Bei dem sogenannten Mitzieheffekt handelt es sich um einen Unterfall des Augenblicksversagens. Gemeint ist die folgende Konstellation: Der Betroffene wartet auf einer mehrspurigen Straße, die verschiedene Ampelschaltungen aufweist (z.B. für Geradeausfahrer und Linksabbieger). Ein Mitzieheffekt liegt vor, wenn der Betroffene anfährt, sobald die nicht für seine Fahrspur geltende Ampel auf „grün“ wechselt. Beispiel: Der Betroffene wartet auf der Geradeausspur und fährt an, sobald die Ampel für Linksabbieger auf „grün“ wechselt. Der Effekt tritt insbesondere dann auf, wenn auf der Nebenspur ebenfalls Fahrzeuge warten, die bei Wechsel der für sie geltenden Ampel anfahren. Der unaufmerksame Betroffene läßt sich somit durch das neben ihm anfahrende Fahrzeug „mitziehen“.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss vom 21.12.2009 – 2 (6) SsBs 558/09 – AK 243/09) kann in einer solchen Konstellation ein entschuldbares Augenblicksversagen vorliegen, aufgrund dessen von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann. Anknüpfungspunkt für die Ahndung eines „qualifizierten“ Rotlichtverstoßes mit einem Fahrverbot sei der Fall eines Verkehrsteilnehmers, der über mehrere Sekunden hinweg unaufmerksam auf eine Rotlicht zeigende Ampel zufährt und den Vertrauensschutz des Querverkehrs und von Fußgängern abstrakt und gegebenenfalls konkret gefährdet (OLG Karlsruhe NZV 1996, 206; NJW 2003, 3719, jeweils m. w. N.). Von einem solchen Sachverhalt unterscheide sich der vorliegende Fall, nämlich der Rotlichtverstoß aufgrund einer Verwechselung der Lichtzeichenanlage, wesentlich.