Rechtsmittel im Strafrecht sind formalisierte Möglichkeiten, gerichtliche Entscheidungen überprüfen zu lassen. Sie schützen Beschuldigte davor, dass Fehler in einer Gerichtsentscheidung zu einer ungerechtfertigten Verurteilung führen. Rechtsmittel können dazu führen, dass ein Urteil aufgehoben, geändert oder überprüft wird – entweder in tatsächlicher Hinsicht (z. B. neue Beweisaufnahme) oder rechtlicher Hinsicht (z. B. Rechtsfehler).
Im Strafrecht gibt es die folgenden Haupt-Rechtsmittel und Rechtsbehelfe:
Einspruch gegen den Strafbefehl
Berufung
Revision
Beschwerde (einfache, sofortige, weitere)
Wiederaufnahme des Verfahrens
Verfassungsbeschwerde (außerordentlicher Rechtsbehelf)
Ein Rechtsmittel ist ein förmliches Verfahren zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel, diese aufzuheben oder abzuändern. Es hemmt die Rechtskraft der Entscheidung (Suspensiveffekt) und führt zu einer Überprüfung durch ein höheres Gericht (Devolutiveffekt). Beispiele sind Berufung, Revision oder Einspruch gegen einen Strafbefehl.
Ein Rechtsbehelf ist der Oberbegriff für alle Möglichkeiten, sich gegen eine behördliche oder gerichtliche Maßnahme zu wehren – darunter fallen auch Rechtsmittel, aber auch formlosere Instrumente wie Gegenvorstellungen.
Der Einspruch ist der Rechtsbehelf gegen einen Strafbefehl. Ein Strafbefehl wird von einem Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen – meist ohne mündliche Verhandlung – und enthält bereits eine Strafe (z. B. Geldstrafe oder Fahrverbot).
Wenn Sie nichts unternehmen, wird der Strafbefehl rechtskräftig wie ein Urteil. Sie können aber binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen.
Nach dem Einspruch kommt es in der Regel zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, bei der die Beweise geprüft und Zeugen gehört werden. Das Gericht kann Sie danach freisprechen, die Strafe abändern oder den Strafbefehl vollständig bestätigen.
Wichtig: Auch eine schlechtere Entscheidung als im Strafbefehl ist möglich, wenn die Staatsanwaltschaft ebenfalls Einspruch eingelegt hat oder das Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung andere Tatsachen feststellt. Daher ist eine rechtliche Beratung vor dem Einspruch dringend zu empfehlen.
Beide Rechtsmittel richten sich gegen Urteile, unterscheiden sich aber grundlegend:
Berufung: ermöglicht eine komplette neue Tatsachen- und Beweisprüfung. Zeugen werden erneut gehört, Beweise neu gewürdigt. Die Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts wird vor dem Landgericht verhandelt.
Revision: beschränkt sich auf die rechtliche Prüfung des Urteils – es wird überprüft, ob Verfahrens- oder Rechtsfehler vorliegen. Eine neue Beweisaufnahme erfolgt nicht. Die Revision kann gegen Urteile des Amts- oder Landgerichts eingelegt werden.
Die Berufung bietet damit faktisch eine „zweite Chance“, das Verfahren inhaltlich neu aufzurollen. Die Revision erfordert dagegen juristische Präzision – sie wird fast ausschließlich schriftlich geführt und muss von einem Anwalt binnen eines Monats begründet werden.
Die wichtigsten Fristen im Überblick:
Einspruch gegen Strafbefehl: 2 Wochen nach Zustellung
Berufung oder Revision gegen ein Urteil: 1 Woche nach Verkündung
Begründung der Revision: innerhalb von 1 Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe (durch einen Anwalt)
Sofortige Beschwerde: 1 Woche
Beachten Sie: Werden diese Fristen versäumt, ist die Entscheidung meist nicht mehr angreifbar.
Strafrechtliche Rechtsmittel und Rechtsbehelfe müssen bei dem Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird („iudex a quo“).
Beschwerden richten sich nicht gegen Urteile, sondern gegen andere gerichtliche Entscheidungen, z. B. in der Ermittlungsphase:
Einfache Beschwerde (§ 304 StPO): z. B. gegen Durchsuchungsbeschlüsse, Haftbefehle, Beschlagnahmen.
Sofortige Beschwerde (§ 311 StPO): z. B. gegen Entscheidungen, die schnell und abschließend wirken müssen.
Weitere Beschwerde (§ 310 StPO): nur in besonderen Fällen, etwa bei einstweiliger Unterbringung.
Auch Beschwerden werden beim entscheidenden Gericht selbst eingereicht. Dieses kann abhelfen oder die Sache an das Beschwerdegericht weiterleiten.
Zwei wichtige juristische Effekte:
Devolutiveffekt: Das Verfahren wird an eine höhere Instanz weitergeleitet.
Suspensiveffekt: Das Urteil wird nicht rechtskräftig, solange das Rechtsmittel läuft. Es darf nicht vollstreckt werden. In Verkehrssachen ist besonders bedeutsam, dass ein Fahrverbot oder eine gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis bis auf weiteres nicht wirksam werden.
Der Suspensiveffekt gilt nicht für Beschwerden – hier hat das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, d. h. die Maßnahme kann trotz Beschwerde zunächst umgesetzt werden.
Für Berufung und Revision gilt grundsätzlich das Verböserungsverbot: Ein angefochtenes Urteil darf nicht zu Ihrem Nachteil verändert werden (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPO). Die Strafe kann also nicht höher ausfallen. Das Verböserungsverbot gilt allerdings nicht für Bewährungsauflagen.
Aber: Hat die Staatsanwaltschaft ebenfalls ein Rechtsmittel eingelegt, ist eine Verschlechterung möglich. Dann kann das Urteil auch zu Ihrem Nachteil geändert werden.
Ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren kann unter besonderen Umständen wieder aufgenommen werden. Dies ist etwa möglich, wenn:
neue Beweismittel vorliegen,
sich ein anderer Täter bekennt,
das Urteil auf einer erwiesenen Falschaussage beruht.
Die Wiederaufnahme ist streng geregelt (§§ 359 ff. StPO) und meist die letzte Hoffnung, ein Fehlurteil zu korrigieren.
Das hängt vom Ausgangsgericht ab:
Urteil des Amtsgerichts: Berufung zum Landgericht,
Revision zum Oberlandesgericht
Urteil des Landgerichts (als Eingangsinstanz): Revision zum Bundesgerichtshof
Einspruch gegen Strafbefehl: Hauptverhandlung vor dem zuständigen Amtsgericht

