In Deutschland ist die Geschwindigkeitsüberwachung durch Polizei und Ordnungsbehörden streng geregelt – allerdings nicht bundeseinheitlich. Jedes Bundesland folgt eigenen Verwaltungsvorschriften (oft unzutreffend als „Richtlinien“ bezeichnet), welche unter anderem den Mindestabstand zwischen Messgerät und Verkehrsschild regeln. Für Betroffene eines Bußgeldverfahrens kann ein Verstoß gegen diese Vorgaben unter bestimmten Umständen entscheidend sein – insbesondere im Hinblick auf ein drohendes Fahrverbot.
Was sind Verwaltungsvorschriften und warum sind sie relevant?
Die Verwaltungsvorschriften regeln das behördliche Vorgehen bei der Verkehrsüberwachung und insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen. Sie entfalten keine unmittelbare Außenwirkung, d.h. Autofahrer können sich nicht direkt auf sie berufen. Dennoch dienen sie als Maßstab für ein ordnungsgemäßes Verhalten der Behörden. Werden diese Vorschriften ohne sachlichen Grund verletzt, kann dies im Einzelfall Auswirkungen auf die Rechtsfolgen im Bußgeldverfahren haben.
Rechtliche Folgen bei Abweichung vom Mindestabstand
Ein Verstoß gegen die Mindestabstandsregelung führt nicht automatisch zur Unverwertbarkeit der Messung. Jedoch hat der Betroffene das Recht darauf zu vertrauen, dass die Behörden nicht ohne sachlichen Grund von ihren eigenen Vorschriften abweichen. Liegt kein sachlicher Grund vor, kann dies ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen (§ 4 Abs. 4 BKatV).
Gerichte haben dies bereits anerkannt, z.b. das Oberlandesgericht Oldenburg:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.01.2014: Wird der in einer Verwaltungsvorschrift festgelegte Mindestabstand nicht eingehalten, kann ein Absehen vom Fahrverbot geboten sein.
Wann sind kürzere Abstände zulässig?
In Ausnahmefällen – etwa an Gefahrenstellen wie Schulen, Kindergärten oder Fußgängerzonen – darf von den Mindestabständen abgewichen werden. Auch bei sogenannten Geschwindigkeitstrichtern, also stufenweisen Geschwindigkeitsreduktionen, sind kürzere Abstände zulässig. Entscheidend ist jedoch stets eine sachlich nachvollziehbare Begründung der Messbeamten.
Die folgende Tabelle zeigt die aktuellen Vorgaben zu Mindestabständen bei Geschwindigkeitskontrollen nach Bundesländern:
| Bundesland | Mindestabstand laut Verwaltungsvorschrift |
|---|---|
| Baden-Württemberg | Derzeit keine Vorgabe (bis 30.12.2013: 150 m) |
| Bayern | Grundsätzlich 200 m |
| Berlin | 75 m zu Geschwindigkeitszeichen, 150 m zu Ortstafeln |
| Brandenburg | In der Regel mindestens 150 m |
| Bremen | 150 m innerorts / bei Ortstafeln, sonst: nicht kurz vor oder hinter der Beschränkung |
| Hamburg | Keine genaue Angabe, jedoch: nicht kurz vor oder hinter der Beschränkung |
| Hessen | In der Regel mindestens 100 m |
| Mecklenburg-Vorpommern | 100 m, auf Kraftfahrstraßen/Autobahnen: 250 m |
| Niedersachsen | Mindestens 150 m |
| Nordrhein-Westfalen | Keine konkrete Vorgabe (alte Regelung von 200 m aufgehoben) |
| Rheinland-Pfalz | In der Regel mindestens 100 m |
| Saarland | Keine konkrete Zahl: „nicht unmittelbar dahinter“ |
| Sachsen | Grundsätzlich mindestens 150 m |
| Sachsen-Anhalt | Mindestens 100 m |
| Schleswig-Holstein | 150 m |
| Thüringen | Mindestens 200 m |
Wichtig: Auch in Bundesländern ohne konkrete Vorgaben muss die Platzierung der Messstelle verhältnismäßig und sachlich gerechtfertigt sein.
Ein Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften, insbesondere bei zu geringem Abstand zwischen Verkehrsschild und Messstelle, kann in Bußgeldverfahren eine entscheidende Rolle spielen – vor allem, wenn ein Fahrverbot im Raum steht.
Rechtsprechung zum Absehen vom Fahrverbot wegen Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften

