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Absehen vom Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer – Ihre Rechte als Betroffener

Absehen vom Fahrverbot bei langer Verfahrensdauer

Ein Fahrverbot gilt im Verkehrsrecht als erzieherische Maßnahme, die dem Betroffenen sein Fehlverhalten vor Augen führen soll. Doch was passiert, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der gerichtlichen Entscheidung mehrere Jahre vergehen? Unter bestimmten Voraussetzungen kann in solchen Fällen vom Fahrverbot abgesehen werden. Verschiedene Oberlandesgerichte haben hierzu Leitlinien entwickelt, die Betroffenen Verteidigungsansätze eröffnen.

Warum kann bei langer Verfahrensdauer vom Fahrverbot abgesehen werden?

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG dient das Fahrverbot in erster Linie als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme. Wird es aber erst nach einem erheblichen Zeitablauf rechtskräftig verhängt, kann der erzieherische Zweck entfallen – insbesondere dann, wenn der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsrechtlich unauffällig verhalten hat.

OLG-Zweibrücken: Fahrverbot verliert nach über 1,5 Jahren seinen Sinn

Das Oberlandesgericht Zweibrücken stellte in einem Beschluss vom 25.08.2011 klar, dass ein Fahrverbot nach einem Zeitraum von einem Jahr und neun Monaten seine Warnfunktion verliere. Nur wenn die Verfahrensverzögerung dem Betroffenen selbst anzulasten sei, könne ausnahmsweise am Fahrverbot festgehalten werden.

OLG Hamm: Zwei Jahre als kritische Grenze

Auch das OLG Hamm positionierte sich eindeutig zur Problematik. In einem Beschluss vom 01.09.2009 wies es darauf hin, dass bei einer Verfahrensdauer von 29 Monaten, davon 21 Monate bis zur Urteilsverkündung, die Sinnhaftigkeit eines Fahrverbots in Frage zu stellen sei.

„Da das Fahrverbot gem. § 25 I 1 StVG nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie als Denkzettel – und Besinnungsmaßnahme mit erzieherischer Funktion gedacht und ausgeformt ist (BVerfG, NJW 1969, 1624), kann es seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden seiner Anordnung ein erheblicher Zeitraum liegt, und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten festgestellt worden ist (Bay OLG, NZV 2004, 210). Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht es vor, vor diesem Hintergrund i.d.R. als notwendig an, das Fahrverbot in Frage zu stellen, wenn die Tat bis zur Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre zurückliegt (Bay OLG, NStZ – RR 2004, 57; OLG Naumburg, ZfS 2003, 96).“
(OLG Hamm, Beschl. v. 01.09.2009)

Zugleich betont das Gericht, dass nicht automatisch vom Fahrverbot abgesehen werden darf. Vielmehr müsse das Amtsgericht im Einzelfall prüfen, ob der lange Zeitraum noch eine erzieherische Wirkung entfalten könne. Entscheidend ist dabei, ob die Verzögerung auf dem Verhalten des Betroffenen beruht oder auf behördlichen und gerichtlichen Abläufen.

Kein Fahrverbot bei ordnungsgemäßem Prozessverhalten

Wenn ein Betroffener von seinen prozessualen Rechten – etwa dem Recht auf Beweisantrag – in rechtmäßiger Weise Gebrauch macht, darf ihm daraus kein Nachteil entstehen. Eine rechtsmissbräuchliche Verzögerung liegt nur dann vor, wenn etwa Beweisanträge „ins Blaue hinein“ gestellt wurden. Dies muss aber konkret durch das Gericht festgestellt werden.

OLG Stuttgart: Zwei Jahre als feste Grenze

Auch das OLG Stuttgart erkennt in einem Beschluss vom 19.01.2017 an, dass nach zwei Jahren Verfahrensdauer ein Fahrverbot regelmäßig seinen Zweck verliert – vorausgesetzt, der Betroffene war seitdem nicht erneut verkehrsrechtlich auffällig und hat die Verfahrensverzögerung nicht zu verantworten.

Bei überlanger Verfahrensdauer bestehen gute Chancen, dass vom Fahrverbot abgesehen wird – insbesondere, wenn Sie sich seit der Tat verkehrsrechtlich beanstandungsfrei verhalten haben und die Verzögerung nicht auf Ihrem Verhalten beruht.


Rechtsprechung zum Absehen vom Fahrverbot wegen langer Verfahrensdauer