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Die Grenzwertkommission und das Konsumcannabisgesetz – Neue Maßstäbe im Straßenverkehrsrecht

Grenzwertkommission

Die Grenzwertkommission, vollständig „Gemeinsame Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle“, spielte bisher eine zentrale Rolle bei der Festlegung von Grenzwerten für berauschende Mittel im Straßenverkehr.


Was ist die Grenzwertkommission?

Die Grenzwertkommission wurde im Jahr 1994 als fachübergreifende Arbeitsgruppe gegründet. Träger sind die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin e.V. (DGRM) , die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. und die Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie e.V. (GTfCH).

Die Kommission ist paritätisch besetzt und hat die Aufgabe, Empfehlungen für analytische Grenzwerte psychoaktiver Substanzen im Blutserum abzugeben. Diese Empfehlungen dienen als fachliche Grundlage für rechtliche Beurteilungen, etwa bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG.


Bedeutung für das Verkehrsrecht: Grenzwerte bei Drogenkonsum

Ein zentraler Beschluss der Kommission datiert vom 22. Mai 2007:

„Am 15.06. 2007 ist die Verordnung zur Änderung der Anlage zu § 24a  des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Vorschriften in Kraft getreten. In die Anlage sind drei weitere Substanzen aufgenommen worden: Cocain, Metamfetamin und Methylendioxyamfetamin. Zielsetzung ist die effizientere Verfolgung von Fahrten unter dem Einfluss dieser Drogen.

Nach eingehender Diskussion empfiehlt die Grenzwertkommission auf einstimmigen Beschluss vom 22.05.2007, zur Feststellung der Ordnungswidrigkeit die folgenden Analytischen Grenzwerte anzuwenden:

Tetrahydrocannabinol 1ng/mL Serum
Bezoylecgonin 75 ng/mL Serum
Cocain 10 ng/mL Serum
Morphin 10 ng/mL Serum
Amfetamin 25 ng/mL Serum
Methylendioxymetamfetamin 25 ng/mL Serum
Methylendioxyethylamfetamin 25 ng/mL Serum
Methylendioxyamfetamin 25 ng/mL Serum
Metamfetamin 25 ng/mL Serum

Konzentrationen in dieser Höhe können bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh) sowohl sicher nachgewiesen als  auch quantitativ präzise und richtig bestimmt werden. („Analytische Grenzwerte“)

Die Grenzwerte enthalten einen entsprechenden Sicherheitszuschlag. Die Bestimmungsgrenze des individuellen analytischen Verfahrens, die angibt, ab welcher Konzentration eine exakte Quantifizierung möglich ist, darf nicht höher als der Grenzwert sein. Messwerte,  die unterhalb der Bestimmungsgrenze des Verfahrens liegen, sind mit dem Zusatz „circa.“ (abgekürzt „ca.“) zu versehen. In diesen Fällen ist im Befundbericht unter Angabe der richtliniengemäß ermittelte Bestimmungsgrenze darauf hinzuweisen, dass der Messwert unterhalb der Bestimmungsgrenze liegt.“


THC und das Trennungsvermögen – Fachliche Einschätzung der Grenzwertkommission

Von besonderer juristischer Relevanz ist die Frage nach dem Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs. Die Grenzwertkommission empfahl 2015, das Trennungsvermögen ab einer THC-Konzentration von 3,0 ng/mL Serum zu verneinen – insbesondere bei gelegentlichem Konsum.

In der Zeitschrift „Blutalkohol“ des BADS vom September 2015 (S. 322 ff.) führt sie unter anderem aus:

„Eine Leistungseinbuße ließ sich in experimentellen Studien frühestens ab 2 ng THC/ml Serum nachweisen (Ramaekers et al. 2006), ein erhöhtes Unfallrisiko ab einer THC-Konzentration im Serum von 4 ng/ml (Laumon et al. 2005, Drummer et al. 2004, Longo et al. 2000, Ramaekers et al. 2009). Diese Ergebnisse sollten bei der Festlegung eines Wertes, bei dem Fehlen des Trennungsvermögens angenommen wird, berücksichtigt werden. Pharmakokinetische Studien zeigen, dass bei Konzentrationen ab 2 ng THC/ml Serum – sofern ein einmaliges/gelegentliches (z.B. nicht häufiger als einmal in der Woche) Konsummuster vorliegt – davon auszugehen ist, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden hat (Toennes et al. 2015, Huestis et al. 1992). (…)

In wissenschaftlichen Untersuchungen unter Einbeziehung chronischer Cannabiskonsumenten hat sich gezeigt, dass erhöhte THC-Konzentrationen im Serum auch noch einige Tage nach dem letzten Konsum feststellbar sein können (Grenzwertkommission, 2011), also zu einem Zeitpunkt, an dem sicher keine akute Beeinflussung der Leistungsfähigkeit mehr vorliegt. (…)

Die Grenzwertkommission empfiehlt daher auf der Grundlage dieser Ausführungen bei Feststellungen einer THC – Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur FeV zu verneinen. (…)“

Der Beschluss der Grenzwertkommission ist durch die zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen inzwischen überholt.


Gesetzliche Neuerungen: Das Konsumcannabisgesetz (KCanG)

Mit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) und der damit verbundenen Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zum 22. August 2024 wurde erstmals ein gesetzlich verbindlicher THC-Grenzwert festgelegt:

  • THC-Grenzwert: 3,5 ng/mL Blutserum

  • Sanktion bei erstmaliger Überschreitung: 500 € Bußgeld + 1 Monat Fahrverbot

  • Zusätzlich: Alkoholverbot bei Cannabiskonsum

Die gesetzliche Verankerung dieses Grenzwertes ersetzt in der Praxis die Empfehlung der Grenzwertkommission und schafft Rechtssicherheit – insbesondere bei Verkehrskontrollen und bei der Beurteilung von Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG.


Neue Kommission im Rahmen des KCanG

Erwähnenswert ist, dass im Rahmen des KCanG auch eine neue fachliche Kommission auf Bundesebene etabliert wurde, die künftige Entwicklungen bei Grenzwerten, Risikobewertung und Konsummustern begleiten soll. Diese neue Kommission wird die wissenschaftliche Grundlage für etwaige Anpassungen des THC-Grenzwertes schaffen und bei der Auslegung medizinischer und toxikologischer Fragen im Zusammenhang mit Cannabis eine beratende Funktion übernehmen.

Die Grenzwertkommission war über Jahrzehnte hinweg eine zentrale Instanz für die fachlich fundierte Beurteilung von Drogen im Straßenverkehr. Auch wenn ihre Empfehlungen mittlerweile durch gesetzliche Regelungen wie das KCanG teilweise abgelöst wurden, bleibt ihre wissenschaftliche Expertise wichtig – insbesondere bei der gerichtlichen Auslegung, in Zweifelsfällen und bei der Weiterentwicklung verkehrsmedizinischer Standards.