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Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung: Rechtliche Grundlagen und praktische Bedeutung

Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrfahreignung

Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sind ein wichtiges Instrument im deutschen Fahrerlaubnisrecht. Herausgegeben von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), dienen sie der Beurteilung körperlicher und/oder geistiger Mängel, die sich auf die Fahreignung auswirken können. Die Leitlinien sind besonders relevant im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) und unterstützen Fachgutachter sowie Fahrerlaubnisbehörden bei der Einzelfallbewertung.


Ziel und rechtliche Grundlage der Begutachtungsleitlinien

Die Begutachtungsleitlinien stellen eine systematische Zusammenstellung eignungsausschließender oder eignungseinschränkender Gesundheitsmängel dar. Sie dienen als Nachschlagewerk für Gutachter, die die Kraftfahreignung von Fahrerlaubnisbewerbern oder -inhabern prüfen.

Rechtsgrundlage ist die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), mit der die zweite EU-Führerscheinrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde. Die Leitlinien haben zwar keinen Gesetzesrang, orientieren sich aber an den Vorgaben der FeV und gelten als anerkannter medizinischer Standard.


Gliederung: Allgemeiner und spezieller Teil

Die Begutachtungsleitlinien bestehen aus zwei Hauptteilen:

1. Allgemeiner Teil

Im allgemeinen Teil (Nr. 2) finden sich:

  • Beurteilungshinweise zur Fahreignung (Nr. 2.1)

  • Kriterien zur Auswahl des Gutachters (Nr. 2.2)

  • Rechtliche Stellung des Gutachtens (Nr. 2.3)

  • Inhalt und Aufgabe der Leitlinien (Nr. 2.4)

  • Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit (Nr. 2.5)

  • Möglichkeiten der Kompensation von Mängeln (Nr. 2.6)

  • Beurteilung kumulierter Auffälligkeiten (Nr. 2.7)

Von besonderer praktischer Bedeutung ist die psychische Leistungsfähigkeit (Nr. 2.5): Zur Prüfung werden standardisierte Leistungstests im Rahmen der MPU durchgeführt. Dabei sind sogenannte Prozentränge maßgeblich.

Für die Fahrerlaubnisklassen gilt:

  • Gruppe 1 (Klassen A, A1, B, BE, AM, L, T): Mindest-Prozentrang 16

  • Gruppe 2 (Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, Fahrgastbeförderung): Mindest-Prozentrang 33

Ein Prozentrang von 70 bedeutet z. B., dass 70 % der Vergleichsgruppe schlechtere Leistungen erzielen als die getestete Person. Die Leitlinien ermöglichen zudem eine Kompensation einzelner Minderleistungen sowie die Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Auflagen oder Beschränkungen.


2. Spezieller Teil

Der spezielle Teil (Nr. 3) behandelt einzelne körperliche oder geistige Mängel, die die Fahreignung längerfristig beeinträchtigen können. Von besonderer Relevanz sind hierbei:

  • Alkoholkonsum

  • Drogen- und Betäubungsmittelkonsum

  • Verstöße gegen Verkehrsvorschriften

  • Relevante Straftaten

Auch andere Erkrankungen – etwa Migräne, Asthma, Heuschnupfen oder akute Infektionen – werden beispielhaft genannt (vgl. Nr. 2.4). Für diese Fälle betonen die Leitlinien die Selbstverantwortung der Verkehrsteilnehmer, im Zweifel auf das Führen von Kraftfahrzeugen zu verzichten.


Zwei Gruppen von Fahrerlaubnisklassen

Die Leitlinien unterscheiden zwei Gruppen:

  • Gruppe 1: A, A1, B, BE, AM, L, T

  • Gruppe 2: C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung

Für Gruppe 2 gelten strengere gesundheitliche Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf körperliche Belastbarkeit und psychische Leistungsfähigkeit.


Hintergrund und Entwicklung der Leitlinien

Die aktuelle 6. Auflage des allgemeinen Teils stammt aus dem Jahr 2000, der spezielle Teil wurde zuletzt 2009 überarbeitet. Grundlage war die Zusammenführung der früher getrennten Werke:

  • „Krankheit und Kraftverkehr“ (5. Auflage 1996)

  • „Psychologisches Gutachten Kraftfahreignung“ (1995)

Die Fortschreibung erfolgt unter Federführung der BASt in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften. Die überarbeiteten Kapitel werden nach Zustimmung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) veröffentlicht. Eine geplante Neufassung zum 1. November 2012 verzögerte sich aufgrund bestehender Abstimmungsbedarfe.


Download und weiterführende Informationen

Die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sind auf der offiziellen Website der Bundesanstalt für Straßenwesen (www.bast.de) abrufbar. Sie bieten eine wichtige Orientierungshilfe für alle, die sich mit Fragen der Fahreignung, MPU und Fahrerlaubnisrecht befassen.