Saarländisches Oberlandesgericht stellt Grundsatzfrage zur Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen
Blitzermessungen gehören zum Alltag auf deutschen Straßen – doch was vielen Verkehrsteilnehmern nicht bewusst ist: Es gibt derzeit eine erhebliche Rechtsungleichheit bei der Verwertbarkeit dieser Messergebnisse, abhängig davon, in welchem Bundesland man geblitzt wird. Der Grund liegt in einer abweichenden Rechtsprechung im Saarland, die nun möglicherweise bald vom Bundesgerichtshof (BGH) überprüft wird.
Der Fall: Saarländisches OLG legt Frage dem BGH vor
Mit Beschluss vom 10. April 2025 hat das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) dem BGH die Frage vorgelegt, ob Geschwindigkeitsmessergebnisse verwertbar sind, wenn die sogenannten Rohmessdaten – also die ursprünglichen, bei der Messung erzeugten und verarbeiteten Daten – nicht gespeichert werden und dem Betroffenen dadurch keine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses möglich ist.
Im Saarland hatte der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) bereits 2019 (Az.: LV 7/17) entschieden, dass ein solcher Mangel gegen das Gebot eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens verstoße. In der Konsequenz dürfen saarländische Gerichte den Betroffenen nicht allein auf Basis des Messergebnisses verurteilen, wenn die Rohdaten fehlen und dieser sich gegen die Messung wehrt.
Warum ist das problematisch?
Das Problem liegt darin, dass kein einziges der in Deutschland amtlich zugelassenen Geschwindigkeitsmesssysteme derzeit die Rohmessdaten speichert. In anderen Bundesländern stellt dies jedoch kein Hindernis für eine Verurteilung dar: Dort gilt der Grundsatz, dass standardisierte Messverfahren – sofern sie zugelassen und geeicht sind – ohne weitergehende Prüfung verwertbar sind, solange der Betroffene keine substantiierten Einwände erhebt.
Gerichte wie das OLG Dresden oder auch das Bundesverfassungsgericht (2023) haben sich ausdrücklich gegen die saarländische Linie gestellt. Das führt zu einer Rechtszersplitterung, die für Betroffene kaum nachvollziehbar ist – denn wer z. B. in Rheinland-Pfalz geblitzt wird, hat weniger Verteidigungsmöglichkeiten als jemand, der in Saarbrücken geblitzt wird.
Einheitlichkeit durch Bundesgerichtshof?
Um dieser Ungleichheit zu begegnen, hat das OLG Saarbrücken nun den Weg zur Klärung durch den Bundesgerichtshof gewählt. Grundlage hierfür ist § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. § 121 Abs. 2 GVG, wonach Bußgeldsenate in Ordnungswidrigkeitenverfahren bei uneinheitlicher Rechtslage die Möglichkeit haben, eine Vorlageentscheidung beim BGH zu beantragen.
Mögliche Folgen:
- Bundesweit einheitliche Rechtsprechung: Der BGH könnte eine grundsätzliche Klärung herbeiführen, ob das Fehlen von Rohmessdaten ein Beweisverwertungsverbot begründet.
- Stärkere Rechte für Betroffene? Sollte der BGH der saarländischen Auffassung folgen, müssten Messgeräte künftig möglicherweise technisch angepasst werden, um Rohdaten zu speichern.
- Erhöhte Anforderungen an Messverfahren: Die Entscheidung könnte Auswirkungen auf die Zulassung und den Betrieb von Blitzern in ganz Deutschland haben.