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Atemalkoholmessungen

Für Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG (0,5-Promille-Grenze) ist anerkannt, dass der Nachweis der Alkoholkonzentration nicht nur im Wege der Blutalkoholuntersuchung bestimmt werden kann, sondern auch durch eine Atemalkoholanalyse. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 3. April 2001 dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Messung ohne Sicherheitsabschlag verwertet werden kann.

1. Selbständige Atemalkoholgrenzwerte bei Verstößen gegen § 24 StVG

Im Gegensatz zu der in Promille gemessenen Blutalkoholkonzentration wird die Atemalkoholkonzentration in Milligramm pro Liter Atemluft (mg/l) gemessen. Um rechtliche Probleme bei der Umrechnung der Atemalkoholkonzentration in die bis dahin allein maßgeblichen Blutalkohol-Promillewerte auszuschließen, hat der Gesetzgeber im Jahr 1998 einen eigenen Grenzwert für die höchstzuässige Atemalkoholkonzentration eingeführt. Dieser beträgt 0,25 mg/l. Der Gesetzgeber hat sich somit für die Umrechnung im Maßstab 1 : 2000 entschieden. Dies stellt eine gewisse Bevorzugung der nach ihrer Atemalkoholkonzentration beurteilen Alkoholsünder dar, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eher ein mittlerer Umrechnungsfaktor von 1 : 2100 angemessen wäre. Andererseits handelt es sich eben lediglich um einen mittleren Umrechnungfaktor, so dass insoweit keine allgemeingültigen Aussagen über den Zusammenhang zwischen Blut- und Atemalkohol getroffen werden könnnen. Bei den Atemalkoholgrenzwerten handelt es sich um eigenständige, von den Blutalkoholgrenzwerten unabhängige Tatbestandsmerkmale, so dass es auf eine Umrechnung in einen Blutalkoholwert nicht ankommt. Der Bußgeldtatbestand ist also erfüllt wenn der Betroffene eine Atemalkoholwert von 0,25 mg/l aufweist, ohne dass er sich darauf berufen könnte, dass die Blutalkoholkonzentration zu diesem Zeitpunkt weniger als 0,5 Promille betrug.

 

2. Voraussetzungen für eine verwertbare Messung

Um zu einer ohne Sicherheitsabschlag verwertbaren Messung der Atemalkoholkonzentration zu gelangen müssen folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

2.1. Es darf nur ein Meßgerät verwendet werden, das die Bauartzulassung der physikalisch-technischen Bundesanstalt für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat.

2. 2. Das Gerät muß zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht sein. Dies ist im Laufe des Bußgeldverfahrens durch Einsichtnahme in die Eichurkunde des Geräts zu überprüfen. Die Eichung muß innerhalb der vorgeschriebenen Eichfrist von einem halben Jahr erfolgt sein. Die Einhaltung des Eicherfordernisses ist gegebenenfalls durch Nachforschungen bei der zuständigen Behörde zu überprüfen. Die gültige Eichung ist sehr bedeutsam, da die Messergebnisse diversen Einflußgrößen unterliegen wie z.B. der sogenannten Hysterese (Beeinflussung eines Messwerts durch die vorausgegangene Meßsequenz), Drift (zeitabhängige systematische Zu- oder Abnahme von Meßergebnissen sowie den bauart- und witterungsabhängigen Meßfehlern. Diese Einflußgrößen dürfen sich nur innerhalb bestimmter Grenzen bewegen, was durch die Eichung gewährleistet werden soll.

2.3. Es müssen die Verfahrensbedingungen für eine ordnungsgemäße Messung eingehalten worden sein. Diese sind in einem Gutachten „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“ des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahr 1992 im einzelnen beschrieben. Das Gutachten kann auf der Internetseite der Bundesanstalt für Straßenwesen als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Gemäß dem Gutachten ist Voraussetzung für eine exakte Messung die Erfassung von Alveolarluft, d.h. von Luft, die aus den Lungenbläschen des Betroffenen stammt. Um dies sicherzustellen soll ein Minimum vom 1,5 Liter ausgeatmeter Luft und über einen Mindestzeitraum von drei Sekunden gemessen werden. Das gemessene Atemvolumen soll im Meßprotokoll des Geräts angegeben werden.

Die Messung muss ordnungsgemäß durchgeführt werden. Hierbei kommt es insbesondere auf die folgenden vier Voraussetzungen an.

2.3.1. In der sogenannten Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung darf der Betroffene keinerlei Substanzen mehr einnehmen (Essen, Trinken, Rauchen, Mundsprays, Medikamente). Die Wartezeit soll insbesondere gewährleisten, dass im Mund- und Rachenraum kein Restalkohol mehr vorhanden ist, der das Meßergebnis verfälschen könnte. Wird hiergegen verstoßen, führt dies in der Regel zur Unverwertbarkeit der Messung. In Bußgeldverfahren ist daher von der Verteidigung genau zu prüfen, ob dieses Erfordernis eingehalten wurde.

2.3.2. Außerdem soll zwischen Trinkende und Beginn der Messung eine Wartezeit von 20 Minuten liegen. Diese kann zusammen mit der genannten zehnminütigen Kontrollfrist berechnet werden. Mit dieser Frist soll sichergestellt werden, dass der konsumierte Alkohol ins Blut gelangt ist, dass also die sogenannte Anflutungsphase abgeschlossen ist.

2.3.3. Spätestens fünf Minuten nach der Messung muss eine weitere Messung durchgeführt werden. Der Zeitunterschied dient nicht der Feststellung, ob sich der im Körper befindliche Alkohol noch in der Anflutungsphase bzw. schon in der Abbauphase befindet, sondern allein der Meßsicherheit. Die beiden Messungen sollen sich hinsichtlich des gemessenen Atemvolumens um nicht mehr als zwei Liter bzw. hinsichtlich der Meßdauer um nicht mehr als 5 Sekunden unterscheiden. Von Bedeutung ist ebenfalls die Messung der Atemtemperatur. Diese soll sich zwischen beiden Messungen um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius unterscheiden. Das Gutachten sieht vor, dass die Messung wiederholt werden muss, wenn diese Grenzwerte nicht eingehalten werden. Es sollen maximal zwei Wiederholungen zugelassen werden. Konnte auch dann keine ordnungsgemäße Messung durchgeführt werden, soll auf die Blutalkoholuntersuchung ausgewichen werden.

2.3.4. Zwischen beiden Messungen darf keine übermäßige Variationsbreite vorliegen. Die zulässige Variationsbreite beträgt

  • Bei Messwerten bis 0,4 mg/l – maximal 0,04 mg/l Differenz zwischen den beiden Meßwerten
  • Bei Messwerten über 0,4 mg/l – maximal 10% des Mittelwerts der beiden Meßwerte.

 

3. Richtige Berechnung der Atemalkoholkonzentration

Wurden die oben genannten Erfordernisse eingehalten, muss noch das Meßergebnis richtig berechnet worden sein. Bei der Messung darf auf keinen Fall aufgerundet werden, und zwar weder bei den Ergebnissen der Einzelmessungen noch bei dem zu errechnenden Mittelwert. Von den beiden Meßergebnissen dürfen nur die ersten beiden Dezimalstellen berücksichtigt werden. Dies ist im Einzelfall jeweils zu überprüfen; gelegentlich wird insbesondere bei den Einzelwerten zu Unrecht die dritte Nachkommastelle mitgerechnet und lediglich beim Mittelwert abgerundet.

 

4. Folgen von Fehlern bei der Ermittlung der Atemalkoholkonzentration

Die Obergerichte legen an die korrekte Ermittlung der Atemalkoholkonzentration strenge Maßstäbe an. Verstöße gegen die zehnminütige Kontrollfrist (oben Nr. 2.3.1.) führen in der Regel zur Unverwertbarkeit der Messung, d.h. der Betroffene ist in solchen Fällen mangels Beweisen freizusprechen. Bei einem Verstoß gegen die zwanzigminütige Wartefrist (oben Nr. 2.3.2.) ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Das Bayerische Oberste Landesgericht, das Oberlandesgericht Dresden und das Oberlandesgericht Hamm sind in solchen Fällen ebenfalls zu einer Unverwertbarkeit der Messung gelangt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist dagegen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Messung gleichwohl eine ausreichende Grundlage für eine Verurteilung darstellt.

Wurde von den Behörden gegen eine der oben genannten Voraussetzungen verstoßen, so sollte dies bereits vor der zuständigen Bußgeldbehörde und spätestens vor dem zuständigen Amtsgericht in der Verhandlung über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid geltend gemacht werden. Gegebenenfalls sollte mit einem entsprechenden Beweisantrag die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt werden. Rügen zu fehlerhaften Messungen betreffen Tatsachen und sollten daher bereits in der Tatsacheninstanz (Bußgeldbehörde/Amtgericht) und nicht erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz geltend gemacht werden (s. Beschluss des BGH vom 19.08.93).

Die oben genannten Grundsätze gelten allein für Atemalkoholmessungen im Rahmen von Bußgeldverfahren nach § 24a StVG. Auf Strafverfahren wegen Trunkenheitsdelikten (z.B. § 316 StGB) sind sie daher nicht anzuwenden.


Rechtsprechung:

  • Brandenburgisches OLG – Beschluss vom 31.01.07: Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24 a Abs. 1 StVG, dem eine Atemalkoholmessung mit einem standardisierten Messverfahren (hier: Dräger Alcotest 7110 Evidential) zu Grunde liegt, muss der Tatrichter im Urteil keine Einzelheiten zur Messmethode darlegen, wenn nicht vom Betroffenen konkrete Messfehler behauptet werden.
  • OLG Hamm – Beschluss vom 24.08.06: Atemalkoholmessungen, bei denen die zwanzigminütige Wartezeit unterschritten wurde, sind grundsätzlich unverwertbar. Eine andere Beurteilung kann jedoch bei deutlich über 0,25 mg/l liegenden Messungen geboten sein.
  • OLG Karlsruhe – Beschluss vom 05.05.06: Werden die für ein standardisiertes Meßverfahren (hier: Atemalkoholtest) vorgegebenen Verfahrensbedingungen (hier: Einhaltung der Wartezeit von 20 min. zwischen Trinkende und Messung) nicht eingehalten, so ist die Messung nicht ohne weiteres unverwertbar. Es ist durch Hinzuziehung eines Sachverständigen zu ermitteln, welche Auswirkungen diese Nichteinhaltung hat.