichtet alle Verkehrsteilnehmer, sofort freie Bahn zu schaffen, wenn ein Fahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn nähert.
Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder
Wer keine Rettungsgasse bildet oder diese unbefugt benutzt, riskiert:
- Bußgelder bis zu 320 Euro
- 2 Punkte im Fahreignungsregister
- 1 Monat Fahrverbot
Geringfügige Verstöße wie das Einfahren in eine Kreuzung bei stockendem Verkehr werden mit Verwarnungsgeldern zwischen 20 und 35 Euro geahndet.