Gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13, 14 FeV (Fahrerlaubnisverordnung) gilt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer
a)regelmäßig Cannabis konsumiert, oder
b)gelegentlich Cannabis konsumiert und
a.nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann, oder
b.zusätzlich unter dem Einfluß von Alkohol steht, oder wenn
c.eine Störung der Persönlichkeit oder
d.ein Kontrollverlust vorliegt.
Wird also ein regelmäßiger Cannabis-Konsumnachgewiesen, so hat die Fahrerlaubnisbehörde ohne weiteres die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein entsprechender Verdacht kann sich auch aus den Angaben des Betroffenen ergeben ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom13.12.07) oder aus den Cannabis-Mengen,die bei ihm aufgefunden werden (VG Freiburg, Urteil vom 06.11.07). Ausnahmen sind hier nur in seltenen Fällen möglich, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Konsum und Fahren getrennt werden und keine Leistungsmängel vorliegen.
Bei nur gelegentlichem Cannabis-Konsum kommt es darauf an, ob eine der vier genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Ein einmaliger oder gelegentlicher Cannabis-Konsum ohne weitere Auffälligkeiten und ohne Bezug zum Straßenverkehr stellt in NRW im Regelfall keinen hinreichenden Verdachtsmoment für fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen dar.
Bei der Beurteilung, ob ein einmaliger, gelegentlicher oder regelmäßiger Konsum von Cannabis vorliegt, kommt es maßgeblich auf die festgestellten Ergebnisse von Blutuntersuchungen an. Im Rahmen dieser Untersuchung sind zwei Werte von Bedeutung. Der sogenannte THC-Wert und der THC-COOH-Wert:
- THC (Tetrahydrocannabinol): Der THC-Wert ist der eigentliche Drogenwert, er gibt an, welche Menge des Cannabis-Wirkstoffes sich noch im Blut befindet. THC wird relativ schnell (innerhalb einiger Stunden) vom Körper abgebaut. Bei einem hohen THC-Wert liegt somit der Verdacht eines zeitnahen Konsums nahe. Wenn einem Verkehrsteilnehmer eine Blutprobe entnommen wird ist der festgestellte THC-Wert bedeutsam für die Beurteilung der Frage, ob zwischen Konsum und Fahren getrennt worden ist.
- THC-COOH(11-nor-9-carboxy-THC, THC-Carbonsäure): Dieser Wert betrifft die sogenannten Abbauprodukte oder Metaboliten. Das THC wird im Körper in verschiedenen Abbauschritten zu THC-COOH umgewandelt. THC-COOH lagert sich im Fettgewebe ab und ist im Körper über einen erheblich längeren Zeitraum nachweisbar als THC. Gerichte versuchen aus diesem Wert häufig Rückschlüsse über die Konsumhäufigkeit zu ziehen. Der THC-COOH-Wert kann allerdings aufgrund verschiedener Einflüsse variieren. So kann es z.B. ein Saunabesuch oder sportliche Betätigung kurzzeitig zu einer Erhöhung des THC-COOH-Wertes im Blut führen, da hierdurch mehr THC-COOH aus dem Fettgewebe in die Blutbahn gelangen kann.
Wer ein Fahrzeug führt und THC im Blut hat, gilt als unfähig Konsum und Fahrer zu trennen, wenn der THC-Gehalt den Wert von 1 ng/ml überschreitet.
Aus dem THC-COOH-Wert können Rückschlüsse auf das Konsumverhalten gezogen werden. Der in Nordrhein-Westfalen gültige Runderlass des dortigen Ministeriums für Verkehr vom 18.12.02 (AZ VI B 2-21-03/2.1) sieht folgende Maßnahmen vor:
Befund |
Beurteilung |
Zusätzliche Auffälligkeiten |
Maßnahmen |
THC- COOH< 5,Ong/ml |
Einmaliger und Verdacht auf gelegentlichen Konsum |
keine |
keine |
Hinreichender Verdacht auf zusätzliche Auffälligkeiten nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV |
Nachuntersuchung (Blutuntersuch ung) unter kurzfristiger Einbestellung |
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Feststellung zusätzlicher Auffällig- keiten nach Ziffer 9.2.2 der |
Medizimsch-psychologische Untersuchung kann angeordnet werden |
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THC-COOH < 5,0 ng/ml + THC positiv |
gelegentlicher Konsum (mindes- tens zweimaliger Cannabiskonsum festgestellt |
keine |
keine |
Hinreichender Verdacht auf zu- sätzliche Auffälligkeiten nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV |
Medizinisch-psychologische Untersuchung kann angeordnet werden |
||
Feststellung zusätzlicher Auffällig- keifen nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV |
Versagung bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis |
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THC-COOH >5,0 und < 75 ng/ml |
erheblicher Konsum (Verdacht auf regelmäßigen Konsum) |
keine |
Nachuntersuchung (Blutuntersuchung) unter kurzfristiger Einbestellung; ergibt die Nachuntersuchung erneut einen THCCOOH Befund >5,0 und < 75 ng/ml kann eine medizinisch-psychologisehe Untersuchung enge- ordnet werden |
Hinreichender Verdacht auf zu- sätzliche Auffälligkeiten nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV |
Medizinisch-psychologrsche Untersuchung kann angeordnet werden |
||
Feststellung zusätzlicher Auffälligkeiten nach Ziffer 9.2.2 der Anla- ge 4 zu den §§ 11 13 und 14 FeV |
Versagung bzw. Entzlehung der Fahrerlaubnis |
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THC-COOH ≥ 75 ng/ml |
es liegt regelmä- ßiger Konsum von Cannabisprodukten vor |
Unerheblich |
Versagung bzw. Entziehung der Fahrerlaubnis, Ausnahmen siehe Ziff. 3.12.1 der BegutachtungsLeitlinien Krafffahrereignung |
Rechtsprechung:
- VG Köln – Beschluss vom 20.05.15: Die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Cannabis rechtfertigt es grundsätzlich, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vorgang zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt.
- OVG NRW – Beschluss vom 03.12.07: Die bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle gemachte Angabe, seit ca. 6 Jahren regelmäßig Marihuana zu konsumieren rechtfertigt die Anordnung eines ärztliches Gutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde.
- VG Freiburg – Urteil vom 06.11.07: Zur Rechtmäßigkeit der Anordnung eines fachärztlichen Gutachtens in Verbindung mit einem Drogenscreening bei Auffinden von Cannabis in der Wohnung des Fahrerlaubnisinhabers.
- VG Freiburg – Beschluss vom 20.09.07: 1. In Rechtsprechung und Literatur besteht kein Konsens darüber, ob eine exakte Abgrenzung der Konsumformen bei Cannabis allein anhand der für THC und THC-COOH ermittelten Werte möglich ist. 2. Im Hinblick darauf, dass die Kombination von erstmaligem Cannabiskonsum, anschließender Verkehrsteilnahme unter Einwirkung des erstmalig konsumierten Stoffes und schließlich der Feststellung dieses Umstandes bei einer polizeilichen Verkehrskontrolle nur äußerst selten auftreten dürfte, bedarf es einer ausdrücklichen Behauptung mit substantiierten Darlegungen dazu, dass es sich bei der festgestellten Einnahme von Drogen um einen erstmaligen Konsum gehandelt hat.
- OVG NRW – Beschluss vom 09.07.07: Bei der Prüfung der Frage, ob einen Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis wegen Cannabis-Konsum zu entziehen ist kommt es bei dem sogenanten „gelegentlichem Cannabiskonsum“ darauf an, ob der Fahrerlaubnisinhaber zwischen Cannabis-Konsum und Fahren trennen kann. Wer mit einem THC-Wert von 1 ng/ml ein Fahrzeug führt, kann nach Ansicht des OVG NRW im Regelfall nicht zwischen Konsum und Fahren trennen, sofern zusätzlich noch cannabis-bedingte Ausfallerscheinungen vorliegen.
- VG Gelsenkirchen – Beschluss vom 16.05.07: Liegt bei einem Fahrerlaubnisinhaber ein gelegentlicher Cannabis-Konsum vor, so kommt es zur Beurteilung der Frage, ob deswegen die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, auf die Fähigkeit des Fahrerlaubnisinhabers, THC-Konsum und Fahrern zu trennen an. Nach Ansicht des VG Gelsenkirchen liegt in der Regel mangelndes Trennvermögen vor, wenn der Fahrerlaubnisinhaber mit einem THC-Wert von 1ng/ml oder mehr ein Fahrzeug führt.
- OVG NRW – Beschluss vom 07.02.06: Bei gelegentlichem THC-Konsum ist ein Fahrerlaubnisinhaber, der mit einem THC-Wert von mehr als 2 ng/ml ein Fahrzeug führt, nicht fahrgeeignet.