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Absehen vom Fahrverbot bei fehlender abstrakter Gefährdung: Rechtliche Grundlagen und Rechtsprechung

Geschwindigkeitsverstoß

Geschwindigkeitsbeschränkungen dienen primär der Abwehr von Gefahren, die durch überhöhte Geschwindigkeit entstehen können. Sie sollen insbesondere das Risiko von Unfällen mit anderen Verkehrsteilnehmern minimieren. Doch was passiert, wenn eine Geschwindigkeitsüberschreitung zwar vorliegt, jedoch keine konkrete oder abstrakte Gefährdung erkennbar ist? In solchen Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen werden.


Was ist eine abstrakte Gefährdung?

Eine abstrakte Gefährdung liegt vor, wenn eine allgemeine Gefahrensituation besteht, unabhängig davon, ob es im konkreten Fall zu einer konkreten Gefahr oder einem Schaden kommt. Im Verkehrsrecht bedeutet dies, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann als gefährlich eingestuft werden kann, wenn zum Tatzeitpunkt keine anderen Verkehrsteilnehmer anwesend waren. Entscheidend ist, ob die Möglichkeit einer Gefährdung von vornherein ausgeschlossen erscheint.


Rechtsprechung zum Absehen vom Fahrverbot

Die Gerichte haben in verschiedenen Fällen entschieden, ob ein Fahrverbot trotz Geschwindigkeitsüberschreitung verhängt werden muss oder nicht:

  • OLG Celle (Beschluss vom 10.03.2003, 222 Ss 38/03 (OWi)): In diesem Fall wurde eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund von Rollsplitt angeordnet. Zum Tatzeitpunkt befand sich jedoch kein Rollsplitt mehr auf der Fahrbahn. Das Gericht sah daher keine abstrakte Gefährdung und verzichtete auf die Anordnung eines Fahrverbots.

  • AG Aachen (Urteil vom 15.07.1994, 49 OWi 69 Js 401/94): Hier überschritt der Betroffene an einem Sonntag die Geschwindigkeit in einem Baustellenbereich, in dem sich keine Bauarbeiter aufhielten. Das Gericht erkannte keine abstrakte Gefährdung und sah von einem Fahrverbot ab.

  • OLG Hamm (Beschluss vom 01.06.2006, 2 Ss OWi 262/06): In diesem Fall wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung vor einer Schule außerhalb der üblichen Schulzeiten begangen. Das Gericht entschied, dass dennoch eine abstrakte Gefährdung vorlag und verhängte ein Fahrverbot.


Besondere Umstände und hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen

Es gibt Situationen, in denen trotz fehlender abstrakter Gefährdung ein Fahrverbot verhängt wird:

  • Lärmschutzmaßnahmen: Wenn Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Gründen des Lärmschutzes angeordnet wurden, ist das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung nicht erforderlich. Ein Fahrverbot kann auch ohne diese Voraussetzung verhängt werden.

  • Hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen: Bei besonders hohen Überschreitungen der zulässigen Geschwindigkeit, beispielsweise um 100 % oder mehr, wird in der Regel nicht von einem Fahrverbot abgesehen, selbst wenn keine abstrakte Gefährdung vorliegt.

Das Absehen von einem Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn keine abstrakte Gefährdung vorliegt. Jedoch gibt es Ausnahmen, insbesondere bei Geschwindigkeitsbeschränkungen aus anderen Gründen wie Lärmschutz oder bei besonders hohen Überschreitungen. Die Entscheidung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

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