Identifizierung des Betroffenen

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Wenn der Betroffene die Tat nicht einräumt und außer einem Beweisfoto keine weiteren Beweismittel vorliegen ist es Aufgabe des Tatrichters festzustellen, ob es sich bei der abgebildeten Person um den Betroffenen handelt. Er darf diese Aufgabe nicht auf andere übertragen sondern muss sich selbst ein Urteil bilden und in der Urteilsbegründung dokumentieren, aufgrund welcher Aspekte er zu seiner Überzeugung gelangt ist.

Hierzu hat er zwei Möglichkeiten. Er kann zunächst gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OwiG auf das in der Akte befindliche Lichtbild Bezug nehmen oder das Lichtbild und die gefundenen Übereinstimmungen mit charaktistischen Identitätsmerkmalen des Betroffenen detailliert beschreiben.

 

1. Identifizierung und Bezugnahme auf das Meßfoto in den Urteilsgründen

a) Ordnungsgemäße Bezugnahme

Nimmt das Gericht auf das Lichtbild Bezug, ist zunächst zu prüfen ob die Bezugnahme ordnungsgemäß war. Für eine ordnungsgemäße Bezugnahme muss erkennbar sein, dass das Amtsgericht mit seinen Ausführungen das Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsgründe machen und nicht nur die Beweiserhebung beschreiben wollte. Der Hinweis, dass das Lichtbild vorgelegen hat und in Augenschein genommen wurde, reicht also nicht.  Die Angabe "Verwertung des Fotos Bl. ... der Akten" genügt ebenfalls nicht (OLG Hamm, Beschl. v. 21.08.07).

 

b) Lichtbild geeignet

Weiterhin muss das Lichtbild zur Identifikation geeignet sein. Dies ist eventuell nicht der Fall wenn ein Teil des Gesichts durch den Rückspiegel verdeckt wird, der Fahrer eine Sonnenbrille trägt oder das Bild unscharf ist. Liegen solche Einschränkungen vor, muss das Gericht zumindest begründen, warum es den Fahrer dennoch identifizieren konnte. Es sinnd also die erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend waren, zu benennen und zu beschreiben.

 

c) Angaben zum Lichtbild

Ist das Lichtbild uneingeschränkt geeignet, muss das Urteil zumindest Angaben zu Aufnahmeort und -zeit des Lichtbilds sowie einen Hinweis darauf enthalten, ob es sich bei dem Fahrer um eine männliche oder weibliche Person handelt.

 

2. Identifizierung ohne Bezugnahme auf das Meßfoto in den Urteilsgründen

Enthält das Urteil keine ordnungsgemäße Bezugnahme auf das Lichtbild oder ist dieses zur Identifikation nicht uneingeschränkt geeignet, so stellen die Obergerichte an die Begründung der Identifizierung strengere Anforderungen.

a) Angaben zur Bildqualität

Das Urteil muss zunächst Ausführungen zur Bildqualität enthalten. (Bildschärfe, Kontrast, Erkennbarkeit der Gesichtszüge der abgebildeten Person, evtl. Verdeckung einzelner Partien des Gesichts).

 

b) Aufzählung individueller Identifikationsmerkmale

Weiterhin muss die abgebildete Person anhand mehrerer Identifikationsmerkmale beschrieben werden. Wieviele Merkmale dies sein müssen hängt von den jeweiligen Merkmalen ab. Bei solchen Merkmalen, die auf sehr viele Personen zutreffen wird man mehr verlangen müssen als bei sehr individuellen Merkmalen. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Bei Zweifeln an der sicheren Identifikation des Betroffenen wird das Gericht einen Gutachter zu Rate ziehen. Wenn das Gericht ein anthropologisches Gutachten einholt, muss es dessen tragende Gründe und die Anknüpfungstatsachen mitteilen. Es sollte außerdem darauf geachtet werden, dass das Gutachten den Standards der "Arbeitsgruppe Identifikation nach Bildern" genügt. Diese sind im Internet abrufbar (externer Link).

 

3. Folgen nicht ordnungsgemäßer Darlegung der Identifizierung in den Urteilsgründen

Die Einhaltung dieser Maßgaben wird von der Rechtsbeschwerdeinstanz überprüft. Diese kann das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Sache an das Erstgericht oder ein anderes Gericht desselben Landes zurückverweisen.

Als Beispiel für die Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Beschreibung des Bildes stellt, sei die folgende Passage aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 06.11.12 genannt:

"Die Prüfung, ob das vom Tatrichter in Augenschein genommene und vom Gutachter ausgewertete Lichtbild für eine Überzeugungsbildung überhaupt ergiebig ist, obliegt dem Rechtsbeschwerdegericht. Daraus folgt, dass die Urteilsgründe entsprechend gefasst sein müssen. Entweder der Tatrichter erfüllt diese Forderung, indem er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt, was zur Folge hat, dass darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung der abgebildeten Person entbehrlich sind, weil das Rechtsmittelgericht dann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen kann, oder aber - bei wie hier fehlender Bezugnahme - der Tatrichter ermöglicht diese Überprüfung durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung des Fotos. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind dabei ebenfalls zu schildern (vgl. OLG Celle, a.a.O.). Bereits diesen Anforderungen wird das allein die Aufzählung der morphologischen Merkmalsprägungen und den Hinweis, das Foto sei qualitativ sehr gut, um die Merkmalserfassung nachzuvollziehen, enthaltende Urteil nicht gerecht. Es fehlt eine einen Gesamteindruck des Bildes vermittelnde Schilderung. Es bleibt offen, ob von der abgelichteten offenbar männlichen Person Einzelheiten - und gegebenenfalls welche - zur Einschätzung von Alter, Statur und Aussehen erkennbar sind. Es wird auch nicht mitgeteilt, ob es sich um ein Frontfoto oder eine Profilaufnahme handelt und es fehlen Angaben zur Kontrastschärfe und Belichtung des Bildes, sowie dazu, ob ein ungehinderter Blick auf die Person möglich ist.Zum anderen beschränkt sich das Urteil auf die Feststellung, der Sachverständige habe 21 Übereinstimmungen beim Vergleich des Lichtbildes der Überwachungskamera und dem Gesicht des Betroffenen festgestellt, von denen im Folgenden dann aber bereits nur 14 dargelegt werden. Welche Schlussfolgerung der Sachverständige aus den festgestellten Übereinstimmungen gezogen hat, wird ebenso wenig mitgeteilt wie die Untersuchungsmethodik, d.h. auf welche Art und Weise er diese Übereinstimmungen ermittelt hat und worauf sich seine Wahrscheinlichkeitsschätzung stützt."